
Der Hauptsitz der TX Group an der Werdstrasse in Zürich. Hier befinden sich auch die Büros des «Magazins».Bild: KEYSTONE
In einem Brief meldet sich der ehemalige Chefredaktor des «Magazins» zu Wort. Er reagiert damit auf die Vorwürfe der Journalistin Anuschka Roshani.
07.02.2023, 17:2907.02.2023, 18:14

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Die Journalistin Anuschka Roshani erhebt schwere Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Vorgesetzten Finn Canonica. In einem Beitrag des Spiegels wirft sie Canonica, der zwischen 2007 und 2022 Chefredaktor des «Magazins» war, Mobbing und Sexismus vor. Die Anschuldigungen haben es in sich. So soll Canonica sie hinter ihrem Rücken als die «Ungefickte» bezeichnet und beim Redigieren der Texte Hakenkreuze gezeichnet haben. Die Journalistin veröffentlichte zudem Textnachrichten, in denen Canonica sie als «Pfarrermätresse» bezeichnete. Ehemalige Magazin-Journalisten bestätigten in der Folge die Vorwürfe von Roshani.
Tamedia liess die Vorwürfe durch eine externe Kanzlei überprüfen. Diese kam zum Schluss, dass sich ein erheblicher Teil der Vorwürfe gegen Canonica nicht bestätigen liess – insbesondere die Vorwürfe «von sexueller Belästigung, Mobbing und Diskriminierung». Canonicas Sprachgebrauch und die Hakenkreuze seien jedoch unangemessen und nicht hinnehmbar.
Bisher geschwiegen hat Canonica. Gegenüber dem «Spiegel» liess sein Anwalt lediglich verlauten: «Die Vorwürfe treffen nicht zu und werden vehement bestritten.»
Doch nun meldet sich Canoncia zu Wort. In einem Brief, der watson vorliegt, nimmt er Stellung zu Roshanis Vorwürfen und legt seine Sicht der Dinge dar.

Finn Canonica.bild: keystone
Die Reaktionen auf den «Spiegel»-Artikel
Eingangs schreibt Canonica:
«Vergangenen Freitag veröffentlichte der Spiegel einen Text meiner ehemaligen Mitarbeiterin Anuschka Roshani. Der Spiegel Text zog weitere Texte nach in den Schweizer Medien. Der Text hatte das Ziel, mir und meiner Familie maximal zu schaden. Tatsächlich ist das, was wir nun erleben, schrecklich. Ich werde in anonymen Mails beschimpft, meine Kinder trauen sich kaum mehr auf die Strasse. Liest man den Text, muss der Eindruck entstehen, ich sei ihr gegenüber ein Monster gewesen.»
Der Schaden für ihn und seine Familie sei enorm, schreibt Canoncia. Er werde maximal an den Pranger gestellt. «Ich werde mit Hassmails überschüttet, mit Harvey Weinstein verglichen (!), einem verurteilten Mehrfachvergewaltiger.»
Die Untersuchungen
Canonica erzählt, was sich in den vergangenen eineinhalb Jahren aus seiner Sicht zugetragen hat, und beginnt im August 2021. Damals sei er vom Chefredaktor Arthur Rutishauser ins Büro zitiert worden. Er habe gesagt, sie müssten Vorwürfen nachgehen, die im Zusammenhang mit dem Frauen-Brief an die Tamedia-Leitung erhoben worden seien. Die Befragungen setzten Canonica schwer zu. Er sei deswegen länger krank gewesen.
Ende Oktober sei die erste Untersuchung abgeschlossen worden, meint Canonica. Doch kurz darauf sei eine erneute Untersuchung angekündigt worden.
«Am 10. Dezember 2021 wurde ich ins Büro des Verlegers Pietro Supino zitiert. Er sagte, die Vorwürfe von Frau Roshani seien von ihr selbst in den Verwaltungsrat getragen worden.»
Darauf habe sein ganzes Team einen Brief an Supino geschrieben, in dem sie Roshanis Vorwürfe als «absurd» bezeichneten. Sie hätten nie eine Form von Mobbing von Canonica gegen Roshani oder andere erlebt. Der Brief der Mitarbeitenden liegt watson nicht vor.
«Die externe Untersuchung nahm ihren Lauf. Sämtliche Mitarbeiter:innen wurden langen Befragungen ausgesetzt. Meine eigene dauerte sieben Stunden. Ich nahm zu jedem Vorwurf Stellung. Mir wurden absurde Dinge vorgelesen, von denen Roshani behauptet habe, ich hätte sie gesagt. Es waren schlicht Lügen. Die Befragungen meiner Kolleginnen und Kollegen bestätigten meine Verneinungen. Alle sagten, sie hätten mich niemals solche oder ähnliche Dinge sagen hören.»
