Der watson-Artikel über eine Frau, welche von einem Just-Eat-Kurier belästigt wurde, bewegt die Gemüter. Mehrere Personen schildern ähnliche Erlebnisse:
Der Artikel macht auch Nina* hellhörig. Denn das damals 15-jährige Mädchen erhielt von einem Kurier ebenfalls anzügliche Nachrichten. Das hat sie erlebt:
«Mein Freund, meine Eltern und ich haben uns entschieden, von einem Restaurant bei uns im Ort Abendessen zu bestellen. Das haben wir schon oft gemacht, denn wir mögen das Essen von diesem Lokal sehr», so Nina.
Als es dann geklingelt hatte und der Kurier mit dem Essen eingetroffen war, ging Nina allein runter. «Da war ich nicht beunruhigt. Ich hatte schon oft Kontakt mit Kurieren von diesem Restaurant», sagt Nina. Sie sei dann zum Auto hin, habe dem Kurier das Geld und etwas Trinkgeld gegeben, das Essen entgegengenommen und sei nach oben gegangen.
Darauf assen Nina und ihre Familie zusammen. «Es war ein völlig normaler Abend. Das Essen hat uns geschmeckt und der Mann verhielt sich mir gegenüber anständig, es gab also keinen Grund zur Sorge», sagt Nina.
Danach erreichte sie im WhatsApp die erste Nachricht von dem Fahrer, er bedankte sich für das Trinkgeld. «Ich habe mir nichts dabei gedacht, ich fand es eigentlich noch sympathisch, dass er sich nochmals bedankt. Ich habe ihm geantwortet und gesagt, dass es gern geschehen sei und das Essen lecker gewesen sei», erklärt Nina.
Der Kurier, den Nina gegen Anfang dreissig schätzt, beliess es jedoch nicht bei seiner ersten Nachricht und schrieb dem Mädchen nochmals. Er fragte, ob das Essen gut gewesen sei, und wünschte einen guten Appetit. Nina bedankte sich.
Die Nachricht, die dann folgte, schockierte Nina. Der erwachsene Mann schrieb dem 15-jährigen Mädchen: «Du bist auch mega lecker.»
«Ich traute meinen Augen kaum. Ein erwachsener Mann, der wahrscheinlich doppelt so alt ist wie ich, schreibt mir so etwas. Er hat meine Telefonnummer, er weiss, wie ich aussehe, und er kennt meine Adresse. Ich hatte wirklich Angst, dass er eines Tages bei mir auftaucht, wenn ich allein bin», sagt sie.
Nina sagt, dass der Mann ihr noch eine Nachricht gesendet habe. Was genau er darin schrieb, weiss sie heute nicht mehr. Danach habe sie den Mann sofort blockiert.
Sie habe daraufhin ihre Eltern informiert, auch diese seien entrüstet gewesen. Das Restaurant hätten sie aber schlussendlich nicht kontaktiert, warum, kann Nina heute nicht mehr genau sagen. Klar war aber damals schon: Die Familie wird nicht mehr bei diesem Restaurant bestellen.
Der Vorfall beschäftigt das Mädchen noch heute, sie sagt: «Wenn ich mich nicht mal mehr sicher fühlen kann beim Essenbestellen, wie soll ich noch aus dem Haus gehen können?»
Sie hat nach dem Vorfall, der nun rund ein Jahr her ist, ihre Schlüsse gezogen – wenn sie und ihre Familie Essen bestellen, geht sie nicht mehr runter, um die Bestellung entgegenzunehmen.
Der Übergriff des Kuriers bleibt ein singuläres Ereignis im Leben von Nina. Doch Nina ist trotzdem oft mit Übergriffen von erwachsenen Männern konfrontiert. Sie sagt: «Wenn ich nach Hause laufe von der Bushaltestelle, hupen die Männer nicht selten. Die müssen erwachsen sein, sonst könnten sie nicht Auto fahren.»
Sie findet das unangenehm und es beängstigt sie auch: «Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass diesen Männern bewusst ist, dass ich nicht volljährig bin und dass sie wissen, dass das, was sie machen, falsch ist.»
*Name von der Redaktion geändert.