Am höchsten Vulkan der Welt, dem Ojos del Salado in Chile, versuchen drei Schweizer Tüftler mit ihrem elektrisch angetriebenen Landwirtschafts- und Mehrzwecktransporter (genannt «Terren») den Höhenweltrekord für Fahrzeuge aufzustellen. Vorgestern gelang nun ein erster Erfolg.
Gratulation zum ersten Weltrekord. 5950 Meter – das Minimalziel ist erreicht.
Patrik Koller: Danke! Es war ein Rekord der Technik, einer für die jahrelange Arbeit, weniger einer, der hier in Chile schwierig herauszufahren gewesen wäre. Wir hätten noch höher hinauf können. Das Fahrzeug macht richtig Spass.
Jetzt haltet ihr den Rekord für Elektrofahrzeuge. Derjenige aller Vierräder liegt bei 6694 Meter. Traut ihr euch das zu?
Mal schauen, was drin liegt. Nur der Westgipfel des Ojos ist befahrbar. Die Spitze liegt auf 6750 Metern. Da hinaufzukommen, ist nur mit Seilwinde und einem Riesenaufwand möglich. Wenn überhaupt. Sollten wir das packen, dann sind wir schon recht krasse Siechen.
Von welchen Hindernissen fürchtet ihr euch am meisten?
Der Einstieg und das Ende sind schwierig. Dort ist es am steilsten. Vieles hängt von der Route ab, von welcher Seite man angreift. Unser Vorteil liegt darin, dass wir im Gegensatz zur Konkurrenz auch auf über 6000 Metern noch ein Lager aufschlagen können, weil wir komplett unabhängig sind. Wir benötigen keinen Diesel, wir haben immer Strom. Unser Truck lädt mit Sonnenenergie. Und das sogar besser als erhofft.
Keine Aussetzer bei der Technik?
Als wir ankamen, wollten wir den Terren an einer kommerziellen Säule laden – dann ging prompt unser onboard Ladegerät hops. Wir waren also von Beginn weg auf unsere PV-Anlage angewiesen. Diese liefert aber richtig Energie. Wir erwarteten, dass eine Komplettladung der 90-kWh-Batterie 1,5 bis 2 Tage dauern würde. Tatsächlich benötigen wir aber nur einen Tag. Übrigens dank Schweizer Komponenten von Megasol, Studer Innotec und Brusa.
Das tönt nach einem entspannten kleinen Ausflug bisher.
Ganz so einfach war es nicht. Eine Schraubenmutter an der Solaranlage war etwas locker. Das führte zu Funken und einer Erhitzung des Materials. Zum Glück bemerkten wir aber die daraus entstandene Verfärbung und konnten einen Kabelbrand verhindern. Die Mutter lockerte sich vermutlich durch die Vibrationen während der Fahrt. Ausserdem benötigte der Terren einmal ein Softwareupdate. Zum Glück ist das dank Starlink auch hier in der Pampa möglich … und da war noch ein kleinerer Zwischenfall mit dem Kühlwasser. Da war irgendwie Luft im System.
Und?
Wir haben die dann mit der Pumpe des Trinkwassersystems herausgesaugt.
Der Filmemacher Claudio von Plata, der euch begleitet, schwärmt im Newsletter von euren MacGyver-Qualitäten.
Wir wussten ja schon vor der Abreise, dass wir ein harmonisches Team sind und gut improvisieren können.
Zum Beispiel beim Bau der Toilette?
Hahaha. Man darf das nicht unterschätzen. Eine anständige Toilette ist essenziell. Das haben wir bei unserem ersten Besuch hier gemerkt. Und mit unserem Klo kann man einfach ein Loch graben und sich anständig hinsetzen.
Im Hintergrund hustet ein Motorrad, das nicht anspringen will. Patrik antwortet nicht mehr.
Was war das gerade?
Ich muss das Motorrad warm werden lassen. Ich gehe später mit Jiri Zak eine neue Route anschauen. Eine mit etwas weniger Steinen. Jiri ist ein Glücksfall für uns. Er hält den Höhenweltrekord für Motorräder und ist jedes Jahr hier. Ich glaube, er ist der Mensch, der diesen Berg am besten kennt. Und wir können natürlich enorm von ihm profitieren.
Wieder hustet das Motorrad.
Wie warm ist es bei euch?
Aktuell ist es noch minus fünf Grad. In der Nacht war es minus zehn. Wart schnell, ich muss den Töff in die Sonne stellen. Nachher werde ich vermutlich mit dem Heissluftföhn nachhelfen müssen (lacht).
Wie muss man sich das Vorstellen, ihr sechs Schweizer allein mitten im Nirgendwo in der Atacama-Wüste?
Wir sind nicht allein. Es ist noch ein anderes Team da, das ebenfalls den Höhenweltrekord will.
Oha! Konkurrenz?
Jaja, Porsche ist da. Wir dürfen dazu aber noch nichts verraten... Jetzt haben sie natürlich Angst, dass das kleine Schweizer Start-up ihnen die Butter vom Brot nimmt. Aber bei aller Konkurrenz: Das sind auch nette und gute Typen und es ist cool, dass die auch da sind.
Aber jetzt ist es ein Wettrennen?
In dem Sinn schon. Natürlich wollen wir schneller sein. Aber wie bereits erwähnt: Wir haben den Vorteil, dass wir mit unserem Elektroantrieb auch weiter oben unsere Zelte aufschlagen und das Fahrzeug laden können. Die müssen ihre Rekordversuche jeweils an einem Tag durchboxen. Es sind zwei grundverschiedene Philosophien. Auch beim Aufstieg. Wenn es steil wird, versuchen die es mit roher Gewalt, lassen die Räder durchdrehen. Wir mit unserer riesigen Auflagefläche können langsam hinaufschleichen. Wir sind langsamer – und sanfter.
Wann wissen wir, ob ihr auch den generellen Weltrekord geknackt habt?
Wir kommen schneller voran als geplant und passen uns gut an. Theoretisch hätten wir noch drei Wochen Zeit, ich denke aber, wir könnten es bereits in einer Woche schaffen.
Dann drücken wir die Daumen und freuen uns auf unser nächstes Gespräch.
Danke und gleichfalls.
Dem Weltrekordversuch mit dem Namen Peak Evolution kann man folgen. Und zwar hier:
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Stunden nach unserem Gespräch flattert in der Redaktion folgende E-Mail von Patrik Koller rein:
Motorrad ist nur mit Überbrücken angesprungen :-). Sind auf 6450 hochgefahren, und es ist richtig grob da oben. Der Gletscher, den wir überqueren müssen, ist in ziemlich schlechtem Zustand. Wir hatten jeweils über 20 Minuten. Anstrengend hoch 10. Mit dem Terren wird das aber vermutlich ein Kinderspiel.
Good luck, Jungs!
Drücke euch alle Daumen, dass ihr auch den zweiten Weltrekord schafft.