Der Bub hat sich im Medikamentenschrank der Eltern bedient? Die Tochter hat eine Auswahl an Beeren und Blättern auf dem Kindergartenweg gekostet? Auch bei Bauchschmerzen nach einer Pilz-Pfanne greifen viele Personen in der Schweiz zum Telefon und wählen 145, den Giftnotruf.
2024 verzeichnete die Hotline 42’782 Beratungen – das ist Rekord. Meist rufen Privatpersonen an, aber auch Spitäler und Ärztinnen greifen auf das Angebot zurück. Der Giftnotruf kann so die Situation auf Spitalnotfällen entschärfen. Der Telefondienst spart unter dem Strich Kosten.
Doch die schnelle und unkomplizierte Beratung ist gefährdet. Wie so häufig bei ausserordentlichen medizinischen Angeboten hapert es an der Finanzierung. In den letzten Jahren haben sich die ursprünglichen Träger, Versicherer und Spitäler, als Unterstützer zurückgezogen. Nur die Unfallversicherung Suva leistet nebst der öffentlichen Hand noch einen substanziellen Beitrag.
Weil sich die finanziellen Probleme abgezeichnet haben, ist der Stiftungsrat von Tox Info Suisse schon vor zehn Jahren auf den Bund zugegangen und hat vor Finanzlücken gewarnt, wie Stiftungspräsident Josef Widler sagt. «Eine langfristige Lösung haben wir bis heute nicht. Im Gegenteil trägt die Stiftung seit drei Jahren ein Defizit von jeweils einer Million. Das Vermögen ist Ende Jahr aufgebraucht.»
Weil sich die finanzielle Lage zuspitzt, hat Tox Info ein Ultimatum gestellt: Bis Ende August soll der Bund eine Soforthilfe von 1,1 Millionen Franken zahlen, um den Betrieb für 2026 zu sichern. Denn für die Stiftung ist klar, wer für das Loch in der Kasse verantwortlich ist: das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Denn das Gesetz schreibt vor, dass der Bund den Service zur Verfügung stellen muss.
Das Bundesamt erklärt, eine nationale Auskunftsstelle für Vergiftungen sei wichtig. Das Amt arbeite darum «seit Monaten mit grossem Einsatz an einer Lösung». Die Expertinnen und Experten der Verwaltung seien daran, die Lösungspisten zu konkretisieren. «Auf Initiative des BAG findet bereits im August eine Sitzung mit den Stiftern von Tox Info Suisse statt.»
Vor allem aber findet das BAG, dass der Grund für die Finanzlücke nicht beim Bund liege, wie es in einer «Klarstellung» schreibt. Grund sei, dass Stifter und Träger abspringen. Und dass Spitäler, die vom Giftnotruf profitieren, nur einen sehr kleinen Beitrag zahlen. Demgegenüber habe der Bund die Beiträge nicht gekürzt, sondern in drei Jahren von 540’000 auf aktuell 670’000 Franken erhöht. Eine weitere Geldspritze sei wegen angespannter Finanzlage nicht möglich.
Der Bund verweist auch auf die «drastisch» steigenden Aufwände von Tox Info. 2020 waren es 3,4 Millionen, im Rekordjahr 2024 waren es 4,3 Millionen Franken. Für 2029 sind 5,7 Millionen Franken geplant.
Die Aufforderung an die Stiftung, auch ausgabenseitig zu sparen, hat das Fass nun zum Überlaufen gebracht: «Das BAG suggeriert, dass wir sparen können. Doch wir legen seit Jahren drauf, können keine marktüblichen Löhne zahlen und haben den Stellenplan nicht ausgefüllt», sagt Josef Widler. «Viele Mitarbeitende schuften viel pro bono. Die Zitrone ist ausgepresst.» Gleichzeitig gebe der Bund nur 10 Prozent an die Kosten – trotz des Gesetzesauftrags.
Was Widler ärgert, ist die fehlende Perspektive und die Nonchalance des Bundes, die Schuld einfach der Stiftung Tox Info Suisse zuzuschieben. Sein Geduldsfaden ist gerissen. Er sammelt nun Unterschriften für eine Petition: Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider soll den Betrag aufbringen.
Entsprechend scheint mir auch klar, dass das Weiterbestehen der Hotline im Allgemeinen Interesse ist und die Krankenkassenprämien entlastet.