Erkan, Luft ist durchsichtig.
Die Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle, aus der sie hauptsächlich besteht, können das fürs menschliche Auge sichtbare Sonnenlicht nicht absorbieren.
Aber wer weiss, vielleicht ist Erkan ja auch überhaupt kein Mensch. Vielleicht ist er tatsächlich «de dunkelhaarigi Poseidon» (Marlow). Ein muskelbepackter Gott, der in den Untiefen des Meeres darauf wartet, bis endlich eine Meernymphe seinen Kristallpalast erreicht.
Denn Tiefe, die muss bei ihm schon sein. Er sucht sie im Rotwein, in Blicken, in Fragen wie «Was isch für dich Läbe?» – und findet sie oft genug nur in seinen eigenen Antworten:
Ok, vielleicht ist er doch nur ein Mensch.
Aber immerhin einer, der aus seiner Sterblichkeit eine exquisite Lebensphilosophie zieht. Seine tiefe Verankerung – oder gar Ver-Erkan-erung – im Moment, jener forsche Genuss-Imperativ, dieses unvergleichliche Augenblicks-Bewusstsein, hat im Grunde seit Horaz' «Carpe Diem» aus dem Jahr 23. v. Chr. niemand je wieder für sich in Anspruch genommen.
Und vor allem noch nie dermassen exzellent formuliert.
Es ist fast zum Ausflippen. Man wird hier förmlich erschlagen von all der Originalität!
Seht her, die Ladys bauen sogar Sand-Erkans, ist das zu fassen!
Es ist wirklich sehr beruhigend, spielen sie danach noch etwas für Normalsterbliche. Etwas nicht ganz so zermürbend Kreatives, nämlich Seilziehen.
Wenn ein Team gewinnt, verliert das andere!
Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Diesen erkanschen Spürsinn für die Feinheiten nicht nur dieses Spiels, nein, eines jeden Spiels! Es ist die Spiel-Essenz, die er hier nahezu mühelos herausdestilliert und in einem einzigen Satz von reinster Prägnanz zusammenfasst!
Wir werden hier Zeugen der Geburt eines sprachlichen Genie-Gefüges, das nicht freier sein könnte von jeglichem Informationsüberschuss, nicht weiter weg vom Verdacht der Redundanz!
Kein Wunder ist dieser Bachelor Rominas «Aphrodisakum»! Und niemanden wird es erstaunen, wenn ich sage, dass Aurelia zu Tode gelangweilt ist, wenn dieser Mann mal nicht auf der Bildfläche auftaucht.
Fabienne hat sogar eine noch bessere Idee: Selbstbefriedigung! Also die von Aurelia – aber mit ihrem Vibrator.
Und Aurelia so: Hallo, kleiner bebender Intimstängel von Fabienne, an dem ich erstmal schön herumknete mit meinen Krallenfingern, bevor ich ihn wieder zurückgebe.
Zum Glück hat Romina das nicht gesehen. Sicher hätte sie jenes lustvolle Intermezzo als absolut nicht ladylike verurteilt. Denn ihre Strategie lautet: immer schön interessant bleiben.
Und während die eine ihre Unnahbarkeit feiert, findet die Zunge der anderen den Weg in Erkans Mund:
Erkan erkennt Lidja sogar mit verbundenen Augen. Womit wir auch schon beim letzten Spiel wären: Den blinden Bachelor angrabschen. Und dies nicht nur vor allen anderen Kandidatinnen, ...
... sondern ebenso unter den prüfenden Blicken von Ex-Bachelorette Dina und ihrem Inspektor Clouseau:
Und das Verrückteste, wir sehen dabei auch noch zu! Das ist mehr als meta; das ist etwas Trinäres, Dreiebniges, Himmlisches. Beinahe so komplex und verschlüsselt wie die heilige Dreifaltigkeit.
Kein Wunder hat auch Alexandra Mühe, dieses Spiel in seiner ganzen Tiefe zu erfassen. Obwohl sie doch «weiss, dass Männer das gärn hei», was sie dem Bachelor soeben bereitwillig dargeboten hatte, fand sie sich nicht unter den Favoritinnen.
Sie fand sich stattdessen auf dem Heimflug. Zusammen mit der «recht intelligenten» Giulie und Marlow, die von Erkan bereits während der nachmittäglichen Cocktailparty nach Hause geschickt worden war.
Und das kam so:
Erkan: «Marlow, chömer churz rede?»
Marlow: «Ja, da laht sich sicher iirichte.»
Setzen sich auf eins dieser nicht nur den Regen abstossenden Polyrattan-Sofas, jenem schwarz geflochtenen Albtraum, auf dem man eigentlich sowieso nichts als Schluss machen sollte.
Marlow: «Du wirksch echli bedrückt.»
Erkan: «Bedrückt würd is nöd säge, ich würd's eher bedenklich säge.»
Marlow: «Ok.»
Erkan: «Es chunt mir so übere als hetsch du kei Interesse.»
Es folgt die bis anhin ungehörte Geschichte einer Frau, die in ihrem Leben schon allzu oft verletzt worden ist. Von Brennnesseln und Willisauer-Ringli, aber besonders von Männern. Zumindest nehmen wir das an, denn Marlow geht nicht ins Detail, darf es nicht, weil der bedenkliche Erkan sie gar nicht erst ausreden lässt.
Er kennt ja die Wahrheit bereits.
Dann entspannt sich ein Stasi-Verhör für Arme, keinerlei Folter ausser diesem bohrenden Blick, der intensivst danach trachtet, dass sich das Gegenüber endlich als das zu erkennen gibt, was es für den Bohrenden ist: eine das Liebessystem «Bachelor» untergrabende Kraft, eine Schein-Braut, eine Lügnerin, die es schleunigst zu verbannen gilt.
Marlow versucht noch, sich zu erklären, doch es hilft alles nichts, Erkan ist knallhart, ein Ultra der schwarz-weissen Welt, da gibt's keine Grautöne, keine feinen Schattierungen, da gibt's nur:
Bäm.
Uns geht es allerdings schon etwas um den Typ. Denn niemand, wirklich niemand, sieht mit Dollarzeichen so bombastisch aus wie Marina.
Das wird bloss noch übertoffen von Marina, die in Flammen steht.
Da bleibt einem glatt die «wunderschöni Luft» weg.