Die Eisenlegerfirma, die neuerdings auf der Baustelle des über 50 Millionen teuren Neubaus der Kantonsschule Sargans am Werk ist, kannte bis vor kurzem keiner. Was nicht verwundert, denn die Reno Armierungen GmbH, deren einziger Gesellschafter ein syrischer Staatsangehöriger ist, wurde erst im Mai 2024 gegründet. Kapital steckt keines im Unternehmen, dafür als Sacheinlage ein BMW.
Syrer als Eisenleger? Auf dem Bau in der Schweiz kam das bisher kaum vor. Meist waren zuletzt Seilschaften aus dem Balkan am Werk, oft wurden die Arbeiter von Hinterleuten ausgebeutet.
Die Erweiterung der Kantonsschule Sargans hat dem Kanton St.Gallen bereits viel Ärger eingetragen. Mehrere Firmen, Eisenleger und Schaler, fielen mit Verstössen auf. Erst im August 2024 hatte die Kantonspolizei auf der Baustelle vier Männer festgenommen: «Auf einer Grossbaustelle konnten mehrere Arbeiter angetroffen werden», so die Polizei damals. «Alle Anwesenden wurden kontrolliert, vier davon konnten keine Arbeitsbewilligung vorweisen. Die Schwarzarbeiter, vier Kosovaren, wurden von Patrouillen der Kantonspolizei St.Gallen festgenommen.»
Die Männer sowie deren Arbeitgeber würden bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die Kapo stellte bei der Kontrolle zudem fest, dass «ein schwedischer Staatsangehöriger sowie zwei rumänische Staatsangehörige» nicht ordnungsgemäss im Meldeverfahren angemeldet worden waren.
Die meisten dieser Männer waren von einer Firma namens Gacaferri Akkord aus Lugano auf die Baustelle in Sargans gekarrt worden. Wie sich das rechnete, weiss niemand. Mindestens ein Arbeiter kam offenbar von der Firma Iseni Armierungen und Schalungen im Kanton Schwyz. Auch die Iseni gehört einem kosovarischen Staatsbürger; auch sie war als Subunternehmer der Churer Baufirma der Lazzarini AG in Sargans am Werk.
Dass Lazzarini auf Iseni setzte, erstaunte Beobachter, weil Iseni zuvor «mit schweren Verstössen» gegen den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) aufgefallen war, wie die Gewerkschaftszeitung «Work» berichtete. So habe sie Mindestlöhne unterschritten, was ihr eine Busse von 12'000 Franken eintrug. Und als sie den Auftrag für Sargans erhielt, hatte sie Lohnzahlungen ausstehend.
Kurzum: Der Kanton St.Gallen war Schauplatz von für die Eisenlegerszene typischen Machenschaften. Dumpingpreise, Schwarzarbeit, Sozialbetrug sind gang und gäbe. Aber letzte Woche stiess der Kanton auf neue Unregelmässigkeiten.
Was passiert ist, schildert der St.Galler Kantonsbaumeister Erol Doguoglu. «Meine Projektleiterin war am Donnerstag letzter Woche auf der Baustelle der Kantonsschule Sargans. Sie merkte, dass etwas nicht stimmte, dass offenbar Personal einer Firma an der Arbeit war, die nicht gemeldet war.»
Und weiter: «Wir konfrontierten den uns gegenüber verantwortlichen Hauptunternehmer, die Lazzarini AG, und es stellte sich heraus: Er hat tatsächlich eine neue Subunternehmerin beauftragt, die er uns aber nicht vertragsgemäss gemeldet hat. Und zwar eine Armierungsfirma aus Chur, die erst vor einigen Monaten gegründet wurde.»
Der Kanton habe die Lazzarini AG darauf «umgehend aufgefordert, die Arbeiten dieser Firma zu stoppen, bis die neue Subunternehmerin bei uns ordentlich angemeldet ist und uns ein Isab-Zertifikat vorliegt», hält Doguoglu fest. «In der Zwischenzeit verfügen wir über die Anmeldung der Subunternehmerin Reno Armierungen GmbH.» Noch fehle aber das Isab-Zertifikat.
Isab steht für «Informationssystem Allianz Bau», sie besteht aus Sozialpartnern der Baubranche. Isab ist «eine datenbankbasierte Plattform». Das Isab-Zertifikat macht Aussagen darüber, ob Firmen gegen den Gesamtarbeitsvertrag verstossen haben, was Kontrollen der paritätischen Behörden ergaben.
Die Reno Armierungen kam offenbar zum Einsatz, weil der Firmenchef der Iseni Armierungen in den Balkan entschwand und Lazzarini neue Eisenleger und Schaler brauchte: «Die Firma Iseni war von einem Tag auf den anderen nicht mehr verfügbar», so der St.Galler Kantonsbaumeister.
Und woher kam die Reno? Diese sei offenbar «von einem ehemaligen Angestellten der früheren Subunternehmerin Iseni Armierungen & Schalungen GmbH Bau AG erst im Mai 2024 gegründet» worden, hat der Kantonsbaumeister in Erfahrung gebracht.
