Schweiz
Religion

Die Judenfeindlichkeit anno 1986 – es ist nicht das erste Mal, dass Arosa negativ auffällt

Ein Schild in Arosa mahnt Juden vor und nach dem Schwimmen zu duschen.
Ein Stück Papier sorgt für viel Aufruhr: Aushang im Aparthaus Paradies in Arosa. Bild: channel 2

Arosa hatte schon 1986 einen Juden-Skandal, inklusive internationalen Shitstorms

17.08.2017, 11:5517.08.2017, 12:57
Helene Obrist
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Ein weisses Stück Papier sorgte in der Gemeinde Arosa in den vergangenen Tagen für internationalen Aufruhr. Mit dem Zettel, angebracht von der Hauswartin, wurden jüdische Gäste des Aparthauses Paradies gebeten, vor dem Schwimmen zu duschen. Ansonsten würde der Swimmingpol geschlossen. 

Die Meldung verbreitete sich wie ein Flächenbrand. Nationale und internationale Medien berichteten über den Fall und kritisierten die antisemitischen Äusserungen. Selbst die stellvertretende israelische Aussenministerin Tzipi Hotovely intervenierte in der israelischen Botschaft in der Schweiz. 

Die Judenfeindlichkeit von 1986

Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Es ist nicht das erste Mal, dass Arosa der Judenfeindlichkeit verschrien wird. Bereits im Jahr 1986 wurde «Der Spiegel» auf die Vorurteile und Feindseligkeiten gegenüber orthodoxen Juden in Arosa aufmerksam. 

Angefangen hat alles mit dem katholischen Publizist und Religionslehrer Otto Kopp. Kopp sprach einst in einer Schulstunde in den höchsten Tönen von der grossen Anzahl jüdischer Nobelpreisträger. Was seine Schüler dazu veranlasste, ihre und ihrer Eltern Vorurteile gegenüber Juden vor ihm auszubreiten. 

Curlingspieler, links, geniessen das herrliche Winterwetter am Sonntag, 16. Dezember 2007 in Arosa. In der Bildmitte die Eishalle Arosa.(KEYSTONE/Alessandro Della Bella)
Die Gemeinde Arosa: Ein beliebter Ferienort für nationale und internationale Gäste. Bild: KEYSTONE

«Bestgehasster Mann im Dorf»

Kopp berichtete darauf in der «Weltwoche» über die antisemitische Haltung einiger Einheimischer gegenüber ihren zahlreichen orthodoxen jüdischen Urlaubsgästen – worauf er plötzlich «zum bestgehassten Mann im Dorf» wurde, wie er dem Spiegel berichtete. 

Doch es zeigte sich: Kopps Anschuldigungen waren nicht völlig aus der Luft gegriffen. Eine im Herbst 1985 durchgeführte Umfrage des Gemeindebundes Arosa, Davos und St. Moritz zeigte, dass die Bevölkerung «ein beträchtliches Unbehagen gegenüber den orthodoxen jüdischen Gästen habe». Das Ergebnis der Umfrage wurde jedoch nie veröffentlicht. «Man wolle die Stimmung nicht noch mehr anheizen», hiess es von Seiten jüdischer Institutionen auf Nachfrage des Spiegels. 

Shitstorm anno 1986

Auch Kopps Kritik in der «Weltwoche» sorgte für grosse Wellen – von New York bis nach Tel Aviv. Bis der damalige Gemeindepräsident, Heinrich Schad, dem Schweizer Fernsehen verärgert versichern musste, dass «alle Gäste gleich willkommen sind». Der Inhaber des Hotels Metropol, Beinas Levin, dementierte das Antisemitismus-Problem komplett. «Die Medien versuchen etwas aufzubauschen», erklärte Levin dem Spiegel.   

Und trotzdem: Obwohl kein einziger Aroser je etwas von Antisemitismus gespürt haben wollte, erzählten dem Spiegel einige Hoteliers und Vermieter von Ferienwohnungen von «Missverständnissen» und «Auseinandersetzungen» und einzelnen merkwürdigen Vorfällen mit jüdischen Feriengästen. So würden einige Juden im Sommer gar mit den Kleidern ins Wasser steigen. 

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Video: reuters
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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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abettertomorrow
17.08.2017 14:06registriert Juli 2015
Immer wieder dasselbe.
Das die Worte der Dame nicht sorgsam gewählt waren, stellt niemand zur Abrede. Aber ihr gleich Anti-Semitismus vorzuwerfen, zeigt wieder, was 2017 in der Welt schief läuft. Die sicherlich nicht mit einem Uni-Abschluss gesegnete Frau, tat nur ihren berechtigten Missmut gegenüber Gästen kund, die sich nicht an soziale Regeln halten. Sie hat ihre Worte schlecht gewählt. "Hass" hat sie sicherlich nicht empfunden.
Sie tut sich wie viele andere im Land etwas schwer mit Gästen aus der ganzen Welt, die unsere "Gepflogenheiten" entweder gar nicht kennen, oder sie ignorieren.
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Grundi72
17.08.2017 12:25registriert Dezember 2015
Ich habe auch ein grosses Unbehagen gegenüber orthodoxen Juden. Keine andere Bevölkerungsgruppe ist schlechter integriert und ich erlebe sie in Zürich als sehr arrogant und unfreundlich gegenüber Nicht-Seinesgleichen.

Aber egal, es muss an uns liegen und Arosa gehört geschlossen! Für immer!
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