Neues von den drei Schweizer Elektro-Nutzfahrzeug-Ingenieuren: Der Terren, das in der Schweiz hergestellte Landwirtschaftsfahrzeug mit Elektroantrieb, hat die Strassenzulassung erhalten. Damit ist der Weg endlich frei für den Weltrekordversuch – und eine kommerzielle Nutzung.
Gratulation zur Strassenzulassung! Damit kann es jetzt endlich losgehen?
Patrik Koller: Vielen Dank. Der Terren darf seit März auf die Strasse. Es war ein hartes Stück Arbeit und es hätte uns fast das Genick gebrochen.
Ursprünglich wolltet ihr die Strassenzulassung im September ...
Bei der zuständigen Stelle hiess es zuerst, das sei eigentlich keine grosse Sache. Wir sollten den Wagen doch einfach mal vorbeibringen. Doch dann stand er dort wochenlang herum – und so einfach war es dann auch nicht.
Weshalb?
Es lag an verschiedenen Dingen: Wir mussten die Leistung der Elektromotoren auf diejenige des alten Dieselmotors begrenzen und man glaubte uns nicht, dass das per Software möglich ist. Also mussten wir es mit aufwendigen mechanischen Leistungsmessungen beweisen. Auch die Bremsanlage mussten wir mit einem hochpräzisen Verfahren für mehrere Tausend Franken prüfen, obwohl wir daran gar nichts geändert haben. Das Schlimmste war, dass zwischen den einzelnen Prüfungen wochenlange Funkstille herrschte ohne Bekanntgabe der Resultate. Und dann kamen aus dem Nichts wieder neue Anforderungen. Dadurch haben wir diverse Präsentationen, Investoren-Meetings und Testfahrten verpasst ... Es hat uns fast gekillt.
Aber eben nur fast.
Die Trägheit und Undurchsichtigkeit des Verfahrens lässt schon am System zweifeln. Wir müssen dringend auf nachhaltige Mobilität umstellen, wir haben kompetente, motivierte Leute in der Schweiz und die Aussicht, viele Arbeitsplätze zu schaffen – doch die Zulassungsverfahren sind ein Gräuel. Den Entwicklern werden unnötig viele Steine in den Weg gelegt. Wie sollen wir je mit den USA und China mithalten können? Wir haben vier Jahre lang alles investiert, uns selbst keinen Lohn ausbezahlt und einen in der Branche international beachteten Prototyp gebaut. Jede Verzögerung drohte für uns zum finalen Sargnagel zu werden, aber bei den zuständigen Stellen hat man nicht mit der Wimper gezuckt. David und mein Bruder waren vermutlich noch nie so nahe an einem Nervenzusammenbruch. Der Prozess hat uns mindestens ein halbes Jahr und zehntausende Franken gekostet – doch jetzt können wir nach vorn schauen.
Was sind eure nächsten Schritte?
Wir sind ans Goodwood Festival of Speed eingeladen worden, das weltgrösste Motorsport-Festival. Dort können wir den Terren vier Tage lang einem internationalen Publikum zeigen. Wir erhoffen uns daraus neue Kontakte und eventuell auch Sponsoren. Ausserdem treten wir dort am «Hill climb race» an – auch wenn Geschwindigkeit nicht die Spezialität unserer Arbeitsmaschine ist.
Ihr generiert noch immer keine Einnahmen mit dem Projekt. Wie finanziert ihr da einen Ausflug nach Goodwood?
Wie gesagt, wir wurden eingeladen. Auf unsere Kappe gehen nur der Transport und die Personalkosten vor Ort. Vielleicht finden wir ja noch einen Sponsor. Platz auf dem Fahrzeug hätte es noch – es wäre ein Schnäppchenpreis für ein Logo in Goodwood. Für unsere Marke Terren Electric Drive Systems ist dieser Anlass auf jeden Fall unbezahlbar. Andere Marken bezahlen rund eine Million Franken für dieselbe Exposure.
Wo können sich Interessierte melden?
Auf unserer Webseite Peak Evolution gibt es dafür ein Formular.
Wie steht es um euer Zwischenziel, den Höhenweltrekord in Chile?
Den werden wir nun definitiv angreifen. Im September geht der Terren aufs Schiff und wir fliegen im November nach. Bis dahin müssen wir noch viel trainieren.
Trainieren?
Wir haben zwar schon viele Kilometer auf der Strasse – aber aufgrund der Verzögerungen noch zu wenige im Gelände. Ein Offroad-Kurs wird sicher nötig sein. Ausserdem haben wir den Weltrekord noch ein wenig ausgebaut. Wir werden neben dem Terren auch ein elektrisches Motorrad mitbringen. Wir stehen dafür mit dem Hersteller Starkfuture aus Barcelona in Kontakt. Wenn wir Glück haben, schlagen wir gleich zwei Weltrekorde mit einem Versuch.
Werden wir euren Rekordversuch live mitverfolgen können?
Das wird im Minimum auf unserer Homepage möglich sein. Wir werden dort live Telemetriedaten darstellen: Wo wir uns gerade befinden, wie viel Strom wir noch haben, wie viel unsere Solaranlage leistet – so ähnlich wie bei Solar Impulse. Dies ist alles nur dank einer Starlink-Verbindung möglich. Ohne diese hätten wir in der Abgeschiedenheit der Atacama-Wüste keine Internetverbindung. Gleichzeitig gibt es regelmässige Updates auf unserem Peak-Evolution-YouTube-Kanal, den man unbedingt abonnieren sollte. Über das ganze Projekt entsteht aber auch ein Dokumentarfilm.
Und wenn ihr wieder zurück seid, geht es ja auch um die Kommerzialisierung des Terren. Wie kommt ihr damit voran? Habt ihr bereits Interessenten?
Da tun sich einige Dinge, die aber noch nicht spruchreif sind. Auf unserer Webseite Terren.ch ist unsere langfristige Strategie nachzulesen. Wir konnten durch unser Projekt einige Kontakte in der Bergbaubranche knüpfen und sehen da ein grosses Potenzial.
Aha, tönt interessant!
Gerade im Untertagebau gibt es sehr viele Probleme mit Verbrenner-Fahrzeugen und es ist eine grosse Bewegung zur Elektrifizierung im Gang. Da können wir eine interessante Alternative anbieten. Aber wie gesagt, noch ist nichts spruchreif. Es warten weitere hohe Hürden auf uns.
Und eine davon steht in Chile. Wir wünschen euch für die Vorbereitungen viel Erfolg, etwas mehr Glück als bisher und versprechen, euch spätestens beim Rekordversuch wieder zu belästigen.
Vielen Dank! Und vielleicht noch der Hinweis, dass man uns auch auf Instagram folgen kann, auf YouTube sowieso – und noch einmal der Hinweis auf unsere Homepage.
Omg! Das im 2023... Hoffe sie mussten die Unterlagen nicht auch noch per FAX zustellen 😵💫
Viel Erfolg!
Könnte man nicht ein vereinfachtes verfahren erstellen um bestehende KFZ zu elektrifizieren? so könnte man die bestehende graue Energie des restlichen Autos behalten und zb. nur den Motor austauschen.