CH Media sprach am Telefon mit dem Inhaber der Reno Armierungen, der seine Firma offensichtlich auf Betreiben der Lazzarini AG gegründet hat. Er betont, er halte sich an alle Vorschriften, reiche alle verlangten Dokumente ein.
Kein sehr gutes Licht werfen die Vorfälle indes auf die Bauunternehmung Lazzarini. Sie setzte wiederholt auf dubiose Subunternehmer. Zum offensichtlichen Missfallen des St.Galler Kantonsbaumeisters: «Wir vom Kanton sind nicht jeden Tag auf der Baustelle, im Unterschied zum beauftragten Hauptunternehmer. Er ist jeden Tag vor Ort und weiss, wer dort arbeitet, und er trägt die Verantwortung für seine Subunternehmer.»
Die Lazzarini AG nimmt nur kurz Stellung zur Sache: «Wir haben uns an die Vorgaben des Hochbauamts Kanton St.Gallen gehalten und unsere Subunternehmen nach Zustimmung des Bauherrn eingesetzt», so Siro Zala, Spartenleiter Hoch- und Tiefbau.
Wie auch immer, der St.Galler Kantonsbaumeister Doguoglu sagt: «Im Rahmen unserer Intervention bei der Lazzarini AG sind wir übereingekommen, dass sich auf dieser Baustelle kein weiteres Versäumnis mehr ereignen darf.» Grundsätzlich leistet die Lazzarini AG aber «in Sargans gute Arbeit, und wir haben auch ein Interesse, dass die Baustelle terminlich nicht in Verzug gerät».
Für den Neubau der Kanti Sargans hatte die Stimmbevölkerung 2014 einen Kredit von 49,9 Millionen gesprochen. Einsprachen blockierten das Vorhaben fünf Jahre lang, danach wurde wegen mittlerweile absehbarer Mehrkosten ein Nachtragskredit von 7,5 Millionen nötig. Jetzt setzen die Verantwortlichen in St.Gallen alles daran, den Bau termingerecht im Sommer 2026 eröffnen zu können.
Der Fall soll Folgen haben. «Wir werden auch im Allgemeinen Konsequenzen aus den Vorfällen ziehen», so der Kantonsbaumeister. So habe man mit der Abteilung Arbeitsbedingungen des Amtes für Wirtschaft und Arbeit bereits vereinbart, ihr «die Bauprogramme unserer grösseren Baustellen zur Verfügung zu stellen». Die Abteilung entscheide dann «aus eigener Initiative und systematisch, wo welche Stichproben durchgeführt werden». Doguoglu: «Wir sind sehr daran interessiert, dass die Kontrollen verschärft werden, und wir wollen die Unternehmer stärker in die Pflicht nehmen.» Letztlich gehe es auch darum, «dass wir der Handwerkskultur im Bauwesen Sorge tragen».
Der Berner Fremdenpolizeichef Alexander Ott, Vorkämpfer gegen Schwarzarbeit und Menschenhandel, gewinnt dem Fall St.Gallen Positives ab: «Der Kanton stellt fest, dass Kontrollen wichtig sind, er will mehr Stichproben durchführen. Er nimmt das Problem zunehmend ernst, in anderen Kantonen stelle ich das auch fest. Das ist erfreulich.» Jetzt gelte es aber, im Kampf gegen Missbräuche eine Stufe höher zu schalten. «Bisher war das Motto der Behörden Koordination, also Absprache. Jetzt müssen wir zu Kollaboration übergehen, also zu aktiver Zusammenarbeit aller betroffenen Behörden. Durch Vorgehen im Verbund, was die Wirksamkeit und die Ausbeute der Kontrollen massiv erhöht. In Bern machen wir dies mit den sogenannten Paritern seit 20 Jahren so», sagt Ott.
So sieht es auch der St.Galler Unia-Gewerkschafter Florian Kobler, der seit Jahren für mehr Kontrollen gegen Missbräuche kämpft: «Ich hoffe, dass der Kanton das Problem jetzt wirklich ernst nimmt und zu Kontrollen im Verbund übergeht, wie Bern das macht.»
Es bleibt tatsächlich viel zu tun. Beunruhigend im Fall Kanti Sargans ist etwa, dass im Hintergrund der neuen Eisenlegerfirma einschlägig bekannte Schweizer Notare aufscheinen, die immer wieder im Zusammenhang mit dubiosen Strukturen auftauchen. So bleibt die Frage: Wer zieht hier wirklich die Fäden? (aargauerzeitung.ch)
Ist doch nur logisch, nach der 5. Abgebotsrunde sind nur noch Firmen im Rennen, welche entweder Pfusch abliefern oder über die Löhne "arbeiten" oder besser noch beides, um den ruinierten Preis halten zu können.
Der Gipfel der Verlogenheit, wenn nun der Auftraggeber oder die Architekten so überrascht tun. Alle wollen anständige Löhne, gute qualitative Arbeit, aber bereit dazu sein, dem Handwerker eine fairen Preis dafür zu bezahlen, ist vielleicht die Hälfte, 3/4? Mehr auf keinen Fall.