Noch nie fuhr ein Kraftfahrzeug höher hinauf – auf 6734 Meter. Das neue Weltrekord-Team, bestehend aus diversen Bergführern aus aller Welt, einem komplett für diesen Zweck umgebauten Fahrzeug und einem französischen Rallyepiloten, ist von Porsche. Es war der dritte Anlauf, nachdem es 2022 und 2021 nicht klappte.
Es ist der Rekord, den eigentlich unsere drei Schweizer Tüftler mit ihrem Terren schaffen wollten. Seit fünf Jahren arbeiten sie an ihrem elektrisch angetriebenen Landwirtschafts- und Mehrzwecktransporter, immer mit dem Ziel vor Augen, einmal damit am Ojos del Salado in Chile den Höhenweltrekord zu brechen. Nun hat es um ein paar wenige Tage nicht gereicht. Doch auch das Terren-Team stellte in seiner Kategorie einen (weiteren) Weltrekord auf.
Zuerst die Pflicht, dann die Kür. Reden wir zu Beginn über Porsche.
Patrik Koller vom Team Terren: Herzliche Gratulation an Porsche. Die haben wirklich abgeliefert und eine Rekordmarke gesetzt, die nun wohl Jahre halten wird. Vor allem die vier Bergführer, zwei davon aus der Schweiz, haben richtig starke Arbeit geleistet, die Anker in den Boden geschlagen und das Fahrzeug da hochgehievt. Mit Fahren hatte das am Ende nicht mehr viel zu tun.
Ihr habt bei ihrem Rekord zugesehen?
Wir waren in der Nähe und konnten mit der Drohne filmen. Es war spektakulär – einmal sah es danach aus, als würde sich das Fahrzeug überschlagen.
Ich stelle mir das nicht so gemütlich vor. Ihr habt jahrelang von diesem Rekord geträumt und nun musstet ihr live zusehen, wie euch die Butter vom Brot genommen wird.
Es war eigenartig. Als wir miterlebten, wie sie den letzten Hang auch noch meisterten, da kam es uns schon so vor, als hätte das Drehbuch ein Anfänger geschrieben. Aber so ist das nun mal. Gegen einen Grosskonzern sind wir der Underdog. Und es war auch für Porsche nicht einfach. Die haben enorm viel riskiert. Wir versuchten es am nächsten Tag an derselben Stelle ebenfalls und sahen, was für Risiken die eingingen. Man muss dazu wissen, dass der Porsche nur 1,7 Tonnen wiegt, einen enorm tiefen Schwerpunkt hat – und keine Strassenzulassung. Das Fahrzeug wurde per Sattelschlepper auf 4500 Meter gebracht. Unser Terren fuhr die gesamte Strecke selbst, wurde unterwegs per Sonnenenergie geladen und wiegt 6,5 Tonnen. Die beiden Rekordversuche kann man im Prinzip nicht wirklich vergleichen.
Aber: Auch ihr habt wieder einen Weltrekord aufgestellt. Gratulation natürlich dafür!
Genau. Wir haben unseren Rekord für Elektrofahrzeuge von 5900 auf 6500 Meter verbessert.
Und ihr habt bewiesen, wie leistungsfähig euer Terren ist.
Genau. Und er hat richtig abgeliefert. Es war eine Freude zu sehen, wie einfach und sicher unser Fahrzeug zu handhaben ist. Manche Stellen im Hang erschienen uns beim Erkunden als schwierig. In Tat und Wahrheit fuhren wir dann aber ohne Probleme hoch. Wir überquerten einen Gletscher, die Hälfte davon war einfach nur blankes Eis. Wir haben unseren Rekord nicht mit einem hoch spezialisierten Fahrzeug, das nur für diesen Zweck geschaffen wurde, erreicht. Wir fuhren mit einem Fahrzeug hoch, das genau so beispielsweise für den Gemeindeservice eingesetzt werden kann, und waren dabei dank des Solarkraftwerks komplett autark, übernachteten auf 6300 Metern, hatten es warm, gemütlich, brachten unsere eigene Küche mit, einen Kühlschrank, einen Toaster, einen Induktionsherd, eine Kaffeemaschine. Vermutlich haben wir auch diverse Küchengerät–Höhenweltrekorde geknackt. Das alles macht uns schon sehr stolz.
Wäre das auch ein möglicher zukünftiger Einsatzbereich für euer Fahrzeug? Expeditionen?
Auf jeden Fall. Dank der Solaranlage ist das Fahrzeug komplett autark und kann auch an völlig abgelegenen Orten in nur einem Tag geladen werden. Das mal live in Aktion so richtig zu erleben ... das Gefühl der kompletten Unabhängigkeit. Das war auch für uns noch einmal ein ganz neues Erlebnis.
Zurück zur Rekordjagd, zurück zum absoluten Weltrekord für Kraftfahrzeuge. War's das?
