Für manche Fussballfans gehört sie zum Matchbesuch wie Wurst und Bier: Die Notbremse. So auch am Sonntag: Als einige Fans in Basel nicht rechtzeitig in den Zug einsteigen, wird die Notbremse gezogen. Zehn Mal. Weil sie während der Fahrt nach Muttenz FCB-Fans erblicken, stoppen die Passagiere den Zug – um rasch auszusteigen. Als der Zug dann in Richtung Zürich fährt, wird die Notbremse wieder gezogen. Dieses Mal in Brugg, weil ein paar Fans nicht nach Zürich fahren und dort umsteigen wollen.
Gegen 400 Mal jährlich wird ein SBB-Zug von einem Passagier gestoppt. In mehr als drei Vierteln der Fälle missbräuchlich. Wie oft das in den Extrazügen passiert, darüber führen die SBB keine Statistik. Doch gemäss Mediensprecher Christian Ginsig geschehe das «öfters» nach Fussballspielen. «Die Züge werden als rechtsfreie Räume wahrgenommen und nach Lust und Laune gestoppt», sagt Ginsig.
Der SBB-Sprecher sieht eine zunehmende Tendenz. «In Fanzügen die Notbremse zu ziehen, ist in Mode gekommen», so Ginsig. Diese Entwicklung lässt sich zwar nicht an Zahlen festmachen. Doch auch Kurt Schreiber, Präsident von Pro Bahn Schweiz ist überzeugt, das es das früher «in diesem Ausmass» nicht gegeben hat. «Es ist eine absolute Unsitte», empört sich Schreiber. Eine Unsitte, die keinen Sinn ergebe. «Eine Mehrheit der Fans will doch nach dem Match nur nach Hause.»
Während eine Mehrheit lieber rasch nach Hause will, kann eine Minderheit nicht nachvollziehen, dass das Ziehen einer Notbremse nicht goutiert wird. Für sie ist es normal, einen Extrazug nach eigenem Gusto anhalten zu können. Vorwürfe nach Gewaltausschreitungen und Sachschäden seien verständlich. Dass man das Ziehen der Notbremse verurteile, jedoch nicht. Auch Charterverträge, wie sie die SBB nun fordern, würden – was das Benutzen der Notbremse betrifft – keine Wirkung zeigen.