Schweiz
Wirtschaft

CS-Bericht: Wohneigentum ist gefragt, aber es gibt keine Baubewilligung

Das grosse Immo-Rätsel: Warum so wenige ein Haus bauen, obwohl alle davon träumen

In der Schweiz werden nicht einmal mehr halb so viele Einfamilienhäuser gebaut wie vor 15 Jahren, obschon sie sehr beliebt sind. Selbst Fachleute rätseln über das Phänomen. Doch es gibt zumindest Teilantworten.
29.09.2021, 17:15
Niklaus Vontobel / ch media
Mehr «Schweiz»
Das Eigenheim ist das Lieblingsbiotop des Mittelstands. Doch nicht allen langt's daf
Bild: sda

Zu wenige Eigenheime würden in der Schweiz gebaut. So steht es im neuen Immobilien-Monitor, den die Credit Suisse am Dienstag veröffentlicht hat. Dabei hätte die Bevölkerung gerne mehr davon. «Der Wunsch nach Wohneigentum ist ungebrochen hoch», schreiben die CS-Ökonomen. Doch der Wunsch findet kein Gehör. Es werden rekordwenige Eigenheime gebaut:

«Der Bau von Wohneigentum verharrt auf einem Tiefststand»

Der Bau von Eigenheimen ist eingebrochen, wie die neuesten Zahlen zeigen. Demnach vermeldeten die Kantonsämter im Juni, dass sie zuvor in zwölf Monaten gerade einmal 2650 Baubewilligungen für Eigentumswohnungen erteilt hatten. Bei den Einfamilienhäusern waren es lediglich 1500 Baubewilligungen. Hingegen waren es im Jahre 2006 noch mehr als anderthalb Mal so viele Eigentumswohnungen, gar mehr als doppelt so viele Eigenfamilienhäuser:

Baubewilligungen von Wohneigentum nehmen ab.
Bild: Baublatt, CS / Grafik: let

Nachfrage und Preise steigen stetig

Die Nachfrage ist da. Das zeigt sich an den Preisen, und das schon seit zwei Jahrzehnten. Seit dem Jahr 2000 sind die Preise um 89 Prozent gestiegen. In der Pandemie kommt es erneut zu einem Preisschub. Eigenheime wurden in einem Jahr um über 6 Prozent teurer. Wohneigentum erfahre, so die CS-Ökonomen, «ein kaum für möglich gehaltenes Interesse von Kaufwilligen.»

Alle wollen, immer weniger dürfen

Die Schweiz träumt vom Eigenheim. Die Preise zeigen es, die Suchaufträge auf Plattformen zeigen es, die Debatten in Onlineforen zeigen es. Doch Eigenheime sind rar, wie die Baubewilligungen zeigen. Überspitzt könnte man sagen: Alle wollen ein Eigenheim, immer weniger kriegen eines. Es wird zur Rarität, vor allem das Einfamilienhaus. Warum eigentlich?

In einer Marktwirtschaft sollte es anders sein. Ist die Nachfrage gross, gehen die Preise in die Höhe. Findige Unternehmer treten auf den Plan, suchen und finden neue Wege. Irgendwann hält das Angebot wieder Schritt mit der Nachfrage. Die Preise sinken. Doch beim Traum vom Eigenheim funktioniert es nicht.

Warum dem so ist, fragt sich der langjähriger Chef der Immobilienökonomen, Fredy Hasenmaile, schon lange. Aber er hat noch keine Antwort gefunden, die das ganze Ausmass dieses Phänomens erklärt. «Es bleibt ein Rätsel, immerhin gibt es Teilantworten.»

Mietwohnungen bauen rentiert mehr

Einige wollen, können aber nicht. Sie hätten zwar den Wunsch und würden auf den Plattformen ihre Suchabonnemente aufgeben, sagt Hasenmaile. Aber die Preise seien ihnen nach Jahren des Booms entrückt. Ihr Kapital reicht dafür nicht aus. Sie seien weit davon entfernt, den Sprung über die Finanzierungshürden zu schaffen.

«Mietwohnungen haben sie schnell gebaut, noch schneller verkauf»
Fredy Hasenmaile, CS-Immobilienökonom

Die grossen Immobilienentwickler unterliegen eigenen ökonomischen Zwängen. Mietwohnungen haben sie schnell gebaut, noch schneller verkauft, erklärt Hasenmaile. Planten sie eine Überbauung, stünden tags darauf vor der Türe zehn kaufwillige Pensionskassen, einen Tag später ist das Geld überwiesen. Sie müssen noch bauen, aber können zugleich bereits das nächste Projekt angehen.

