Das Tischtuch war schon vor dem Treffen zerschnitten. Bundesrichter Yves Donzallaz (58, SVP) versuchte am Dienstag gar nicht erst, seine Bundeshausfraktion zu überzeugen. So schildern es Fraktionsmitglieder, die sich erstaunt zeigen über den höchstrichterlichen Auftritt, der als «abgehoben» oder «arrogant» beschrieben wird.
Donzallaz, seit 2008 vollamtlicher Bundesrichter, war von der SVP-Fraktion autoritär zur Gewissensprüfung aufgeboten worden. Er sollte die Gretchenfrage beantworten: Wie hast du's mit den «SVP-Werten»? Hauptauslöser der Krise zwischen Partei und Richter war ein Bundesgerichtsentscheid von 2019, der die UBS zwang, 45000 Datensätze an Frankreich zu übergeben. Donzallaz war einer von drei Richtern im Fünfergremium, die für die Herausgabe stimmten.
Die geforderten Antworten bekam die Fraktion vom Richter nicht, dieser gab an, er sei nur Gesetz und Verfassung verpflichtet. So entschied die Fraktion mit knappem Mehr, ihn bei den Bundesrichterwahlen vom 23. September nicht zu unterstützen – es sei denn, er trete vorher aus der Partei aus.
Donzallaz war vor der SVP offensichtlich angetreten, um ein Zeichen des Protests gegen die Einflussnahme seiner Partei auf die Justiz zu setzen. In einem Interview in der «NZZ» erklärte er parallel dazu seine Haltung.
Tatsache ist, dass die SVP-Führung ihre Richter auf allen Ebenen seit Jahren unter Druck setzt, in aus ihrer Sicht wichtigen Fragen auf Linie des Parteiprogramms zu urteilen.
Seit etwa fünfzehn Jahren, erinnert sich der ehemalige Bundesrichter Jonny Wiprächtiger (SP), sei das festzustellen. Da sei erstmals eine Richterin von der SVP nach Bern beordert worden, um sich für eine Entscheidung zu rechtfertigen. In anderen Parteien gebe es das nicht. Auch seine SP «war nicht immer glücklich mit mir», aber Folgen hatte das keine, schon gar nicht öffentliche Massregelungen.
Unterstützung erhielt Donzallaz am Dienstag in seiner Fraktion keine. Auch nicht von seinen Kantonskollegen. Der Walliser SVP-Nationalrat Franz Ruppen, der selbst nicht an der Sitzung teilnahm, sagt:
Aber der Fall Donzallaz hat noch eine andere Komponente. Geht es nach langjährigen Parlamentariern wie Nationalrat Pirmin Schwander (SVP, SZ), so war Donzallaz gar nie ein SVP-Mann. Er habe es im Wallis zuerst bei der CVP-CSP versucht, aber die wollte ihn nicht angeblich nicht als Bundesrichter. Der Walliser SVP-Vormann Oskar Freysinger sei es dann gewesen, der «mit Donzallaz kam» – das sei ein hervorragender Mann, der CVP sei er zu rechts.
Freysinger war demnach froh, dass er jemanden präsentieren konnte, denn die aufstrebende SVP hatte zwar Sitzansprüche und damit Posten zu vergeben, aber wenig fähiges Personal. Es habe parteiintern starken Widerstand gegen Donzallaz gegeben, heisst es in der SVP, aber dann habe kein Geringerer als Christoph Blocher das Machtwort gesprochen und, mit Verweis auf Freysingers Bewertung, Donzallaz durchgeboxt.
Es waren also nicht «Linke», wie SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi nach dem UBS-Urteil in der «SonntagsZeitung» suggerierte, die der SVP Donzallaz aufs Auge gedrückt hatten: Dafür war Blocher höchstselbst besorgt.
Demnach wäre die Ehe des Wallisers Donzallaz mit der SVP von Anfang an eine Scheinehe gewesen, ein grosses Missverständnis. Dabei hatte die SVP laut Beobachtern eigentlich Glück mit ihrem Mann, denn Donzallaz gilt als fähiger und fleissiger Richter.
Wer Richter werden will, insbesondere Bundesrichter, muss einer Partei angehören. Sonst wird er gar nicht erst portiert. Es ist daher ein bekanntes Phänomen, dass Richteranwärter ihre Partei auch mal im Hinblick auf ihre Karriere auswählen. Manche treten just in die Partei ein, die gerade viele Richterstellen zu besetzen haben. Das war etwa bei Wahlen ans Bundesstrafgericht zuletzt mehrmals zu beobachten. Ein Beispiel ist Olivier Thormann, im Krach bei der Bundesanwaltschaft ausgeschieden, der in die FDP eintrat, um nach Bellinzona gewählt zu werden.
Ehemalige Bundesrichter wie Jonny Wiprächtiger sagen, das System soll längst angepasst werden. Die Parteizugehörigkeit dürfe bei Richterwahlen nicht den Ausschlag geben. Sozialkompetenz und Fachkompetenz hält er für die wichtigsten Kriterien. «Erst wenn zwei Anwärter gleich geeingnet sind, sollte die Parteizugehörigkeit eine Rolle spielen.»
Donzallaz wird am 23. September von der Bundesversammlung zweifellos als Bundesrichter wiedergewählt werden. Es spricht, ausser die Parole seiner SVP, nichts gegen den Richter. (aargauerzeitung.ch)
"denn die aufstrebende SVP hatte zwar Sitzansprüche und damit Posten zu vergeben, aber wenig fähiges Personal"
15 Jahre sind vorbei und das Problem bei der SVP ist geblieben.