Ja. David und ich waren gestern noch mit den Motorrädern stundenlang eine neue Route erkunden. Es war mörderisch. Und wir mussten einsehen, dass wir unsere Limite erreicht haben.
Wie war das, als ihr auf 6500 Metern realisiert habt, was ihr geleistet habt?
Ehrlich gesagt haben wir das dort oben gar nicht realisiert. Wir kamen später hinauf als geplant. Wir waren müde und das Gelände brutal. Wir hatten bei Reparaturarbeiten zuvor viel Zeit und Energie verloren, und dann stehst du dort oben bei –20, –30 Grad und der Wind bläst dir schonungslos ins Gesicht. Wir waren uns in dem Moment nicht bewusst, dass das nun unsere Rekordmarke sein wird.
Was überwiegt jetzt? Stolz auf euren Rekord oder die Enttäuschung, den absoluten Rekord verpasst zu haben?
Wir haben geleistet, was wir konnten. Aber unsere oberste Priorität ist es, Mensch und Maschine wieder heil den Berg hinunterzubringen. Wir sind ein Miniteam, wir sind Familienväter und hier mit unserem Prototyp, der zwei Millionen kostet. Wir können es uns nicht leisten, alles zu riskieren, das Fahrzeug hier zu schrotten. Wir müssen es unter allen Umständen intakt nach Hause bringen. Und Reparaturen auf dieser Höhe machen keinen Spass.
Du hast erwähnt, dass ihr durch Reparaturarbeiten aufgehalten wurdet. Was war da los?
Wir hatten mitten auf dem Gletscher Probleme mit dem Kühlsystem. Wir mussten drei Stunden reparieren. In solchen Momenten fragt man sich schon, ob es das wert war. Aber vermutlich liegt es in der Natur des Menschen, sicherlich in der Natur von uns im Team, Limiten auszutesten. Die Reparaturarbeiten haben uns viel Energie und Kraft gekostet – mit ein Grund, weshalb wir uns bei 6’500 Metern für einen Rückzug entschieden.
Was war das Problem am Kühlsystem?
Wir hatten bereits ein paar Tage zuvor damit Schwierigkeiten [siehe letztes Interview]. Da war Luft im System. Hier wird es bis zu 30 Grad unter null. Wir vermuten, dass sich gewisse Teile aus dem 3D-Drucker bei der extremen Kälte etwas zu stark verformen, sodass sie nicht mehr dicht sind und Luft hineinkommt.
Hattet ihr sonst noch technische Probleme?
Nein. Das Fahrzeug ist eine Wucht. Steigungen von bis zu 30 Grad sind ohne Probleme möglich. Es ist schon ein tolles Gefühl, das selbst gebaute Fahrzeug unter diesen Umständen so abliefern zu sehen.
Was nehmt ihr nun mit nach Hause von eurem Abenteuer am Ojos del Salado?
Dankbarkeit, dass wir das erleben durften. Das ist nicht selbstverständlich. Seit Beginn unseres Projekts ist viel passiert, zwei von uns sind Väter geworden, uns wurde zu Hause der Rücken freigehalten. Dorthin kehren wir zurück. Dort findet das echte Leben statt. Und natürlich nehmen wir Stolz mit. Unser Fahrzeug, gebaut nach unseren Ideen und Plänen, fuhr uns weit über 6000 Meter und erlaubte uns dort oben, komfortabel zu campieren. So etwas hat noch nie jemand vor uns erlebt.
Dann gratulieren wir noch einmal, wünschen euch eine sichere Heimreise. Und ich bin sicher, dass wir noch von euch hören werden. Spätestens, wenn die Doku fertig ist.
Dem Projekt, den drei Tüftlern, ihrer Firma und Dokufilmer Claudio von Planta kann man auf Social Media folgen. Und zwar hier:
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Und hier kannst du den geplanten Dokufilm unterstützen!
Gratuliere den beiden geilen Siechen - ganz schweizerisch in Mammut gewandet.
"Sieger der Herzen" sind sie mindestens - wenn nicht sogar noch mehr.
Es ist aussagekräftiger die ganze Strecke selber zu fahren - sympathischer sowieso.
Und ob die Konkurrenz nun das Fahrzeug mittels Erdankern und Seilwinden noch etwas höher hochgezogen hat, verhindert zwar den ganz grossen Marketingcoup, nicht aber das Standing bei Industrie und Sachverständigen.
2) Schade, dass es nich weiter und schneller ging
3) Warum bringt die CH die Unterstützung die es vor so etwas brauch nicht zusammen?
4) Fahrzeuge mit Heli und Sattelschlepper vor die Rekordrampe zu hiefen und dann mit Selwinde auf den Gipfel ziehen, ist nonsens. Porsche, shame on you
Hoffentlich werdet ihr das Fahrzeug nach den erfolgten ausgiebigen Test nun auch erfolgreich vermarkten können.