Die Hakenkreuze
Roshani konnte mit Bildern die Hakenkreuze Canonicas belegen. Er schreibt dazu, es sei ein Witz gewesen, den er heute sehr bedaure. Canonica holt weit aus und gibt Einblicke ins Arbeitsklima und den Umgangston auf der Redaktion.
«Anuschka Roshani und ich haben fast gleichzeitig beim Magazin begonnen. Wir hatten unsere Büros nebeneinander, wir sprachen oft miteinander. Wir waren befreundet, haben zusammen auch mal privat etwas unternommen.
Nun muss man verstehen, dass eine (kleine) Redaktion wie die des Magazins anders funktioniert als vielleicht andere Arbeitsplätze: die Sprüche unter Journalist:innen sind oft derb, man nimmt sich hoch, man ist ein kleines Team, das sich gut kennt. Ähnlich wie eine Sportmannschaft. Ich setzte das Hakenkreuz neben Ausdrücke in ihren Texten, die ich für Schweizer Leserinnen als unverständlich betrachtete.
Sie schienen mir altertümlich und leicht rassistisch. Es ging mir aber nur um die Sprache, und nicht um sie als Person. Konkret waren es Redewendungen wie ‹Olle Kamelle› und ‹Alter Schwede›. Anuschka Roshani hat sich nie darüber beschwert, sondern das mit Humor hingenommen. (Sie insistierte sogar, dass ich ihre Texte redigiere, weil ich das aus ihrer damaligen Sicht am besten könne). Diese Art von Humor war zwischen uns und allen anderen Kolleginnen normal. So musste auch ich Witze über Juden anhören. Roshani wusste, dass meine Mutter eine französische Jüdin und Holocaust-Überlebende ist.
Zum Glück ist es heute unmöglich, solche Witze zu machen. Die Zeiten haben sich geändert. Und das ist eine gute Entwicklung.»
Die SMS
Der Spiegel druckte zwei SMS von Roshani ab. In einem bezeichnete Canonica sie als «Pfarrermätresse». Dazu nimmt Canonica im Brief keine Stellung, jedoch zur zweiten SMS.
«Der Spiegel druckt eine SMS von mir an sie ab, in der ich Anuschka Roshani sehr lobe, aber auch schreibe für eine Frau.... Natürlich war das nicht ernst gemeint. Es war eine Anspielung auf die häufig auf der Redaktion diskutierte Frage der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, wie es in der Schweiz in vielen Bereichen noch der Fall ist. Anuschka Roshani hat den Witz durchaus verstanden, zumal ich sie ja ausdrücklich für eine brillante Arbeit lobte. Umgekehrt ist es mir nie in den Sinn gekommen, Sprüche von Mitarbeiterinnen wie: Ihr Männer habt immer nur eines im Kopf, als männerfeindlich zu bezeichnen.»
«Diese Sätze, völlig aus dem Kontext gerissen, im Spiegel und anderswo zu lesen, klingt schrecklich. Das kann ich verstehen. Aber aus meiner Sicht ist der Kontext eben doch entscheidend. Im Nachhinein werfe ich mir vor, dass ich nicht genügend dafür gesorgt habe, dass solche Witze überhaupt nicht mehr gemacht werden. Ich spreche aber von Ereignissen, die zum Teil fünfzehn Jahre her sind, kaum jemand war damals so sensibilisiert, wie man es heute ist.»
Der Schlussbericht
Im Sommer sei der Schlussbericht der Kanzlei erschienen, schreibt Canonica. Dazu schreibt er:
«Der Schlussbericht erklärte praktisch sämtliche Vorwürfe von Roshani als gelogen oder nicht nachweisbar. Ich selbst wurde dafür gerügt, zu oft die Wörter «fuck» und «bullshit» im Arbeitsalltag zu verwenden (Im Spiegel behauptet Anuschka Roshani, ich hätte immer «ficken» gesagt, was gelogen ist, und ein erheblicher Unterschied dazu). Tatsächlich sage ich oft «fuck», ich verstehe, dass man sich daran stören kann, aber Roshani hat das nie kritisiert.»
Er sei froh, dass Tamedia mittlerweile Teile des Untersuchungsberichtes veröffentlicht habe, so Canonica. So könne sich jeder selber ein Bild machen.
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Da würde ich vom Team allerdings schon gerne mehr wissen: „Darauf habe sein ganzes Team einen Brief an Supino geschrieben, in dem sie Roshanis Vorwürfe als «absurd» bezeichneten. Sie hätten nie eine Form von Mobbing von Canonica gegen Roshani oder andere erlebt.“ –