Mangelnde Aufsicht über Steuererhebung bedroht Bundesmittel
Die Oberaufsicht über die kantonalen Finanzkontrollen ist nach Ansicht des Bundes zu wenig strikt. Gemäss einem neuen Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) drohen dadurch «potenziell wesentliche Steuerausfälle».
Dies betreffe Situationen, in denen einzelne Kantone den einheitlichen Vollzug des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer nicht einhielten, geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten EFK-Bericht hervor.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), die die Oberaufsicht über die kantonale Erhebung der direkten Bundessteuer innehat, prüft laut der EFK die Berichte der kantonalen Finanzkontrollen zu wenig genau. Dadurch blieben Fehler lange unentdeckt – und der Bund riskiere, weniger Steuern zu erhalten oder unnötige Kosten zu tragen.
Thurgau und Genf als Negativbeispiele
Konkret nennt der EFK-Bericht zwei derartige Verfehlungen: Eine davon, die den Kanton Genf betrifft, machte der Bund bereits im November publik. «Der Kanton Genf hat provisorische Steuerrechnungen der vergangenen Jahre teilweise noch nicht ausgestellt und muss dies nun korrigieren. Für den Bund führt dies zu einmaligen Mehreinnahmen von insgesamt rund 600 bis 800 Millionen Franken», teilte die EFK damals mit.
Wegen eines Softwarefehlers konnte der Kanton über Jahre hinweg keine vollständigen provisorischen Steuerrechnungen für Unternehmen ausstellen. Für den Bund hatte dies gleich doppelte Konsequenzen: Einerseits konnten die Einnahmen erst verspätet verbucht werden, und andererseits musste die Bundesverwaltung auf freiwilligen Vorauszahlungen der Unternehmen unnötige Vergütungszinsen bezahlen.
Gemäss dem Bericht der EFK war die kantonale Finanzkontrolle von Genf bereits seit Januar 2024 über dieses Problem informiert. Trotzdem erwähnte sie das Problem nicht in ihrem Prüfbericht.
Auch im Kanton Thurgau blieb ein ähnlicher Fehler unentdeckt. Dort wurden im Jahr 2022 rund 7,2 Millionen Franken an provisorischen Rechnungen nicht gestellt. Die kantonale Finanzkontrolle bemerkte dies jedoch nicht.
Die EFK bemängelt, dass die Aufsicht die Prüfberichte der kantonalen Finanzkontrollen Genf und Thurgau nicht ausreichend hinterfragt habe.
Vage Kreisschreiben
Ausserdem bemängelt die EFK im Bericht eine mangelnde Fokussierung auf Kantone mit hohen Steuereinnahmen. Konkret werden Zürich, Genf, Waadt, Zug und Basel-Stadt genannt, die 2024 zusammen rund 57 Prozent der gesamten Einnahmen aus der direkten Bundessteuer generierten.
Weiter kritisiert die EFK, dass die Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu viel Raum für Interpretationen liessen, was zu kantonal unterschiedlichen Auslegungen führe.
Besonders auffällig sind die Unterschiede der EFK zufolge bei der Steuerbefreiung von Stiftungen, wobei es in den Kantonen teils abweichende Regelungen gibt, die auf ein veraltetes Kreisschreiben zurückzuführen sind.
Diese Unterschiede führen laut der EFK zu finanziellen Ungleichgewichten und können den Bund Einnahmen kosten.
Steuerverwaltung verwaltet riesiges Budget
Die ESTV zeigt sich einsichtig: Sie akzeptiert sämtliche Empfehlungen der EFK und kündigt im Bericht an, sowohl ihre Aufsichtspraxis als auch die Zusammenarbeit mit den Kantonen zu überprüfen.
2024 nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung rund dreissig Milliarden Franken an direkten Bundessteuern ein. Diese Steuern werden durch die Kantone erhoben, und rund ein Fünftel der rund dreissig Milliarden verbleiben in den Kantonen. (sda)
