Thomas Geiser: Nein, wieso sollte ich?
Man darf nicht Äpfel mit Birnen vermischen. Die Bevölkerung hat nicht deshalb SVP gewählt, weil sie mit ihrer Europapolitik einverstanden ist – das war im ganzen Wahlkampf ja überhaupt kein Thema. Das Ergebnis ist in erster Linie auf die Migrationsproblematik zurückzuführen, wie ja auch Befragungen zeigen. Dass wir unsere Initiative nun so kurz nach den Wahlen eingereicht haben, ist einigermassen zufällig. Das hat auch mit den kantonalen Abläufen bei der Beglaubigung der Unterschriften zu tun. Es wäre jedenfalls unklug gewesen, mit der Einreichung zuzuwarten.
Ich sehe nicht ein, was bei dieser Botschaft zuhanden des Parlaments so aufwendig sein kann. Es geht ja nur darum, die von der Masseneinwanderungsinitiative der SVP eingeführte Bestimmung zu streichen. Unsere Initiative hat nichts anderes zur Folge, es ist die einfachste Vorlage, die je geschrieben wurde. Natürlich kann der Bundesrat darlegen, welche volkswirtschaftlichen Einsparungen dadurch möglich wären – aber das kann er, mit umgekehrten Vorzeichen, einfach aus der Botschaft der SVP-Initiative kopieren. Gemäss unseren Berechnungen ist es möglich, die Vorlage bereits in der Frühlings-, spätestens in der Sommersession in die Räte zu bringen. Dann würde es locker für eine Abstimmung spätestens Anfang 2017 reichen.
Ich erinnere daran, dass die Bevölkerung am 18. Oktober zu 70 Prozent Parteien die Stimme gegeben hat, welche die bilateralen Verträge mit der EU unbedingt aufrechterhalten wollen. Das Parlament kann sich politisch aber ohnehin nicht erlauben, die Rasa-Initiative nun einfach auf die lange Bank zu schieben. Man müsste sich das mal vorstellen: Das würde bedeuten, dass man über die für die Schweiz wegweisendste Frage – also: Bilaterale erhalten oder nicht – entscheidet, ohne das Volk dazu zu befragen.
Nein, das wusste sie eben nicht. Die Befürworter der Masseneinwanderungsinitiative behaupteten damals stets, dass eine Umsetzung möglich sei, ohne die bilateralen Verträge zu verletzen. Jetzt sehen wir, dass das Gegenteil der Fall ist – und dass eine Lösung mit der EU bis anhin unmöglich erscheint, so gern wir sie uns wünschen. Vergessen wir nicht: Die SVP-Initiative ist nur von einer Zufallsmehrheit angenommen worden.
Dieser Vorwurf ist und bleibt absurd. Im Gegenteil: Unsere Initiative ist der Schutz der direkten Demokratie. Nämlich, dass die Bevölkerung dann über eine Sache abstimmen kann, wenn sie konkret auf dem Tisch liegt. Die Masseneinwanderungsinitiative verpflichtet ja den Bundesrat, die Verfassungsbestimmung unter Umgehung von Parlament und Volk per Verordnung umzusetzen, wenn nicht innerhalb von drei Jahren eine Lösung gefunden wird. Wenn schon, dann ist das undemokratisch.
Das glaube ich nicht. Aus zwei Gründen: Erstens verlängert unsere Initiative letztlich einfach die Frist. Es ist der Zeitdruck der Masseneinwanderungsinitiative, der die Schweizer Position schwächt. Wenn man diesen Artikel streicht, kann man in aller Ruhe darüber diskutieren, ob man Teile der bilateralen Verträge neu verhandeln oder gleich ein ganzes Rahmenabkommen mit der EU abschliessen möchte – so schwierig das auch ist.
Um verhandeln zu können, ist es immer entscheidend, Spielraum zu haben. Die in der Masseneinwanderungsinitiative vorgesehene Regelung setzt ja keine genauen Kontingente fest, diese könnten theoretisch auch bei jährlich einer Million Personen liegen. Zusammen mit dem Inländervorrang widerspricht das allerdings der Personenfreizügigkeit. Unter diesen Umständen ist ein vernünftiges Verhandlungsergebnis gar nicht möglich.
Das geht nicht, denn auch sie müsste mit den Kontingenten verbunden sein – und Kontingente werden, wie wir jetzt sehen, von der EU nicht akzeptiert. Nur wenn man die Rasa-Initiative annimmt, kann man auch über die Schutzklausel reden.
Dann sind natürlich in erster Linie die Parteien in der Pflicht. Aber ich werde weiterhin dabei sein. Die Erfahrungen bei der Unterschriftensammlung haben mir gezeigt: Sehr viele Leute halten es für überaus wichtig, dass wir nochmals abstimmen.
(trs/aargauerzeitung.ch)