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Wie wird der Sommer 2023? Die Prognosen zu Temperatur und Niederschlag

Heiss oder kühl? Nass oder trocken? Das sagen die Trends für den Sommer 2023

Noch dominieren in der Schweiz kühle Temperaturen und der viele Regen. Gleichzeitig wird bereits eifrig auf Prognosen geschielt und es fragt sich: Wann kommt der Sommer? Und wenn er kommt – wie wird er in diesem Jahr? Wir blicken auf die ersten Trends.
21.05.2023, 12:0121.05.2023, 14:24
Lara Knuchel
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Der Sommer 2021 ging als Regensommer in die Geschichte ein; es kam verbreitet zu Rekordhochwasser und Überschwemmungen. Das umgekehrte Szenario präsentierte sich uns ein Jahr später, als ein Hitzerekord den nächsten jagte und viele Flüsse förmlich austrockneten.

Extreme, wie sie in den letzten zwei Jahren aufeinanderfolgten, werden durch den Klimawandel immer häufiger. Sie lassen uns ausserdem im Vorfeld des Sommers oder der Wintersaison noch stärker darüber rätseln, was uns wohl erwartet. Wir wagen auch aus diesem Grund einen Blick auf die Trends der wichtigsten Forschungs- und Wetterinstitute und darauf, was sie für den Sommer in der Schweiz, aber auch in Europa und weltweit bedeuten könnten.

Die Modelle

Wirklich genau sind Wetterprognosen nur für die jeweils kommenden Tage. Dennoch gibt es Modelle, die versuchen, Prognosen über Monate hinweg zu erstellen. Ihre Basis sind weniger aktuelle Wetterereignisse als vielmehr grössere klimatische Veränderungen.

Solche langfristigen Wetterprognosen werden zwar immer besser, so haben sie beispielsweise den Hitzesommer im letzten Jahr ziemlich präzise vorausgesagt. Ihre Ungenauigkeit und die vielen Unsicherheiten bei solch langen Zeitabständen dürfen aber trotzdem nicht unterschätzt werden.

Als Grundlage langfristiger Prognosen dienen den Modellen zahlreiche Variablen innerhalb eines extrem komplexen Systems, darunter die Position und Bewegung des Jetstreams sowie verschiedene Luftdrucksysteme. Ausserdem entscheidend ist – zwar kaum für die Schweiz und Europa – die sogenannte ENSO, die El Niño-Southern Oscillation. Sie beschreibt das komplexe System im südlichen Pazifik, das sich in unregelmässigen Ausprägungen der Ozeantemperaturen und der Windsysteme äussert.

El Niño und La Niña
Das El-Niño-Phänomen ist quasi das Gegenstück zu La Niña. Beide beschreiben, vereinfacht gesagt, eine globale Klima-Ausprägung, die sich an gewissen Orten wesentlich auf das Wettergeschehen auswirken kann. Während El Niño ist das Wasser im östlichen tropischen Pazifik wärmer und das Wasser im westlichen tropischen Pazifik kühler als normalerweise. Ausserdem verändern sich dabei die grossflächigen Luftdruckverhältnisse und als Folge schwächen sich die Passatwinde ab. Die Folgen davon: Es kommt zu mehr Niederschlag als gewöhnlich im Westen Südamerikas, teils bis hinauf in die USA – und weniger Niederschlag, Trockenheit und Hitze in Süd- und Ostasien sowie in Australien.

Von El Niño spricht man konkret, wenn das Oberflächenwasser im zentralen Pazifik für drei aufeinanderfolgende Monate im Durchschnitt 0,5 Grad über dem langjährigen Mittel liegt. Auch die globalen Temperaturen sind während den El-Niño-Ereignissen tendenziell höher als im Durchschnitt und tiefer während La Niña. Dennoch: Wie und warum genau El Niño zustande kommt, ist noch immer unklar.

2023 ist mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Übergangsjahr, in dem die vergangene – überdurchschnittlich lange – La-Niña-Phase von einem sich bereits abzeichnenden El-Niño-Ereignis abgelöst wird.

Die Wetter-Institute

Institute wie die National Centers for Environmental Prediction (NCEP) aus den USA erstellen mittel- bis langfristige Prognosen für den Niederschlag, die Druckverteilung und die Temperaturen. In Europa gilt das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) als die beste Anlaufstelle für Prognosen, die etwas ferner in der Zukunft liegen. Aber auch der deutsche Wetterdienst oder das französische Pendant, Méteo France, ermitteln längerfristige Trends.

Temperaturen

Im Fokus ist folgend die Prognosenperiode zwischen Juni und August, der Periode des meteorologischen Sommers und der höchsten Temperaturen des Jahres.

Wegen der klimawandelbedingten Erderwärmung ist es wenig überraschend, dass die Modelle sowohl für Europa als auch für die Schweiz von höheren Temperaturen als der Norm – als Norm gelten hier die Jahre 1993 bis 2016 – ausgehen. Insbesondere für Zentral- und Südeuropa ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die durchschnittliche Temperatur im Sommer im obersten Drittel der Jahre zuvor zu liegen kommt.

