Die Schweiz bereitet sich auf eine grosse Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine vor und hofft dabei auf Unterstützung privater Personen. Die Solidarität in der Bevölkerung sei riesig, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Der Bund sei daran, die Notfallplanung zusammen mit den Kantonen hochzufahren, um für die Ankunft einer grossen Zahl von Ukrainerinnen und Ukrainern gewappnet zu sein. Für Personen, die einen temporären Schutz suchten, solle es möglich gemacht werden, sie bei privaten Personen unterzubringen. Laut «Le Matin Dimanche» haben sich Tausende Personen bereits gemeldet, so etwa bei der Organisation Campax. Bis Freitag hätten sich mehr als 10'000 Personen gemeldet, die über 32'000 Betten verfügten.
Verteidigungsministerin Viola Amherd spricht sich für eine starke Aufstockung des Armee-Budgets um 2 Milliarden Franken aus. Das sei längerfristig eine Option, sagte Amherd in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Die Aufstockung entspräche einer Erhöhung der jährlichen Ausgaben um 40 Prozent. Bürgerliche Politiker aus der FDP und der SVP hatten dies in den letzten Tagen bereits gefordert. Sie präzisieren nun laut «NZZ am Sonntag» die Stossrichtung. So setzt sich die SVP dafür ein, kugelsichere Schutzwesten für alle Armee-Angehörigen zu beschaffen und die F-A-18-Jets mit Munition für den Erdkampf auszustatten. Stillgelegte Panzer sollten reaktiviert werden. Die FDP fordert schwere Waffen und Kampfpanzer.
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wollen bürgerliche Sicherheitspolitiker die Beschaffung von 36 Kampfflugzeugen des Typs F-35 forcieren. Dabei ist es ihnen egal, ob die Initiative gegen den Kauf der Kampfjets noch kommt oder nicht. SVP-Nationalrat Mauro Tuena, Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission, sagte dem «SonntagsBlick», das Parlament könne den Bundesrat ermächtigen und auffordern, den Kaufvertrag vor einer neuerlichen Abstimmung zu unterzeichnen. FDP-Parteipräsident Thierry Burkart ist überzeugt, dass das Parlament gut daran täte, die ordentliche Beschaffung zu prüfen. Dass die Linke an ihrer Initiative festhalte sei sicherheitspolitisch grob fahrlässig.
Der Krieg in der Ukraine erschüttert die Schweizer Sicherheitspolitik. Dabei kommen auch langjährige Tabus auf den Tisch. Zu diesen Tabus zählt auch ein Beitritt der Schweiz zur Militärallianz Nato. Es dürfe keine Denkverbote geben, sagte Stefan Holenstein, Präsident der Landeskonferenz der militärischen Dachverbände, zur «NZZ am Sonntag». Die bewaffnete Neutralität gehöre zwar zur Identität der Schweiz. Für die Sicherheit der Schweiz könnte ein Nato-Beitritt aber vorteilhaft sein. Mauro Mantovani von der Militärakademie der ETH Zürich stellt seinerseits eine konkrete Annäherung an die Nato zur Debatte. So könnte etwa die Schweizer Luftverteidigung in das System der Nato integriert werden.
Bürgerliche und linke Politikerinnen und Politiker sprechen sich laut «SonntagsZeitung» ihrerseits dafür aus, künftig im Militärbereich stärker mit Europa zusammenzuarbeiten. In der heutigen geopolitischen Situation dürfe es keine Tabus geben, sagte FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro. Auch wenn die Schweiz unabhängig bleiben wolle, müsse sie doch die Zusammenarbeit mit der EU intensivieren. SP-Nationalrätin Franziska Roth verlangt, dass der Bundesrat im Rahmen der anstehenden Gespräche mit der EU auch ein sicherheitspolitisches Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union anstrebt. Die neue Situation sei sogar ein Grund, um einen EU-Beitritt zu forcieren.
Die Schweiz leistet in der Ukraine nur noch humanitäre Nothilfe. Alle anderen Tätigkeiten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mussten wegen des russischen Einmarsches beendet werden. Das Schweizer Personal habe die Ukraine verlassen, sagte ein Sprecher des Schweizer Aussendepartements in Bern gegenüber der «SonntagsZeitung». Seit den 1990-er Jahren hatte der Bund grosse Anstrengungen unternommen, damit die Ukraine Frieden finden und sich wirtschaftlich wie auch gesellschaftlich entwickeln könne. Nach der Besetzung der Krim durch Russland 2014 habe die Schweiz ihre Anstrengungen sogar noch verstärkt. Die Ukraine war zuletzt ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe mit jährlichen Ausgaben von rund 30 Millionen Franken.
