Der bisher wärmste Oktober seit Messbeginn im Jahr 1864 neigt sich dem Ende zu. Beispielhaft dafür war der letzte Sonntag des Monats, an dem mancherorts bis zu 25 Grad gemessen wurden.
Über das Wetter zu reden, ist in Zeiten der sich anbahnenden Klimakrise jedoch sekundär: Die Auswirkungen der weltweiten Erhitzung lassen sich weniger durch Einzelereignisse, sondern durch eine Gesamtschau erkennen. So gab es auch im letzten Jahrhundert Sommertage mit Hitzetemperaturen von über 35 Grad, was insbesondere von wissenschaftsleugnenden «Klima-Skeptikern» derzeit zur Verharmlosung der diesjährigen Hitzewellen erwähnt wird.
Der Klimawandel führt jedoch zur Häufung solcher Extremereignisse. Und von diesen gab es im Jahr 2022 viele. Diese Story wurde im Juli zum ersten Mal veröffentlicht und zuletzt Ende Oktober aktualisiert. Die aktuellsten Einträge befinden sich zuoberst.
Im Oktober wurden gleich mehrere Rekorde gebrochen. Im Kanton Jura erreichte das Thermometer zu Monatsende 27,4 Grad, nahe Basel wurden 24 Grad gemessen. Die Einzelmessungen entsprachen dem generellen Monatstrend, wonach die durchschnittlichen Monatswerte 3 bis 4,5 Grad über der Norm von 1991 bis 2020 lagen. Regional bewegte sich die Monatstemperatur rund ein Grad über den bisher höchsten Oktoberwerten.
Auch das sogenannte «landesweite Mittel», welches die Durchschnittstemperatur im Oktober für die ganze Schweiz angeben soll, stieg massiv an – konkret: um 3,7 Grad gegenüber der Norm (1991–2020). Auf Rang zwei liege der Oktober 2001 mit deutlich tieferen 3 Grad über der Norm. Dies verdeutliche das extreme Wetterereignis, so MeteoSchweiz.
Auch in anderen Teilen der Welt präsentierten sich letzte Woche solche Wetterextreme. In weiten Teilen Europas und Nordafrikas wurden ungewöhnlich hohe Temperaturen registriert. So teilte die Weltorganisation für Meteorologie etwa mit, dass in Südspanien bis zu 35 Grad gemessen wurden. In Frankreich lagen die Temperaturen letzte Woche mehr als vier Grad über dem Durchschnitt.
Im Sommer fiel die Nullgradgrenze auf: Sie ist ein ungewöhnlicher Wert, weil sie am schwierigsten im Alltag spontan zu spüren ist. Sie besagt vereinfacht gesagt, auf wie vielen Höhenmetern über Meer es im Mittel null Grad kalt ist. Diese Höhe ist nicht überall gleich und ist – anders als eine Schneefallgrenze – nicht mit dem Auge erkennbar. Die Grösse hilft aber zusammenhängende Faktoren der Wettervorhersage, Biologie und Physik besser einzuordnen. Er wird in der Regel zweimal täglich mit Wetterballons ermittelt.
Hier wurde erst kürzlich ein neuer Rekord erreicht: Am Montag meldete das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) einen Wert von 5184 Metern über Meer, was deutlich über dem höchsten Alpengipfel (Dufourspitze, 4634 m ü. M.) liegt.
Der alte Rekord (5117 Meter) stammt vom 20. Juli 1997, wie MeteoSchweiz und MeteoNews mitteilten. Er ist neben dem diesjährigen Wert die einzige Messung mit einem Wert von über 5000 Metern. Die Nullgradgrenze erreicht im Monat Juli üblicherweise Werte um 4325 Meter über Meer. Der klimatologische Trend zeigt nach oben, wie Daten des Bundes zeigen.
Zurück zu den Einzelereignissen: Im letzten Monat wurde in der Schweiz die höchste je gemessene Juni-Temperatur registriert. Am 19. Juli stieg das Thermometer in Beznau AG auf 36,9 Grad. Das entspricht zwar genau dem bisherigen Rekord aus dem Jahr 1947, als es Ende Juni gleich heiss wurde, womit der historische Spitzenwert «egalisiert» wurde.
An übrigen Messstandorten purzelten jedoch gleich mehrere Juni-Rekorde, so etwa in Neuchâtel, Sion oder Buchs AG. All diese Werte stammten aus der Hitzewelle während der Monatsmitte, die auch eine historische Besonderheit hatte: Sie lieferte eine der frühesten Hitzeperioden eines Jahres, nachdem es bereits im Mai 2022 mehrere besonders heisse Tage gegeben hatte.
