Ein Jahr nach dem Absturz einer historischen Ju-52 in Graubünden mit 20 Todesopfern dauern die Untersuchungen zur Unglücksursache weiterhin an. Die Rekonstruktion des Geschehens gestaltet sich wegen nicht vorhandener Aufzeichnungsgeräte äusserst aufwendig.
An Bord des Nostalgieflugzeuges der Dübendorfer Ju-Air waren weder ein Flugdatenschreiber installiert noch wurden die Gespräche zwischen den Piloten aufgezeichnet. Das Fehlen der Daten erschwert die Rekonstruktion des Flugweges und des Unfallherganges ausserordentlich.
Das schreibt die Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) in einem Statusbericht, den sie am Freitag publizierte. Anlass für den Bericht ist der Jahrestages des Absturzes am 4. August.
Um die Flug- und Absturzbahn sowie den Zustand der Maschine nachvollziehen zu können, wertet die Sust nach wie vor eine Vielzahl von Datenquellen aus. Dazu gehören 40 Mobiltelefone, Digitalkameras und Speicherkarten, welche den Passagiere und der Besatzung der Unglücksmaschine gehörten.
Bei einigen der teilweise stark beschädigten Komponenten gelang es durch aufwändige Verfahren, Bild- und Tonaufnahmen vom Unfallflug zu gewinnen. Dabei wurde die Sust durch die französischen Sicherheitsuntersuchungsbehörde Bureau d’Enquêtes et d’Analyses pour la sécurité de l’aviation civile (BEA) unterstützt.
Ebenfalls ausgewertet werden Foto- und Filmaufnahmen, die von zahlreichen Personen vom Boden aus gemacht wurden. Dazu kommen Radardaten von mehr als 200 Flügen mit Ju-52-Flugzeugen sowie detaillierte Wetterdaten vom Absturztag.
Gestützt auf die verschiedenen Datenquellen kann laut der Sicherheitsuntersuchungsstelle der gesamte Flugverlauf gut rekonstruiert werden.
Für die letzten Flugminuten wurde ein digitales 3D-Modell des Absturzgeländes und des Flugzeuges erstellt und mit den Foto- und Filmaufnahmen abgeglichen. Damit sollte es möglich sein, für die letzte Flugphase die Positionen des Flugzeuges im Raum zu ermitteln, sowie dessen Lagewinkel und seine Geschwindigkeit.
Auch die Tonspuren aus dem vorhandenen Filmmaterial werden analysiert. Eine Spektralanalyse der aufgenommenen Geräusche wird es möglicherweise erlauben, die Umdrehungszahlen der Motoren zu bestimmen und Rückschlüsse auf deren Zustand zu ziehen.
Weiter werden die Luftströmungen im Absturzgebiet simuliert. Dazu werden während einiger Wochen Luftdruck, Temperatur und Feuchte im Unfallgebiet gemessen. Zudem sollen die dreidimensionalen Strömungsverhältnisse im Bereich des Flugweges kurz vor dem Absturz erfasst werden.
Falls alle Abklärung die erhofften Resultate liefern, sollte der Schlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle im ersten Quartal des kommenden Jahres vorliegen. Die Untersuchung haben aber bereits jetzt Resultate geliefert, schreibt die Sust.
So seien «wichtige Sicherheitsdefizite zu Tage gefördert» worden. Diese hingen zwar nicht direkt mit dem Unfall zusammen, sollten aber im künftigen Betrieb von historischen Luftfahrzeugen behoben werden.
Beim Unfallflugzeug wurden Korrosionsschäden an Holmen, Scharnieren und Beschlägen der Tragflügel gefunden sowie Mängel an neu angefertigten Motorenteilen. Sie wurden als sicherheitsrelevant eingestuft.
Weil bei den zwei verbliebenen Schwesternflugzeugen der Ju-Air mit ähnlichen Schäden gerechnet werden musste, verfügte die Sust im November 2018 für sie ein vorübergehendes Flugverbot. Seither werden die Maschinen generalüberholt.
Zahlreiche Teile der historischen Flugzeuge und die Motoren werden vorsorglich ausgewechselt. Die totalrevidierten Oldtimer sollen dann Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) zur Prüfung vorgelegt. Nach der Überholung würden die Maschinen «technisch so gut wie neuwertig» sein, betont die Ju-Air.
Beim Absturz am Segnesspass oberhalb von Flims vor einem Jahr starben alle 20 Insassen des knapp 79-jährigen Nostalgieflugzeuges. Es handelt sich um 17 Passagiere und drei Besatzungsmitglieder des Fluges von Locarno-Magadino TI nach Dübendorf ZH. Die Maschine wurde vollständig zerstört. (aeg/sda)