Mehrere watson-User berichten, dass sie von der Post einen persönlich adressierten Brief erhalten haben. Dem Schreiben beigelegt ist ein «Werbung-OK-Kleber». Die Post legt den Empfängerinnen und Empfängern des Briefes nahe, den Kleber am Briefkasten zu befestigen. Wörtlich steht im Brief der Post:
Die Post werde in den kommenden Monaten «attraktive Warenmuster» verteilen, heisst es in einem Brief, den ein watson-User der Redaktion hat zukommen lassen. Allerdings könne man die Warenproben nur zustellen, wenn der Briefkasten nicht mit einem «Bitte-keine-Werbung»-Vermerk ausgestattet sei.
Die Post lockt die Empfängerinnen und Empfänger mit süssen Versprechungen. «Freuen Sie sich auf Warenmuster folgender Produkte», heisst es auf einem ausklappbaren Rand im Schreiben. Darunter wird Werbung für «Kägi», «Lindor» und «Knoppers» gemacht.
Die User, welche sich bei watson gemeldet haben, sind ob der offensiven Werbestrategie der Post nicht sehr begeistert. Sie haben ihren Briefkasten mit einem «Bitte-keine-Werbung»-Kleber vermerkt. Doch was steckt dahinter?
Die Post bietet ihren Kundinnen und Kunden unadressierte Mailings an. Die Kunden können so Werbung an zahlreiche Haushalte in der Schweiz verteilen lassen. Dies können Briefe oder eben auch Warensamplings sein. «PromoPost» nennt die Post dieses Angebot.
Dieses bewirbt sie in einem Prospekt folgendermassen: «Häufig nehmen wir im Auto, im Tram, in der Bahn und zu Fuss Werbebotschaften nur unbewusst wahr. Mit PromoPost haben Sie die Möglichkeit, Ihre Zielgruppen dort anzusprechen, wo sie ihr Angebot gezielt erreicht: im Briefkasten.»
Doch der digitale Wandel macht auch vor der Post nicht halt. «Wir sind gefordert, denn die Nachfrage nach physischen Dienstleistungen nimmt ab», hält das Unternehmen im Jahresbericht 2020 fest. Im Vergleich zu 2016 wurden 2020 18,3 Prozent weniger adressierte Briefe zugestellt.
Mit den «Werbung-Okay-Klebern» versucht die Post diesem Trend entgegenzuwirken. Diese Kleber seien kein neues Phänomen, sagt Erich Goetschi, Mediensprecher der Post. Anfang des Jahres sei ein Versand in der Region Basel und im Kanton Genf erfolgt. Zwischen Oktober und Dezember erfolge nun die zweite Welle in Schaffhausen und der Agglomeration Zürich. Dabei seien jeweils 200'000 Haushalte per adressiertem Brief angeschrieben worden.
Vergangene solche Sampling-Aktionen hätten gezeigt, dass attraktive Produkte bei den Empfängerinnen und Empfängern gut ankommen würden, so Goetschi. «Die Post will deshalb mit einer erneuten Sampling-Aktion weiteren Auftraggebern die Möglichkeit geben, die Wirksamkeit eines Musters auf den Absatz der damit beworbenen Produkte im Handel zu prüfen.» Die Versandaktion sei eine Verkaufsförderungsaktion, sagt Goetschi weiter, «die Post bewegt sich hier im freien Markt».
Befürchtungen, dass man die Empfängerinnen und Empfänger mit dem Schreiben verärgern könnte, hat man bei der Post offenbar keine. «Es ist jedem Empfänger und jeder Empfängerin selbst überlassen, den ‹Werbung-OK-Kleber› zu nutzen oder nicht.» Die Post respektiere die «Keine-Werbung-Kleber» und stelle deshalb diesen Personen auch keine unadressierte Werbung zu. «Adressierte Werbung hingegen wird auch zugestellt, wenn ein ‹Stopp-Werbung-Kleber› am Briefkasten angebracht ist», so Goetschi. In diese Kategorie falle auch der Brief, der watson vorliege.
Kritik am Vorgehen der Post gibt es indes von der Stiftung für Konsumentenschutz. Die «Werbung-OK-Kleber» sind der Stiftung schon länger bekannt, wie Josianne Walpen gegenüber watson sagt. Für Leute, welche diese Kleber erhalten, sei dies sehr mühsam. «Sie haben sich ja in den meisten Fällen bewusst dazu entschieden, einen ‹Keine-Werbung-Kleber› anzubringen.» Dass die Post nun versuche, diese Leute mit einem Warenmuster umzustimmen, sei eine «billige Strategie».
Und wie sieht es aus mit den Daten? Darf die Post persönliche Daten benutzen, um einen Werbeversand zu machen, obschon die Empfängerinnen und Empfänger dies explizit nicht wünschen? «Da die Post als Dateninhaberin der Adressen in ihrem Namen Post zustellt, gibt sie keine Daten weiter – was eine Einwilligung erforderlich machen würde», sagt Hugo Wyler, Leiter Kommunikation beim EDÖB (Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter).
Dennoch sei die Werbung nicht erwünscht und der Empfänger müsse sein Widerspruchsrecht geltend machen können. «Die Post hat demnach sicherzustellen, dass der Adressat, wenn er mitteilt, künftig keine Werbung von der Post erhalten zu wollen, dies auch so gehandhabt wird.»
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