Bei den Überlebenden des Holocaust löst der Ukraine-Krieg grosses Entsetzen aus. De Krieg zeige, das zu wenig aus der Vergangenheit gelernt worden sei, sagte Anita Winter, Gründerin und Präsidentin der Gamaraal Foundation, einer Stiftung für Holocaust-Überlebende in der Schweiz, gegenüber dem «SonntagsBlick». Es sei empörend, dass der russische Staatschef Wladimir Putin von einem Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine und einer Entnazifizierung spreche. Das sei eine zynische Lüge. Besonders schmerzlich sei, dass beim Angriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew auch die Umgebung der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Jar beschossen worden sei. Das Gelände erinnere an die Ermordung von mehr als 33'000 ukrainischen Juden durch die Nazis im Herbst 1941.
Die Buchungsplattform Booking hat ihre marktbeherrschende Stellung in jüngster Zeit noch ausgebaut. Das zeigt eine neue Studie der Fachhochschule Westschweiz Valais-Wallis. Knapp 80 Prozent der Hotels setzen inzwischen eine spezielle Software ein, um ihre leeren Zimmer im Internet zu vermarkten. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 63 Prozent. Vom allgemeinen Schub bei der Digitalisierung im Zuge der Pandemie profitieren auch die Buchungsplattformen. Booking verfügt mittlerweile über einen Marktanteil von knapp 78 Prozent. Das schade den Hotels und den Gästen, sagen die Hoteliers. Am Dienstag diskutiert der Nationalrat über das Thema der Dominanz von Booking und anderen Plattformen.
Ein Schweizer Facharzt für Infektionskrankheiten hat einem russischen HIV-Patienten die Behandlung verweigert. Als Begründung führte der Belegarzt in der Klinik Hirslanden den Ukraine-Krieg an, wie der «SonntagsBlick» schreibt. Der homosexuelle Russe, der in Moskau lebt, war seit mehr als fünf Jahren beim Hirslanden-Arzt in Behandlung. Er wollte damit verhindern, das er in der russischen Gesundheitsdatenbank als HIV-Patient vermerkt wird. Der Russe war über die Abweisung schockiert. Ein Sprecher der Klinik Hirslanden bestätigte den Sachverhalt. Patienten in akuter gesundheitlicher Gefahr würden die Hirslanden-Ärzte aber selbstverständlich behandeln, unabhängig vom Herkunft, Geschlecht und Nationalität.
Die Schweizer Fluggesellschaft Swiss bezieht als erste Kundin klimaneutrales Flugbenzin, welches aus Sonnenlicht und Luft hergestellt wird. Das berichtet die «NZZ am Sonntag». Das Schweizer Start-up-Unternehmen Synhelion hat Technologien entwickelt, die es erlauben, mittels solarer Prozesshitze aus der Luft gewonnenes Kohlendioxid und Wasser zu einem Synthesegas reagieren zu lassen. Daraus lassen sich alle Arten von Treibstoffen herstellen. Im laufenden Jahr ist der Bau einer industriellen Anlage geplant, die ab 2023 produziert. Mit dem Know how von vielen Jahren der Forschung an der ETH Zürich ist die Basis für diese Technologien gelegt worden.
In der Schweiz sind Millionen von Hühnern mit Reserve-Antibiotika behandelt worden, die auf einer schwarzen Liste des Bundes stehen. Das zeigt eine Auswertung von Zahlen des Bundes durch die «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche». Demnach wurden allein im Jahr 2020 in der Schweiz 5.2 Millionen Küken und Mast-Poulets mit einem Reserve-Antibiotikum behandelt. Vom Missbrauch mit Medikamenten wussten die Behörden seit Jahren. Doch erst jetzt handelten sie. Seit 2016 ist der fachgerechte Einsatz von Antibiotika in Tierställen gesetzliche Pflicht. Dennoch wurden seither mehr als 30 Millionen Geflügel mit Reserve-Antibiotika behandelt. (saw/sda)
Mal schnell die normalen politischen Prozesse und Bevölkerung umgehen…
Was kommt als nächstes liebe Bürgerliche? Putin Schweiz?