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So beeinflusst der Russland-Ukraine-Konflikt die Filmbranche

So beeinflusst der Krieg in der Ukraine die ukrainische Filmbranche

Die ukrainische Film- und Fernsehindustrie hat gerade erst begonnen, sich der Welt zu öffnen. Die Invasion auf die Ukraine ändert diese hart erarbeitete Situation über Nacht.
05.03.2022, 20:0406.03.2022, 14:11
Corina Mühle
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Die ukrainische Film- und Fernsehbranche leidet unter dem Russland-Ukraine-Konflikt; Produktionen wurden stillgelegt und Kinos sind geschlossen.

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Doch diese Industrie hat sich erst gerade begonnen, der Welt zu öffnen und internationale Aufmerksamkeit – auch an Filmfestivals – zu erlangen.

Ukrainische Filmbranche auf den Kopf gestellt

«Die Film- und Fernsehindustrie in der Ukraine hatte gerade erst begonnen, sich zu öffnen, mit internationalen Produktionen zusammenzuarbeiten und ein System aufzubauen, und jetzt wird alles stillgelegt», sagt der ukrainische Produzent Nebojsa Taraba gegenüber dem Magazin «The Hollywood Reporter». Dieser Konflikt werde alles ruinieren, was sich die Ukraine und Russland im letzten Jahrzehnt aufgebaut haben. Nur schon, dass Produktionsfirmen und TV-Unternehmen keine Möglichkeit mehr haben, Gelder zwischen Moskau und Kiew hin- und herzuschieben, verbaut Möglichkeiten und macht eine Zusammenarbeit praktisch unmöglich.

Taraba war leitender Produzent der Krimiserie «Silence», einer kroatisch-russisch-ukrainisch-deutschen Coproduktion, die in der Ukraine gedreht und an HBO verkauft wurde. «Wir haben mit unseren Partnern in der Ukraine und in Russland gesprochen und mit Kseniia Mishina, unserer Hauptdarstellerin in «Silence», die in der Ukraine ist. Wir sind alle entsetzt über das, was dort passiert», sagt Taraba. Erst vor einigen Wochen sprachen sie über eine mögliche zweite Staffel.

«Irgendwann wird der Krieg zu Ende sein, und dann werden wir, die Kunst- und Kulturschaffenden, dazu beitragen, die Wunden des Krieges zu heilen. [...] Man kann die Musik nicht abschalten. Man kann den Film nicht töten.»
Nebojsa Taraba

Der polnische Filmemacher Dariusz Jablonski sagt, dass er sich um die Sicherheit seiner ukrainischen Kollegen sorge, die sich in der Vergangenheit offen gegen Russland ausgesprochen haben. Dazu gehört Regisseur Oleh Sentsov. Dieser wurde 2014 von russischen Streitkräften auf der Krim festgenommen, als er gegen die Angliederung der Region an Russland protestierte. Ein russisches Gericht sprach ihn wegen «Planung terroristischer Handlungen» schuldig und verurteile Sentsov zu 20 Jahren Haft. Dank einer Kampagne, die unter anderem durch Amnesty International und das Europäische Parlament unterstützt wurde, kam er 2019 frei.

Sentsovs neuster Film heisst «Rhino» und handelt vom Zusammenbruch der ukrainischen Gesellschaft und dem Anstieg des organisierten Verbrechens nach dem Ende der Sowjetunion. Der Film kam erst vor Kurzem in die ukrainischen Kinos. Aufgrund der Invasion sind diese momentan aber geschlossen.

Gerade in den letzten Jahren boomte die Filmbranche in der Ukraine und es wuchs eine neue Generation an Filmemacherinnen und -machern heran. Einige haben internationale Aufmerksamkeit erlangt. «Rhino» wurde am Filmfestival in Venedig ausgezeichnet und die Regisseurin Maryna Er Gorbach gewann dieses Jahr am Sundance Film Festival für «Klondike» beste Regie für einen internationalen Film in der Kategorie Drama.

Trailer «Rhino»:

Trailer «Klondike»:

Ukraine-Präsident Selenskyj war Schauspieler

Diener des Volkes - Staffel 1 mit Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj spielte den ukrainischen Präsidenten in der Serie «Diener des Volkes».Bild: kvartal 95 Studio

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ehemaliger Komiker, Schauspieler und Regisseur. Er war Synchronsprecher für «Paddington» und spielte in mehreren Serien und Filme mit. Zuletzt spielte er in der Comedy-Serie «Diener des Volkes» (Originaltitel: «Sluga narodu») einen Lehrer, der zum ukrainischen Präsidenten gewählt wird. Die Serie lief 2015 bis 2019 und hat drei Staffeln.

