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Thurgau: Vorwurf der Wahlfälschung für Ex-Stadtschreiber

Vorwurf der Wahlfälschung für Ex-Stadtschreiber – Beschuldigter: «Frei erfundene Theorie»

06.07.2021, 18:27
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Der frühere Thurgauer Stadtschreiber soll 100 Wahlzettel entsorgt haben. (Symbolbild)Bild: KEYSTONE

Der frühere Stadtschreiber von Frauenfeld soll nach der Thurgauer Grossratswahl 2020 rund 100 Stimmzettel entsorgt und durch Zettel aus Reserve-Couverts ersetzt haben. Vor Bezirksgericht wies er die Vorwürfe am Dienstag als «frei erfundene Theorie» zurück.

Das Urteil steht noch aus. Es wird am Mittwochnachmittag verkündet. Dem ehemaligen Frauenfelder Stadtschreiber Ralph Limoncelli (50) droht eine Verurteilung wegen qualifizierter Wahlfälschung. Die Staatsanwaltschaft beantragte für ihn eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten und eine Busse von 3000 Franken.

Der Beschuldigte, ein ehemaliger CVP-Kantonsrat, soll als Leiter des Wahlbüros der Stadt Frauenfeld nach der Wahl des Thurgauer Grossen Rats vom 15. März 2020 rund 100 unveränderte GLP-Wahlzettel vernichtet haben. Diese soll er durch knapp 100 SVP-Wahlzettel ersetzt haben, die er aus Reserve-Wahlcouverts herausnahm.

Generalstaatsanwalt Stefan Haffter sprach von einem «rabenschwarzen Tag für die Demokratie». Er führte gegen Limoncelli eine Reihe von Indizien ins Feld. So argumentierte er mit Fingerabdrücken auf Wahlzetteln oder mit nicht richtig gefalteten Zetteln. Zentral für die Anklage waren 109 Wahl-Kontrollblätter, Protokolle der Stimmenauszählung in Frauenfeld, die nicht mit den offiziellen Ergebnissen übereinstimmten.

Sitzverteilung korrigiert

Dadurch gewann die SVP im Bezirk Frauenfeld vorerst einen zusätzlichen Sitz auf Kosten der GLP. Dies wurde im Juli 2020 vom Grossen Rat korrigiert. Die fraglichen Wahl-Kontrollzettel soll Limoncelli vernichtet haben, so dass nur noch Kopien existieren. Die Restbestände an Wahlunterlagen entsorgte die Stadt Frauenfeld nach der Wahl.

Als die GLP-Bezirkspartei Zweifel am Wahlresultat äusserte, kontrollierte Limoncelli die Wahlzettel zwei Mal. Er tat dies allein und ohne Protokollierung. Dabei entdeckte er Unstimmigkeiten, versuchte diese aber laut Anklage zu vertuschen.

Motiv für die Wahlfälschung war laut dem Staatsanwalt die Absicht des Beschuldigten, «das eigene Gesicht zu wahren, das Image der Stadt Frauenfeld nicht zu schädigen und die Gelegenheit zu nutzen, eine alte Rechnung mit der GLP aus den Jahren 2015/2016 zu begleichen». Die Grünliberalen hatten Limoncellis Engagement als CVP-Grossrat kritisch hinterfragt.

Angeklagter fordert Entschädigung

Limoncelli wies in der Verhandlung, die wegen des grossen öffentlichen Interesses in der Aula des Berufsbildungszentrums Frauenfeld stattfand, alle Vorwürfe zurück. Zu den Details der Anklage wollte er sich in der Befragung mehrheitlich nicht äussern. Der Gerichtspräsident sprach ihn mit kollegialem «Du» an.

Der Verteidiger forderte einen vollumfänglichen Freispruch, eine Entschädigung von 21'000 Franken und eine Genugtuung von 8000 Franken. Die «vermeintlichen Indizien» seien nicht stichhaltig, die Beweise «haltlos und untauglich». Nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» sei Limoncelli freizusprechen.

Der Beschuldigte arbeitet heute nicht mehr bei der Stadt Frauenfeld. Er kündigte seine Stellung im vergangenen August, nach Bekanntwerden der Strafuntersuchung gegen ihn. Kurze Zeit später wurde er vom Stadtrat freigestellt, ohne dass die Behörde Gründe dafür nannte.

Neues elektronisches Wahlsystem

Im Grossen Rat gab das «Wahl-Debakel» im vergangenen Sommer viel zu reden. Frauenfelds Stadtpräsident Anders Stokholm entschuldigte sich dafür. Der Kanton Thurgau schrieb die Beschaffung eines neuen elektronischen Wahl- und Abstimmungssystems aus. Es soll Wahlfälschungen in Zukunft verunmöglichen. (sda)

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