Moderner Unterricht in Geografie: Alle Schüler sind mit Tablets ausgerüstet.bild: watson
Liveticker
Zwei Tage sind am Zürcher Gymnasium Unterstrass weit und breit keine Lehrer, Rektoren oder Schulabwärte zu finden. Dann übernehmen die Schüler das Kommando und alle Aufgaben. Ob das klappt? watson ist heute live mit dabei.
17.04.2019, 08:5217.04.2019, 13:30
Warum sind am Gymi Unterstrass heute nur Schüler?
Was nach einem grossen Traum für viele Schüler klingt, ist eine jahrelange Tradition, die am Gymnasium Unterstrass in Zürich durchgeführt wird. «Schülerschule» nennt die Schulleitung dieses Projekt, welches mittlerweile alle vier Jahre durchgeführt wird: Die Lehrer gönnen sich einen dreitägigen Ausflug, die Schüler unterrichten, bekochen und organisieren sich in dieser Zeit selbst.
Da heute Mittwoch ist, haben die Schüler am Nachmittag frei. Für Rektorin Gianna ist der Tag aber noch längst nicht vorüber. Ein erstes Fazit fällt aber sehr positiv aus.
In den Gängen tuscheln die Lehrer über ihre Klassen aus. «Oft haben sie sich nicht getraut zu fragen, wenn sie was nicht verstanden haben», raunt der eine dem anderen zu. «Ja, bei mir auch», kommt postwendend die Zustimmung des Gegenübers. Schüler, die einmal Lehrer sein wollen, können sich freiwillig melden. Den Unterrichtsstoff gibt dann der jeweilige «eigentliche» Lehrer vor. Die Stunde gestalten und vorbereiten müssen die Schüler dann selbst.
Ebenfalls noch nicht in der Mittagspause ist die Klasse 2a bei Lehrerin Sharonne. Die Schüler diskutieren munter und motiviert auf Englisch.
Während ältere Semester noch mit einem Hellraumprojektor unterrichtet wurden, spielt man im Geografie-Unterricht interaktiv ein Quiz über den gelernten Inhalt. Die Stimmung ist ausgelassen. Vielleicht, weil es die letzte Stunde vor der Mittagspause ist?
In der Küche wuselt das Küchenpersonal herum. Es ist kurz vor Mittag und das Essen für die hungrigen Schüler muss bald bereit sein. Gemäss Küchenchef Til läuft alles nach Plan. Nur hie und da gab es ein paar kleine Probleme mit Schlüsseln, Maschinen oder Mikrowellen. Einzige Sorge, die sich das Personal stellt: Food Waste. «Wir haben allen Schülern eine E-Mail geschrieben, dass sie übriges Essen im Tupperware abholen können, damit wir nichts wegwerfen müssen», so eine Schülerin.
Der 16-jährige Valentin unterrichtet heute Nachmittag seine erste Mathestunde. Ein bisschen nervös sei er schon, so der Schüler. «Wenn die Klasse nicht mitmacht, dann wird es mühsam», sagt Valentin. Bisher sei das aber nicht der Fall gewesen. «Die Schüler beteiligen sich aus Solidarität sogar mehr im Unterricht als bei den eigentlichen Lehrern», schmunzelt Valentin.
Küchenchef Til eilt durch den Gang. Im Vorbeigehen ruft er: «Die Mikrowellen funktionieren nicht.» Und das kurz vor Mittag? Auweia! Doch dann die Entwarnung. Hausmeister Shair weiss Bescheid. Die Mikrowellen haben eine Zeitschaltuhr – und gehen automatisch kurz vor dem Mittagessen an.
Aida (links im Bild) und Lenka (18) haben beide einen Unterrichtsjob gefasst. Aida hat bereits Französisch unterrichtet und Lenka ist Sportlehrerin. «Ich habe mich total über mein eigenes Büro gefreut», erzählt Aida. Die Freude sei dann allerdings etwas verflogen, als die Schülerin sah, wie viel Arbeit es ist, eine Lektion vorzubereiten. «Es ist noch krass, die Lehrerseite zu sehen. Da steckt schon viel Arbeit dahinter», muss die 19-Jährige zugeben. Ihre Kollegin Lenka pflichtet bei: «Ich dachte Sport unterrichten sei voll easy, aber da muss man jedes Detail genau planen. Wie bilde ich die Teams? Mit welchen Bällen wollen wir spielen?»