Jede zweite Schweizer Mietwohnung geh
Mietwohnungen bauen ist planbarer und sicherer für Immobilienentwickler.Bild: sda

Mit Eigenheimen hingegen ist alles zäher und träger. Erst muss eine Hypothek her. Die Bank braucht Sicherheiten. Von 100 Wohnungen müssen 50 oder 60 vorverkauft sein. Käufer müssen her. Die finden sich nicht so schnell, weil eben vielen das Geld fehlt. So können rasch zwei Jahre vergehen. Somit sei klar, so Hasenmaile: «Die grossen Immobilienentwickler bauen lieber Mietwohnungen.»

Auf Immobilien gibt es zuverlässige Renditen – aber es müssen Mietwohnungen sein

Trotz allem gelangen neue Eigenheime auf den Markt. Doch 20 Prozent davon schnappen sich jedes Jahr vermögende Haushalte weg, die selbst schon ein Eigenheim haben. Sie wissen nicht, wohin mit dem Geld. Bei der Bank erhalten sie keinen Zins, werden ihnen nur Gebühren abgezwackt. Also kaufen sie und vermieten, und zwar vorzugsweise in den Städten, wo sich leichter Mieter finden. So bleiben weniger Eigenheime übrig.

20 Türmatten, die direkt zeigen, mit wem du es zu tun hast!

1 / 22
20 Türmatten, die direkt zeigen, mit wem du es zu tun hast!
«Moment bitte, wir haben vermutlich gerade keine Hosen an.» bild: imgur

Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Schweiz hat eine starke Altersvorsorge, in deren drei Säulen zig Milliarden Franken lagern. Allein in der zweiten sind es über 1'000 Milliarden. Wohin damit? Der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank ist seit über 5 Jahren negativ. Auf Immobilien hingegen gibt es bislang zuverlässig Renditen in einer vertretbaren Höhe. Aber es müssen Mietwohnungen sein. Da ist das Geld versorgt, jeden Monat kommen Mieten rein. Eigenheime hingegen lösen das Anlageproblem nicht. Sind sie gebaut und verkauft, fängt die Suche von vorne an. Darum gilt, wie Hasenmaile sagt: «Solange die Zinsen so niedrig sind, ist es wohl so: Eigenheime bleiben Mangelware». (bzbasel.ch)

Eigenheim-Rarität: 2020 stand Elvis'-Flitterwochen-Traumhaus zum Verkauf

1 / 33
Elvis-Villa in Palm Springs zu verkaufen! Wer macht mit?
1350 Ladera Circle, Palm Springs – Elvis' Flitterwochen-Haus – ist eine Architektur-Ikone. Sie steht aktuell zum Verkauf für 2,2 Millionen Franken. Eigentlich gar nicht so viel, oder?

quelle: realtor.com / realtor.com
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
15 Nachbarn, die ihre Wut mit aggressiven Zetteln ausdrücken
1 / 17
15 Nachbarn, die ihre Wut mit aggressiven Zetteln ausdrücken
Hör auf zu trillern, du Pfeife.
bild: facebook
Auf Facebook teilenAuf X teilen
World of watson: Päärli-Lockdown – der Film
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
54 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Dageka
29.09.2021 19:37registriert März 2014
Normalsterbliche dürfen für 2500 im Monat eine Wohnung mieten und das Jahrzehnte lang, aber eine eigene Hypothek aufnehmen und abbezahlen dürfen sie nicht. Dafür dürfen sie die Hypothek des Vermieters abbezahlen. 🤷‍♂️
1616
Melden
Zum Kommentar
avatar
ELMatador
29.09.2021 22:26registriert Februar 2020
"Warum so wenige ein Haus bauen, obwohl alle davon träumen"

Wie wäre es damit:
- Bodenknappheit
- Enorme Teuerung ohne entsprechendem Lohnwachstum
- Hohe Hypothek Hürden
510
Melden
Zum Kommentar
avatar
Freddie Quecksilber
29.09.2021 19:51registriert Juli 2017
Das grosse Autorätsel. Wieso fahren so wenige einen Ferarri, wenn alle davon träumen?
452
Melden
Zum Kommentar
54
Stadtzürcher Parlament: FCZ und GC sollen nicht zusätzliche Sicherheitskosten bezahlen

Der Stadtzürcher Gemeinderat hat sich am Donnerstag für eine Signalanlage an der Langstrasse ausgesprochen, die rund eine Million Franken kostet. Den Fussballklubs FCZ und GC überwälzt er keine weiteren Kosten. Die rund 110 Anträge erledigte das Parlament in zwei Tagen.

Zur Story