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Hunderte Stellen in Gefahr: Swisscom will Jobs ins Ausland verlagern

Hunderte Stellen in der Schweiz in Gefahr: Swisscom will Jobs ins Ausland verlagern

Der Staatskonzern will Kosten optimieren. Deshalb werden Aufgaben in der Software-Entwicklung ins Ausland verschoben. Das könnte zu Entlassungen führen.
24.09.2025, 05:1524.09.2025, 09:11
Stefan Ehrbar / ch media

Das Schreckensgespenst des «Nearshoring» geht um bei der Swisscom. Wie viele Unternehmen aus dem IT-Bereich unterhält der Telekom-Konzern in mehrheitlichem Staatsbesitz Entwicklungsabteilungen im Ausland. Dort kann Personal beschäftigt werden, das weniger verdient als die Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz.

ARCHIVBILD ZU DEN QUARTALSZAHLEN VON SWISSCOM --- Das Logo des Telekommunikationsunternehmen Swisscom an der Bilanzmedienkonferenz zum Jahresabschluss, aufgenommen am Donnerstag, 3. Februar 2022 in Zu ...
Steht vor einem Stellenabbau in der Schweiz: die Swisscom.Bild: keystone

Nun steht eine grössere Verlagerung von Stellen an, wie CH Media erfahren hat. Laut einem Insider könnten Hunderte Mitarbeitende in sogenannten Devops-Teams betroffen sein. Ihre Aufgaben dürfte Swisscom-Chef Christoph Aeschlimann in Niederlassungen in der niederländischen Hafenstadt Rotterdam und die lettische Hauptstadt Riga verschieben, die der Staatskonzern 2019 und 2020 gegründet hat.

Zwar hatte die Swisscom damals noch betont, die Eröffnung der ausländischen Standorte gehe «nicht auf Kosten von Arbeitsplätzen in der Schweiz». Viel eher finde die Swisscom in der Schweiz nicht genügend Fachkräfte, weshalb der Schritt unumgänglich geworden sei. Doch das hat sich geändert. Die Swisscom gibt nun offiziell Kostengründe für die bevorstehende Verlagerung an.

Swisscom bestätigt Verlagerung ins Ausland

Damit folgt die Swisscom dem Beispiel der Post: Diese verlagert derzeit 140 Stellen in ihrer IT-Abteilung nach Portugal, wie CH Media berichtete. Dabei hatte sie vor drei Jahren noch das Gegenteil versprochen: Der Ausbau in Portugal führe zu keiner Verlagerung von Stellen. Bei der Post könnte dies ebenfalls nur der Anfang sein und in den nächsten Jahren könnten weitere IT-Stellen in der Schweiz gestrichen werden.

Swisscom-Sprecherin Sabrina Hubacher bestätigt, dass der Telekom-Konzern plane, «gewisse Aufgaben in der IT-Entwicklung von der Schweiz nach Rotterdam und Riga zu verschieben». Der Grund dafür sei, dass die «kontinuierliche Kostenoptimierung» ein zentrales Thema für die Swisscom bleibe. Mit anderen Worten: Die Verlagerung soll vor allem Einsparungen mit sich bringen.

«Gehen von grösserem Stellenabbau aus»

Wo immer möglich wolle die Swisscom dieses Vorhaben über die natürliche Fluktuation steuern, sagt Hubacher. Und: Die Schweiz sei und bleibe der zentrale Standort des Schweizer Geschäfts von Swisscom. Die Anzahl der Mitarbeitenden in den sogenannten Devops-Zentren entspreche «sowohl heute als auch mittelfristig einem kleinen Bruchteil der Belegschaft von Swisscom Schweiz».

Mitarbeitende in diesen Zentren haben vielseitige Aufgaben, die von der Entwicklung von Cloud-Lösungen über die Abwehr von Angriffen aufs Swisscom-Netz bis hin zur Entwicklung von Lösungen im Bereich Künstliche Intelligenz reichen.

Derzeit dürfte die Swisscom zwischen 600 und 800 Mitarbeitende in Riga und Rotterdam beschäftigten. Künftig sollen es zwischen 1000 und 1400 sein. Ein grosser Teil des Ausbaus im Ausland könnte auf Kosten von Stellen in der Schweiz geschehen. Die Swisscom selbst gibt auf ihrer Internetseite «über 400 Mitarbeitende» in Rotterdam an, eine entsprechende Zahl für Riga fehlt. In beiden Zentren sind derzeit knapp zwei Dutzend Stellen ausgeschrieben.

Von den Abbauplänen in der Schweiz weiss auch der Personalverband Transfair. Branchenleiterin Marika Schaeren sagt, betroffen sein dürften laut ihren Informationen vor allem die Standorte Bern und Zürich. Offenbar sei das Ziel, in den kommenden Jahren «mehrere Hundert» Stellen ins Ausland zu verlagern. «Wir gehen von einem grösseren Stellenabbau in der Schweiz aus», sagt Schaeren.

Übernahme in Italien belastet das Ergebnis

Branchenbeobachter gehen davon aus, dass die Swisscom nach der kostspieligen Übernahme und der nun anstehenden teuren und komplexen Integration von Vodafone Italia sowie der zuletzt verhaltenen Geschäftsentwicklung im Inland auf die Kostenbremse treten muss.

Die Verschuldung der Swisscom stieg wegen der Übernahme in Italien stark an, der Gewinn ging zuletzt zurück. Gleichzeitig will die Swisscom die Dividende von 22 auf 26 Franken pro Aktie erhöhen – ein Zückerchen, mit dem sie ihren Aktionären und vor allem dem Mehrheitseigner, dem Bund, die Transaktion in Italien schmackhaft machte. Leidtragende der Expansion könnten die IT-Fachkräfte in der Schweiz werden.

Der Personalabbau in der Schweiz ist bei Swisscom nicht neu. Im Jahr 2019 zählte die Swisscom im Inland noch 16'628 Vollzeitstellen. Vergangenes Jahr waren es 723 weniger. Im selben Zeitraum wuchs die Zahl der Vollzeitstellen im Ausland um 1293 auf 3982. Der hiesige Telekom-Markt gilt als gesättigt und hoch entwickelt, weshalb nur wenig Wachstum möglich ist.

Im vergangenen Jahr ging der Umsatz der Swisscom in der Schweiz um 1,7 Prozent auf 8,0 Milliarden Franken zurück. Nur der Umsatz mit IT-Diensten stieg, während die Swisscom im TV- und Breitband-Markt Kunden verlor. Dank der Übernahme von Vodafone Italia wird der Italien-Anteil am Umsatz hingegen auf etwa 46 Prozent steigen.

(bzbasel.ch)

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214 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Düsenschleicher
24.09.2025 06:12registriert Februar 2022
Man hat also nicht Fachkräftemangel, sondern es fehlen vor allem billige Fachkräfte. Und das auch nur, damit man den Aktionären mehr Dividende Zahlen kann. Der Bund sollte einschreiten.
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Sam1984
24.09.2025 06:00registriert Dezember 2014
Der Bund ist Mehrheitseigner und sollte hier eingeifen, dem Managment die Leviten lesen und einem Strategiewechsel durchsetzen. Wenn nötig sollte das Managment ausgetauscht werden.
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Chill Dude
24.09.2025 05:24registriert März 2020
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