Wahrscheinlichkeit für Temperaturkategorien während den Sommermonaten

Mittelfristige Prognosen, Europa, Temperaturen Juni/Juli/August 2023
Die Grafik beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass die Temperaturen in den Sommermonaten Juni, Juli und August innerhalb des unteren Drittels, respektive des oberen Drittels der Periode 1993–2016 zu liegen kommen. Die Grafik resultiert aus den Ergebnissen mehrerer Forschungsinstitute. Bild: climate.copernicus.eu

Folgende Karte zeigt die Abweichung der prognostizierten Temperaturen in Grad Celsius. Für die meisten Regionen gehen die Modelle davon aus, dass es zwischen 0,5 und einem Grad wärmer wird als die Norm. Allerdings: Sowohl das Mittel der Anomalien als auch die Wahrscheinlichkeiten sind in den meisten Regionen niedriger als in der Vorhersage vom Mai 2022 für den europäischen Sommer des vergangenen Jahres.

Mittelfristige Prognosen, Europa, Temperaturen Juni/Juli/August 2023
Abweichung in Grad Celsius des Medians der Periode 1993–2016 in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Die Grafik resultiert aus den Ergebnissen mehrerer Forschungsinstitute.Bild: climate.copernicus.eu

Betrachtet man die globalen prognostizierten Temperaturen, dann zeigt sich das kommende El-Niño-Ereignis bereits deutlich: Sowohl die Wasser- als auch die Lufttemperaturen werden gemäss allen Modellen im südöstlichen Pazifik vor der Küste Südamerikas höher sein als in der Norm, während die Temperaturen vor der Westküste der USA oder in und um Australien kaum nach oben ausscheren.

Langfristige Temperatur-Prognosen, Juni/Juli/August 2023, globale Temperaturen
Abweichung in Grad Celsius des Medians der Periode 1993–2016 in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Die Grafik resultiert aus den Ergebnissen mehrerer Forschungsinstitute.Bild: climate.copernicus.eu

Niederschlag

Klar ist: Langfristige Trends dieser Art sind sowohl für Temperaturen als auch für Niederschlagsmengen mit grossen Unsicherheiten behaftet. Dieser Umstand wird entsprechend auch von den Instituten kommuniziert und es ist wichtig, dass solche möglichen Trends nicht mit präzisen, kurzfristigen Wettervorhersagen verglichen werden. Vielmehr geben sie die Wahrscheinlichkeit an, mit der die Modelle von gewissen Ereignissen ausgehen. Diese können dann auch mal bei lediglich 50 oder 60 Prozent liegen, was bedeutet, dass (noch) keine wirklichen Tendenzen zu erkennen sind.

Das gesagt, scheint es bei den Temperaturen dennoch eine etwas grössere Übereinstimmung der Modelle zu geben als bei den Niederschlagsmengen. Letztere unterliegen im Gegensatz zu den Temperaturen zum Beispiel auch keinem langfristigen Trend, was ein Grund für die grösseren Differenzen zwischen den Modellen darstellen könnte.

Prognosen Sommer 2023, Niederschlag in Europa, in Millimeter und als Abweichung der Norm
Abweichung des Niederschlags in Millimeter des Medians der Periode 1993–2016 in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Die Grafik resultiert aus den Ergebnissen mehrerer Forschungsinstitute.Bild: climate.copernicus.eu

Das Modell, das die berechneten Wahrscheinlichkeiten aller Modelle vereint, zeigt wenig Auffälligkeiten bezüglich der Niederschlagsmengen. Sie scheinen in der Tendenz aber eher von knapp überdurchschnittlichen Mengen auszugehen als von zu geringen Mengen. In den gegebenen acht Modellen wird in allen die Wahrscheinlichkeit, dass es in Europa grossflächig zu trocken sein wird, als gering eingestuft.

Die Mehrzahl der Modelle geht eher vom Gegenteil aus: Sechs der acht prognostizieren besonders für West- und Südeuropa grössere Regenmengen als im Mittel. Das trifft vor allem für den Beginn des Sommers, also den Monat Juni, zu. Dazu schreibt das ECMWF aber: «Die vorhergesagten Anomalien sind – in der Mittelwertbetrachtung – gering; in der Realität würden solche Regenmengen keinen signifikanten Unterschied zu möglichen, bereits bestehenden Dürrebedingungen in diesen Regionen machen.»

Wiederum klarer sind die Tendenzen der Modelle auf globaler Ebene. Alle Modelle sagen ein El-Niño-Ereignis voraus, das sich auch in Mustern in puncto Niederschlag äussert: Die Westküste Südamerikas wird demnach stärkeren Regen erfahren, während es in Australien und Indonesien zu trockeneren Monaten als im Mittel kommt.

Das (vorläufige) Fazit lautet also: Treffen die Prognosen der Institute zu, wird es erneut deutlich wärmer als die Norm. Und langsam aber sicher zeigt sich: Deutlich wärmer als die Norm ist die neue Norm. Aber: Es wird wohl nicht ganz so heiss und vor allem nicht so trocken wie im letzten Jahr.

Was El Niño für die globalen Temperaturen bedeuten könnte, erfährst du hier:

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Goldfischzähmer
21.05.2023 12:57registriert Juli 2021
Ich fasse das mal kurz zusammen; wird sind im Klimawandel,es könnte also warm werden,aber vielleicht auch nicht. Wir wissen sicher,dass wir es nicht sicher wissen. Vielleicht regnet es auch vermehrt. Wir warten mal ab. Bitteschön.
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rodolofo
21.05.2023 13:52registriert Februar 2016
Die Sechseläuten-pVerbrennung des Bööggs prognostiziert einen nassen Sommer. Die Wätterschmöcker aus dem dort eingeladenen Gast-Kanton Schwyz prognostizieren einen heissen Sommer.
Ich schliesse daraus: Das gibt ein Nullsummen-Spiel!
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