Ich komme mir hier auf der Reise durch die Schweiz ja manchmal vor wie der grösste Totsch. Hätte ich Orte wie beispielsweise Gottlieben vorher gekannt, ich hätte meine Frau mal auf eine Schlauchboot-Fahrt einladen und beweisen können, dass ich der total romantischste Ehemann aller Zeiten bin.
So kannte ich bisher nur Gottlieber Hüppen. Kennen wir alle. Das Gebäck ist über die Grenzen hinaus bekannt. Aber wart ihr schon mal in Gottlieben? Macht das. Die Gemeinde gehört zwar zu den kleinsten der Schweiz, liegt aber unglaublich schön.
Eingeklemmt zwischen Tägerwilen und dem Seerhein, welcher den Boden- und den Untersee verbindet schlummert die Perle. Der kleine Dorfkern mit den alten Häusern könnte gemalt sein. Am Rheinufer laden Restaurants zum Verweilen ein. Boote schaukeln hin und her. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses liegt bereits Deutschland.
Was man aber gar nicht sieht ist das Schloss. Versteckt hinter Mauern und Bäumen steht es. Zwei Türme, eine Wasserburg, ein schöner Garten. Wer einen Blick drauf werfen will, muss auf dem Rhein vorbeifahren. Von der Schweizer Seite schimmert der Bau höchstens durch den Blätterwald.
Errichtet wurde das Schloss 1251 als Wasserburg. Der Konstanzer Bischof Eberhard II von Waldburg wollte den Handelsverkehr hierher umleiten. Er hatte einen Konflikt mit der aufstrebenden Bürgerschaft von Konstanz. Bis Anfang des 14. Jahrhunderts gab es gar eine Brücke über den Rhein. Das Vorhaben scheiterte aber, darum «wuchs» Gottlieben bald nicht mehr weiter.
Ich radle vom Rhein hoch auf den Seerücken und erreiche Helighausen (Gemeinde Raperswilen). Eigentlich eine kleine Sache. Nicht erwähnenswert. Aber dann fahre ich an einer Scheune vorbei unter deren Vordach ein gut 6 bis 7 Meter hoher Napoleon steht.
Warum wohl? Ich klingle beim Besitzer. Willi öffnet die Tür. «Das ist eine lange Geschichte», sagt er. Die Statue wurde von einem Künstler in Spanien ausgestellt. Irgendwie sah sie sein Schwager und brachte das Styropor-Ungetüm in die Schweiz. Hier lag Napoleon erst in einer Kiste im Schützenhaus. Bis die Schützenkollegen fanden, die Kiste muss weg. Willis Schwager rief ihn an, weil er über einen grossen Lastwagen verfügt und wollte die Figur zur Entsorgung nach Weinfelden bringen.
Doch Willi fand: «Das wäre doch schade gewesen. Da dachte ich mir: ich stell das Ding mal bei mir vor die Scheune. Fortwerfen kann man sie immer noch.» Gut drei Jahre sind seither vergangen. Weiterhin grüsst Napoleon von da oben. Gelitten hat er zwar, denn das Styropor ist nicht unbedingt wetterfest. Man müsste Napoleon da und dort mal flicken. Vielleicht geschieht dies bald. Aber: «Gibt es keine besonderen Vorkommnisse, bleibt Napoleon bis auf Weiteres hier», lacht Willi. Einen Bezug zum wahren Napoleon habe er nicht. Er fand einfach die Statue zu schön, um wegzuwerfen.
Reiner Zufall also. Nicht ganz. In Hohenrain (Gemeinde Wäldi) unweit von Helighausen steht auf dem Hügel eine Antenne: «Ungefähr Ende des 17. Jahrhunderts hat Napoleon dort einen Holzturm errichten lassen», erzählt Willi. Der stand zwar nur einige Jahre. Aber diesen wolle eine Gruppe wieder aufbauen. Noch fehlt aber das Geld dazu. Kommt der Aussichtsturm auf dem Seerücken zustande, bewacht diesen vielleicht irgendwann der Übergrosse Napoleon.