Die 15-jährige Klea gibt heute Nachmittag Klavierunterricht. Auch an ältere Gspändli. Und der eigene Unterricht? «Den muss ich mir selbst geben», sagt die Schülerin schmunzelnd.
Shair ist derzeit Tätschmeister in Sachen Schuldienstleistungen. Er ist Hausabwart. Aus seinem Büro ertönt laut der Song «No Diggity». Die Boomboxen hat er direkt vor dem Computer installiert. Ob es sich so tatsächlich besser arbeiten lässt?
Während die Schüler draussen auf dem Pausenplatz frische Luft geniessen, herrscht im Sekretariat konzentrierte Ruhe. Es müssen gefühlt 1000 Briefe verschickt werden.
Nach der kurzen Ansprache von Rektorin Gianna wird gesungen. Auf ihre Frage: «Und wie gefällt's euch?» Erntet die 19-Jährige tosenden Applaus. Dann stimmen die Schüler gemeinsam und mit Klavier begleitet ein Liedchen an.
Rektorin Gianna hat viel zu tun. Das meiste sei Koordinationsarbeit, «nicht so viel Kopfarbeit wie während des Unterrichts». Auch um die Medienanfragen muss sie sich kümmern. Für die richtige Schulleitung muss sie jeden Tag einen Bericht abliefern und aufschreiben, was alles gut lief – und was eben nicht.
Der 19-Jährige Fabian macht den Geschichtsunterricht für die Klasse 4b. Er wollte einmal in die Rolle eines Lehrers schlüpfen und Geschichte, sein Lieblingsfach, «war da sehr naheliegend», so der angehende Maturand. Er diskutiert mit seinen Schülern über Asien: Der Handelskrieg zwischen China und den USA, die Wahlen in Thailand und die Abdankung des japanischen Kaisers werden thematisiert.
Die Klasse 2a sitzt zurzeit im Deutschunterricht bei Meret. Es geht um Franz Kafkas Werk «Brief an den Vater». Die Schüler machen munter mit – trotz der frühen Morgenstunden. Lehrerin Meret lässt ihre Schüler über die Familienbildern von früher und heute diskutieren. «Ich glaube früher waren die Familien oft so. Ich verstehe nicht ganz, wieso Kafkas Familie spezieller war als andere zu dieser Zeit», sagt eine Schülerin.
Auch in der Küche haben die Schüler übernommen. Küchenchef Til musste früh aufstehen. Seit 6 Uhr sei er in der Schule. Aktuell räumt er den Snack-Automaten ein. Danach gehts zur Vorbereitung des Mittagessens.
Am Gymi Unterstrass herrscht gespenstische Ruhe. Ob das ein gutes Zeichen ist? Noch ist der Pausenraum leer und die Schüler in ihren Klassen.
Alle vier Jahre findet die «Schülerschule» am Gymnasium Unterstrass statt. Vom 16. bis am 18. April 2019 übernehmen Schüler alle Aufgaben der Schule. Sie sind Rektorinnen, Lehrer, Kantinenmitarbeiter und Hausdienst zu gleich.
Die 27 lustigsten Zitate aus Schul-Jahrbüchern
1 / 29
Die 27 lustigsten Zitate aus Schul-Jahrbüchern
Darum hat sich die Maturitätsquote in der Schweiz verdoppelt
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Dem Pharmakonzern Novartis ist der Umbau in ein fokussiertes Pharmaunternehmen gut bekommen. Im ersten Quartal ist der Konzern so stark gewachsen, dass er für das Gesamtjahr die Messlatte erhöht. Zudem soll es im kommenden Jahr zum Wechsel im VR-Präsidium kommen.
Tut sehr gut, wenn man mal auf der anderen Seite eines Klassenzimmers sitzt und merkt, dass so eine Stunde leiten nicht gerade einfach sein kann... Erinnere mich noch sehr gut an meine paar ersten Unterrichtsstunden. Stressig, aber sehr nützlich was man da lernt, auch für Sitzungen, organisieren, etc.