Es ist Selenskyj zu verdanken, dass die ukrainische Filmindustrie begonnen hat, sich für den globalen Markt zu öffnen. Im Jahr 2020 führte er einen Steueranreiz von 25 bis 30 Prozent für Serien oder Spielfilme ein, die im Land gedreht werden. Damit ist die Ukraine konkurrenzfähig mit den Nachbarländern wie Ungarn, Rumänien und Polen.

Die Regierung und lokale Produktionsfirmen haben grosse Fortschritte beim Ausbau von Film- und TV-Infrastrukturen gemacht. So konnten auch internationale Produktionen gewonnen werden. Produktionen wie HBOs «Chernobyl» und Netflix' «The Last Mercenary» wurden in der Ukraine gedreht.

Trailer «Chernobyl»:

Trailer «The Last Mercenary»:

Sean Penn drehte in der Ukraine Kriegs-Doku

Hollywood actor and producer Sean Penn visits positions of the Ukrainian Armed Forces near the frontline with Russia-backed separatists in Donetsk region, Ukraine, Thursday, Nov. 18, 2021. Sean Penn c ...
Sean Penn in der Ukraine im November 2021.Bild: keystone

Der US-amerikanische Schauspieler und Filmemacher Sean Penn hielt sich – als die Invasion startete – in der Ukraine auf. Er arbeitete an einer Dokumentation über Putins Krieg in der Ukraine. Er befand sich schon länger in der Ukraine und interviewte Journalisten, Mitglieder des Militärs und den Premierminister. Am 28. Februar schrieb Penn auf Twitter, dass er und seine Kollegen zur polnischen Grenze laufen mussten, nachdem sie ihr Auto am Strassenrand stehen gelassen haben.

«Der Filmemacher [Sean Penn] ist eigens nach Kiew gekommen, um die aktuellen Ereignisse in der Ukraine zu dokumentieren und der Welt die Wahrheit über den Einmarsch Russlands in unser Land zu sagen», lautet ein Statement der ukrainischen Regierung. Weiter: «Sean Penn gehört zu denjenigen, die die Ukraine unterstützen. Unser Land ist ihm für diesen Beweis von Mut und Aufrichtigkeit dankbar.»

Hollywood actor and producer Sean Penn speaks with servicemen of the Ukrainian Armed Forces at their position near the frontline with Russia-backed separatists in Donetsk region, Ukraine, Thursday, No ...
Sean Penn spricht mit ukrainischen Soldaten, die in der Nähe der Frontlinie zu den von Russland unterstützten Separatisten in der Region Donezk, Ukraine, stationiert sind.Bild: keystone

Auswirkungen auf die russische Kinolandschaft

Der Konflikt hat aber auch Auswirkungen auf die Filmlandschaft in Russland. So hat Warner Bros. den neusten DC-Superheldenfilm «The Batman» aus dem russischen Kinoprogramm gestrichen. Auch Disney pausiert alle Kinostarts in Russland. Ein Sprecher des Studios sagte: «Wir werden zukünftige Geschäftsentscheidungen auf der Grundlage der sich entwickelnden Situation treffen.» Auch Paramount hat angekündigt, Kinofilme – unter anderem «Sonic 2» und «The Lost City» mit Sandra Bullock und Channing Tatum – zu pausieren. Sony stoppt den Kinostart des angekündigten Marvel-Films «Morbius».

Netflix legt alle russischen Projekte auf Eis. Der Streamingdienst-Anbieter hat momentan vier russische Originalserien in der Planung, darunter eine Krimiserie, deren Dreharbeiten nun auf unbestimmt verschoben sind, schreibt Variety. Es ist die zweite Netflix-Originalserie, die in Russland gedreht wird.

Ebenfalls sollte Netflix ab dem 1. März 2022 staatlich unterstützte Sender in Russland ausstrahlen. Dies schreibt ein neues Gesetz in Russland vor. Der US-Konzern wird diese Vorschriften allerdings nicht einhalten. Gegenüber CNN sagt Netflix:

«In Anbetracht der derzeitigen Situation haben wir keine Pläne, diese Kanäle in unseren Dienst aufzunehmen.»
Netflix

Russland wird auch von etlichen Filmfestivals und Preisverleihungen ausgeschlossen. So gab das Filmfestival von Cannes bekannt, dass es keine russischen Vertreter oder Teilnehmer mit Verbindungen zur Regierung empfangen wird. Das Glasgow Film Festival hat beschlossen, dass sie die beiden russischen Titel («No Looking Back» und «The Execution»), die dieses Jahr auf dem Programm stehen, zurückziehen werden. Das Locarno Film Festival hingegen wird im August russische Filme zeigen. Auch an den Filmfestspielen von Venedig werden russische Filmemacher nicht verbannt.

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