Nach wochenlangen Debatten über Impfschutz, Herdenimmunität und R-Werte, wechselte man im Studio 8 im Leutschenbach am Freitagabend nicht nur das Vokabular, sondern auch den Moderator. Sandro Brotz legte für einmal eine Pause ein und liess Mario Grossniklaus den Vortritt. Und um die Ohren knallte man sich zur Abwechslung Begriffe wie Mobility Pricing, Flüsterasphalt und Modal Split.
Kernthema der Sendung war Tempo 30. Denn das wird vielerorts immer präsenter. In Lausanne fährt man seit September in der Nacht fast überall nicht schneller. 52 Prozent der Bevölkerung ist der Meinung, dass man innerorts ausser auf Hauptverkehrsachsen mit Tempo 30 fahren soll. Das hat eine von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) beauftragte Umfrage gezeigt.
Definitiv zu den anderen 48 Prozent gehört SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Er wittert einen Krieg. Gekämpft wird gegen die Autofahrenden, geführt wird die Schlacht von den Linken, diesen «Öko-Taliban». «Dauernd kommen Angriffe gegen das Auto. Die Vorstösse werden immer extremer. Die einen fordern überall Tempo 30, die anderen ein Verbot von Verbrennungsmotoren», wettert Wobmann.
SP-Nationalrat Matthias Aebischer, in gewohnter Moderatoren-Miene, versucht zu erklären. «Wir fordern nicht konsequent und überall Tempo 30. Wir wollen, dass generell Tempo 30 gilt und die Gemeinden dann selbst entscheiden können, auf welchen Hauptverkehrsachsen das Tempo auf 50 erhöht werden soll.» Denn aktuell sei es immer noch sehr kompliziert, 30er-Zonen umzusetzen. Diese Sätze wird Aebischer im Laufe der Sendung noch einige Male wiederholen. Wobmanns Ohren werden trotzdem nicht weniger taub.
Denn Tempo 30, das sei sicher, bringe nur Nachteile. Es verlangsame den ÖV und führe dazu, dass mehr Busse und Postautos benötig würden. Selbst dem Vortrag der Professorin für nachhaltige Mobilität will Wobmann keinen Glauben schenken. Maike Scherrer, an diesem Abend zuständig für die Fakten und Zahlen in Sachen Auto und Tempo, erklärt: «Studien zeigen, dass sich mit Tempo 30 der wahrgenommene Lärm um 50 Prozent reduziert. Das liegt vor allem am Rollgeräusch der Reifen, das sich in der 30er-Zone um 25 Prozent reduziert.»
«Das stimmt einfach nicht. Wissen Sie denn überhaupt, dass sich die Technik weiterentwickelt hat und die Autos immer leiser werden?», fährt Wobmann Scherrer über den Mund. Wieder schaltet sich Aebischer ein, diesmal weniger zurückhaltend. Man könne jetzt schon 70 Minuten die Expertin was sagen lassen und ihre Worte von Herrn Wobmann als «Chabis» abtun lassen. «Oder wir bleiben bei den Fakten: Eine Geschwindigkeitsreduktion von 50 auf 30 bedeutet weniger Lärm und mehr Sicherheit», sagt der SP-Nationalrat.
Grossniklaus unterbricht die Sticheleien und fährt strikt weiter im Programm. Personen- und Güterverkehr nehmen durch das Bevölkerungswachstum zu und gleichzeitig muss es der Schweiz irgendwie gelingen, die Pariser Klimaziele einzuhalten, führt er aus. Wie das gehen soll, weiss die Grüne-Nationalrätin Marionna Schlatter: «Wenn wir die Klimakrise wirklich ernstnehmen, dann müssen wir Kilometer reduzieren.» Der PKW sei nun mal ein «extrem ineffizientes Fortbewegungsmittel» und es sei nun mal besser, wenn man mehr Menschen dazu bewege auf ÖV oder Velo umzusteigen. «Ihr seid doch einfach im Wahn gegen das Auto», entfährt es darauf Wobmann.
Mit FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt schaltet sich nun auch noch der Letzte und jüngste im Bunde ein. Ziemlich altklug meint er: «Ich würde mir in Sachen Verkehrspolitik ein bisschen weniger Ideologie und ein bisschen mehr Entspanntheit wünschen.» Er habe grundsätzlich nichts gegen Tempo 30. Aber den Verkehr im Namen des Klimas auszubremsen, das sei nicht zielführend. «Man kann den Leuten nicht einfach das Auto wegnehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Fahrzeuge klimaneutral werden. Dann ist es mir wirklich egal, ob man Velo oder Auto fährt.»
Grossniklaus schaltet einen Gang weiter und wirft das Mobility Pricing in die Runde. Jeder soll zahlen, was er oder sie fährt. So soll der gesamte Verkehr so gelenkt werden, dass sowohl Strassen als auch Schienen gleich ausgelastet sind, wird per Video erklärt. Klingt in Theorie gut, im «Arena»-Studio tut man sich von links bis rechts eher schwer damit.
«Mobility Pricing ist grundsätzlich ein gutes Prinzip, in Tat und Wahrheit würde man damit ab den ÖV verteuern», findet FDP-Nationalrat Silberschmidt. Auch SP-Nationalrat Aebischer hat nicht viel für das Preissystem übrig: «Ein Mobility Pricing, das eine Gattung schröpfen will, ist schlecht. Ich will ja auch nicht die Autofahrenden bis zum Gehtnichtmehr ausnehmen. Wenn alles immer teurer wird, dann fahren am Schluss nur noch die Reichen Auto und ÖV.» Und plötzlich lächelt Wobmann zu den Öko-Taliban rüber. Da sei man sich nun endlich mal einig, witzelt er schon fast erleichtert.
Gegen Ende zerfranst die Diskussion. Moderator Grossniklaus lässt das Fass öffnen und findet sich plötzlich wieder in einer Grundsatzdiskussion über fossile Energieträger, AKWs, Solarstrom und Wasserstoff. Darauf zieht er unschön die Handbremse und kriegt nur die Kurve dank Kabarettistin Patti Basler, die die letzten 70 Minuten gekonnt pointiert und mit viel Wortwitz Revue passieren lässt.
Ich fasse nicht wie dumm man eigentlich sein kann. Aus purer Ideologie und Hass verhindert man die bessere Alternative. Echt unglaublich.
Zudem, was ist denn mit der Gemeindeautonimie? Wieso soll nicht jede Gemeinde frei darüber bestimmen können, ob 30, 50 oder 80 im der Gemeinde gelten soll? Verstehe diese Zwängerei von Rechts einmal mehr überhaupt nicht.