Er dachte, es könne nichts schief gehen, als er am letzten Samstag um 9.32 Uhr den Zug von Brugg in Richtung Olten nahm: Auf seinem neuen Handy hatte der 10-jährige Junge ein gültiges E-Ticket für seine erste alleinige Zugfahrt. Doch es kam ganz anders: Weil der Bub sich nicht ausweisen konnte, schimpfte ihn der ältere von zwei Kontrolleuren so lange aus, bis der Junge die Fassung verlor.
Als seine Gotte in Olten dazu stieg, traf sie auf einen verstörten Jungen. Sie suchte das Gespräch mit dem Kontrolleur, doch dieser reagierte offenbar uneinsichtig.
NZZ-Bundeshaus-Redaktor Markus Häfliger kennt den Bub und seine Gotte persönlich. Als ihm die beiden die Geschichte erzählen, ist er empört. Und macht seinem Ärger auf Twitter Luft:
10-jähriger erstmals allein im Zug, mit gültigem E-Ticket, aber ohne ID. Kondukteur staucht ihn zusammen, bis er weint. Super Service #SBB
— Markus Häfliger (@M_Haefliger) 18. August 2015
«Der 10-Jährige war zum ersten Mal alleine mit dem Zug unterwegs», sagt Häfliger. Seinen Eltern sei nicht bewusst gewesen, dass es zu einem gültigen E-Ticket einen Ausweis brauche. «Wie konnte der Kontrolleur nicht sehen, dass es sich bei diesem 10-Jährigen nicht um einen Betrüger handelt?», fragt er.
Die Frage war noch unbeantwortet geblieben. Aber die Meinungen in den sozialen Meiden scheinen gemacht: Böser Kondukteur! Böse SBB! Vorauseilend professionell reagierte SBB-Presseprecher Christian Ginsig unmittelbar auf Twitter: «Das tut mir sehr leid. Bitte um Angabe, wann und wo, ich kläre das ab», sagt er. Und erklärt, dass ein E-Ticket nicht wie ein Papierticket als Urkunde gelte, da es vervielfältigt werden könne. Bei Kindern brauche es dazu einen gültigen Ausweis, da sie bis 16 noch gratis Halbtax fahren können.
@M_Haefliger Ja, Papierticket gilt als Urkunde weil Sicherheitspapier u einmalig. E-Ticket kann theoretisch zig Mal vervielfältigt werden.
— Christian Ginsig (@ginsig) 18. August 2015
@schafoderwolf @M_Haefliger Aber Kinder bis 16 Jahre fahren zum halben Preis und haben deshalb noch kein Halbtax als "Dokument" für Check.
— Christian Ginsig (@ginsig) 18. August 2015
Für ein vollständigeres Bild, was genau passiert ist, fehlt derzeit die Sicht des betroffenen Kondukteurs. Auf Anfrage von watson erklärt Christian Ginsig: «Wir nehmen solche Tweets sehr ernst. Die Abklärungen dazu, nehmen aber noch etwas Zeit in Anspruch.»
Gegen Mittag erklärt die SBB: «Es handelte sich bei dem Kontrolleur um einen erfahrenen Zugbegleiter, selber Familienvater und auch Lernbegleiter bei der SBB, der sich um die Ausbildung von Jugendlichen kümmert. Er dementiert klar, dass der Junge in seinem Beisein geweint habe.»
Die Reaktionen auf Twitter reichten von Zurückhaltung ...
@m_haefliger Ein Einzelfall. @lookiex
— Jürg Mösli (@schafoderwolf) 18. August 2015
... und Empörung ...
@M_Haefliger @swissky Hat niemand interveniert/eingegriffen?
— Gerry Reinhardt ® (@gerryreinhardt) 18. August 2015
... bis zu Kindheitserinnerungen.
@ThBenkoe @m_haefliger Ich (30) wurde damals im Passbüro zusammengestaucht, weil ich lachte. Ich weinte dann. #wiemansmachtistsnichtrecht
— Philipp Zeder (@zedpelin) 18. August 2015
(rar)