Am Mittwoch stehen im Nationalrat nur zwei Themen auf der Traktandenliste – doch die haben es in sich. Zuerst ist die SVP-Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) an der Reihe, gegen die sich schon im Vorfeld so viel Widerstand formiert hatte wie gegen kaum eine andere Initiative davor. Danach streitet der Rat über die EU-Waffenrichtlinie – auch diese Debatte spielt der Blocher-Partei in die Hände.
Aus Sicht vieler Gegner ist es die bisher radikalste SVP-Initiative. Sie verlangt, dass die Schweiz ihre Bundesverfassung über das Völkerrecht stellt. Verträge, die einer Verfassungsbestimmung widersprechen, müssten gekündigt oder neu verhandelt werden. Das Bundesgericht müsste sich nur noch an völkerrechtliche Verträge halten, die dem Referendum unterstanden.
Kritiker bezeichnen das Volksbegehren wahlweise als «Anti-Menschenrechts-», «Vertragsbruch-» oder «Selbstbeschneidungs-Initiative». Auf die bevorstehende Abwehrschlacht bereiten sie sich bereits seit mehreren Jahren vor:
Im Nationalrat dürften heute Mittwoch alle Fraktionen ausser der SVP die Initiative zur Ablehnung empfehlen. Die CVP liebäugelte zunächst mit einem Gegenvorschlag, die Idee kam laut Medienberichten aber selbst in den eigenen Reihen schlecht an. Im März hatte bereits der Ständerat die Initiative sang- und klanglos versenkt. Voraussichtlich im November kommt die Volksinitiative dann zur Abstimmung.
Viele Beobachter sind skeptisch. Seit das Stimmvolk die SVP-Durchsetzungsinitiative im Februar 2016 bachab geschickt hatte, wird vermutet, dass die Selbstbestimmungsinitiative dasselbe Schicksal ereilen wird. Schon im Mai 2016 bezeichnete die NZZ die Vorlage deshalb als «Röstis Ladenhüter». Auch die Begeisterung innerhalb der SVP ist merklich abgekühlt – was nicht einmal der Architekt der Vorlage, Hans-Ueli Vogt, bestreitet.
Allerdings wäre es für die SVP kein Drama, die Abstimmung zu verlieren. Schliesslich hat sie noch zahlreiche weitere Asse im Ärmel. Derzeit sammelt sie Unterschriften für die Begrenzungsinitiative, welche eine Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens verlangt. Ein hitziger Abstimmungskampf im Herbst kommt da für die Mobilisierung gerade recht. Dasselbe gilt im Hinblick auf das Wahljahr 2019, das auch wegen des geplanten Rahmenabkommens ganz im Zeichen der EU-Frage stehen dürfte.
Die EU-Waffenrichtlinie hat zum Ziel, den Zugang zu halbautomatischen Waffen – zu denen auch das Schweizer Sturmgewehr gehört – zu beschränken. Als Mitglied des Schengenraums muss die Schweiz die neuen EU-Regeln übernehmen, sonst droht ihr der Ausschluss aus dem Grenzschutzabkommen.
Zwar hat der Bundesrat eine Ausnahmeregelung mit Brüssel ausgehandelt, wonach die Soldaten ihre Armeewaffen weiterhin behalten dürfen. Dies vermochte die SVP aber nicht zu besänftigen. Sie hat bereits angekündigt, ein allfälliges Referendum der Schützenverbände mitzutragen.
Dabei geht es der Partei nicht nur darum, das «freiheitliche Waffenrecht» der Schweiz zu retten. Vielmehr dürfte sie eine Grundsatzdiskussion über die Übernahme von EU-Recht anstreben. Nachdem sich die Kernthemen der SVP – Asyl und Migration – jüngst etwas abgenutzt haben, könnte sie damit ihren Platz ganz oben auf der politischen Agenda zurückerobern.
Christoph Blocher hat sich im Frühjahr aus der SVP-Parteileitung zurückgezogen, mit der Begründung, er wolle sich voll und ganz auf seinen Kampf gegen die EU konzentrieren. Darunter fallen die Selbstbestimmungsinitiative und ein Waffengesetz-Referendum genauso wie die Begrenzungsinitiative und das Rahmenabkommen mit Brüssel.
«Erst wenn ich tot bin, ist der Kampf vorbei», sagte Blocher bei seinem Rückzug aus der Parteispitze. Dass er bereit ist, noch einmal viel Kraft und Geld in seinen letzten Kampf zu stecken, bezweifelt kaum jemand. «Die SVP röchelt nicht, sie holt gerade tief Luft», schloss die NZZ unlängst eine Analyse zum Formstand der Partei.