Der Sommer 2021 ging als Regensommer in die Geschichte ein; es kam verbreitet zu Rekordhochwasser und Überschwemmungen. Das umgekehrte Szenario präsentierte sich uns ein Jahr später, als ein Hitzerekord den nächsten jagte und viele Flüsse förmlich austrockneten.
Extreme, wie sie in den letzten zwei Jahren aufeinanderfolgten, werden durch den Klimawandel immer häufiger. Sie lassen uns ausserdem im Vorfeld des Sommers oder der Wintersaison noch stärker darüber rätseln, was uns wohl erwartet. Wir wagen auch aus diesem Grund einen Blick auf die Trends der wichtigsten Forschungs- und Wetterinstitute und darauf, was sie für den Sommer in der Schweiz, aber auch in Europa und weltweit bedeuten könnten.
Wirklich genau sind Wetterprognosen nur für die jeweils kommenden Tage. Dennoch gibt es Modelle, die versuchen, Prognosen über Monate hinweg zu erstellen. Ihre Basis sind weniger aktuelle Wetterereignisse als vielmehr grössere klimatische Veränderungen.
Solche langfristigen Wetterprognosen werden zwar immer besser, so haben sie beispielsweise den Hitzesommer im letzten Jahr ziemlich präzise vorausgesagt. Ihre Ungenauigkeit und die vielen Unsicherheiten bei solch langen Zeitabständen dürfen aber trotzdem nicht unterschätzt werden.
Als Grundlage langfristiger Prognosen dienen den Modellen zahlreiche Variablen innerhalb eines extrem komplexen Systems, darunter die Position und Bewegung des Jetstreams sowie verschiedene Luftdrucksysteme. Ausserdem entscheidend ist – zwar kaum für die Schweiz und Europa – die sogenannte ENSO, die El Niño-Southern Oscillation. Sie beschreibt das komplexe System im südlichen Pazifik, das sich in unregelmässigen Ausprägungen der Ozeantemperaturen und der Windsysteme äussert.
2023 ist mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Übergangsjahr, in dem die vergangene – überdurchschnittlich lange – La-Niña-Phase von einem sich bereits abzeichnenden El-Niño-Ereignis abgelöst wird.
Institute wie die National Centers for Environmental Prediction (NCEP) aus den USA erstellen mittel- bis langfristige Prognosen für den Niederschlag, die Druckverteilung und die Temperaturen. In Europa gilt das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) als die beste Anlaufstelle für Prognosen, die etwas ferner in der Zukunft liegen. Aber auch der deutsche Wetterdienst oder das französische Pendant, Méteo France, ermitteln längerfristige Trends.
Im Fokus ist folgend die Prognosenperiode zwischen Juni und August, der Periode des meteorologischen Sommers und der höchsten Temperaturen des Jahres.
Wegen der klimawandelbedingten Erderwärmung ist es wenig überraschend, dass die Modelle sowohl für Europa als auch für die Schweiz von höheren Temperaturen als der Norm – als Norm gelten hier die Jahre 1993 bis 2016 – ausgehen. Insbesondere für Zentral- und Südeuropa ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die durchschnittliche Temperatur im Sommer im obersten Drittel der Jahre zuvor zu liegen kommt.
Folgende Karte zeigt die Abweichung der prognostizierten Temperaturen in Grad Celsius. Für die meisten Regionen gehen die Modelle davon aus, dass es zwischen 0,5 und einem Grad wärmer wird als die Norm. Allerdings: Sowohl das Mittel der Anomalien als auch die Wahrscheinlichkeiten sind in den meisten Regionen niedriger als in der Vorhersage vom Mai 2022 für den europäischen Sommer des vergangenen Jahres.
Betrachtet man die globalen prognostizierten Temperaturen, dann zeigt sich das kommende El-Niño-Ereignis bereits deutlich: Sowohl die Wasser- als auch die Lufttemperaturen werden gemäss allen Modellen im südöstlichen Pazifik vor der Küste Südamerikas höher sein als in der Norm, während die Temperaturen vor der Westküste der USA oder in und um Australien kaum nach oben ausscheren.
Klar ist: Langfristige Trends dieser Art sind sowohl für Temperaturen als auch für Niederschlagsmengen mit grossen Unsicherheiten behaftet. Dieser Umstand wird entsprechend auch von den Instituten kommuniziert und es ist wichtig, dass solche möglichen Trends nicht mit präzisen, kurzfristigen Wettervorhersagen verglichen werden. Vielmehr geben sie die Wahrscheinlichkeit an, mit der die Modelle von gewissen Ereignissen ausgehen. Diese können dann auch mal bei lediglich 50 oder 60 Prozent liegen, was bedeutet, dass (noch) keine wirklichen Tendenzen zu erkennen sind.
Das gesagt, scheint es bei den Temperaturen dennoch eine etwas grössere Übereinstimmung der Modelle zu geben als bei den Niederschlagsmengen. Letztere unterliegen im Gegensatz zu den Temperaturen zum Beispiel auch keinem langfristigen Trend, was ein Grund für die grösseren Differenzen zwischen den Modellen darstellen könnte.
Das Modell, das die berechneten Wahrscheinlichkeiten aller Modelle vereint, zeigt wenig Auffälligkeiten bezüglich der Niederschlagsmengen. Sie scheinen in der Tendenz aber eher von knapp überdurchschnittlichen Mengen auszugehen als von zu geringen Mengen. In den gegebenen acht Modellen wird in allen die Wahrscheinlichkeit, dass es in Europa grossflächig zu trocken sein wird, als gering eingestuft.
Die Mehrzahl der Modelle geht eher vom Gegenteil aus: Sechs der acht prognostizieren besonders für West- und Südeuropa grössere Regenmengen als im Mittel. Das trifft vor allem für den Beginn des Sommers, also den Monat Juni, zu. Dazu schreibt das ECMWF aber: «Die vorhergesagten Anomalien sind – in der Mittelwertbetrachtung – gering; in der Realität würden solche Regenmengen keinen signifikanten Unterschied zu möglichen, bereits bestehenden Dürrebedingungen in diesen Regionen machen.»
Wiederum klarer sind die Tendenzen der Modelle auf globaler Ebene. Alle Modelle sagen ein El-Niño-Ereignis voraus, das sich auch in Mustern in puncto Niederschlag äussert: Die Westküste Südamerikas wird demnach stärkeren Regen erfahren, während es in Australien und Indonesien zu trockeneren Monaten als im Mittel kommt.
Das (vorläufige) Fazit lautet also: Treffen die Prognosen der Institute zu, wird es erneut deutlich wärmer als die Norm. Und langsam aber sicher zeigt sich: Deutlich wärmer als die Norm ist die neue Norm. Aber: Es wird wohl nicht ganz so heiss und vor allem nicht so trocken wie im letzten Jahr.
Ich schliesse daraus: Das gibt ein Nullsummen-Spiel!