In der Klimatologie werden solche Hitzewellen mit der sogenannten «Dreitageshitze» gemessen: Solche Ereignisse werden üblicherweise seltener als alle 25 Jahre bereits im Juni erwartet. Ein Blick auf die Daten zeigt jedoch, dass sich auch hier die Klimaerwärmung spürbar macht, auch wenn die diesjährigen Hitzedreitagesperioden im Schnitt noch keinen Rekord darstellen.
Einen Monat davor gab es einen Rekord bei den Sommertagen: Der Mai begann zwar wechselhaft, in der zweiten Monatshälfte dominierte aber das sonnige Wetter. Dies führte nicht nur zu einer ersten Hitzeperiode, sondern auch generell zu weitverbreiteten Tageshöchstwerten von 25 Grad und mehr, womit ein Tag als sogenannter «Sommertag» gezählt wird.
Monats-Spitzenwerte gab es hier in Genf mit 15 Sommertagen (alter Rekord: 2011 mit 14 Tagen) und in Locarno mit 16 (zuvor: 1986 mit 13 Tagen). So sonnig war der Mai seit über 75 Jahren nicht mehr.
Die vielen Sonnenstunden trieb auch die Temperaturen in die Höhe. Am 20. Mai 2022 wurden in Bad Ragaz SG heisse 33,7 Grad gemessen, was ein neuer Tageshöchstwert seit 1953 (32,6 Grad) ist. Die Rekorde purzelten auch in den Bergen: Auf dem Grossen St. Bernhard wurden am 22. Mai 16,4 Grad gemessen – der letzte Mai-Rekord stammte aus dem Jahr 1868 und lag bei 14,8 Grad.
Auch der Frühling lieferte Rekordwerte, namentlich beim Niederschlag. In den zentralen und östlichen Landesteilen erreichten mehrere Standorte die geringste oder zweitgeringste Niederschlagssumme im Monat März – und in der gesamten 100-jährigen Messreihengeschichte, wie MeteoSchweiz schreibt. Gebietsweise lagen vergleichbare trockene Monate über 50 Jahre zurück.
Die Klimatologinnen und Meteorologen des Bundes stellten dies mit den Messwerten in Lachen SZ dar: In der Linthebene wurde mit 19,4 mm Niederschlag noch nie ein so trockener Monat Mai seit 1883 gemessen.
Darunter und unter den darauffolgenden Wetterentwicklungen leiden dieses Jahr insbesondere die Gletscher, wie watson Mitte Juni schrieb: Sie schmelzen nicht nur wegen höheren Temperaturen im Sommer, ihnen fehlt auch der übliche Niederschlag im Winter und Frühling, um sich zu regenerieren.
Wettervorhersagen für einen längeren Zeitraum in der Zukunft gelten als unseriös. Wieso das so ist, erklärte watson in einer Hintergrund-Story über die Gewitterprognose: Die meteorologischen Faktoren sind – mathematisch gesprochen – zu chaotisch, um sie mit grosser Zuverlässigkeit modellieren zu können. Das gilt insbesondere bei «Gewittersituationen».
Das wissen auch seriöse Meteorologinnen und Meteorologen. MeteoSchweiz beliefert die Bevölkerung deshalb nur mit Trendaussichten: Sie sollen nicht aufzeigen, ob es in einem bestimmten Monat −10 oder 40 Grad sein wird, sondern nur, auf was man sich mit grosser Sicherheit einstellen kann. Sprich: Was gemäss mehreren Wettermodellen im Vergleich zur historischen Erfahrung als besonders wahrscheinlich erscheint.
Für die ersten beiden November-Wochen heisst es dort: Es wird mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit wärmer als im langjährigen Schnitt.
Das klingt eigentlich angenehm mild – es handelt sich dabei aber um den Mittelwert: Darin eingerechnet sind Tages- und Nachttemperaturen im Zeitraum einer ganzen Woche.
Naiv betrachtet könnte man vermuten, dass das Jahr mit all diesen Rekorden bloss einen Einzelfall darstellt. Der Vergleich mit der Historie zeigt jedoch eindeutig auf, dass die Zeit der sogenannt «natürlichen Schwankungen» vorbei ist: Solche gab es in der vorindustriellen Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der Trend zeigt jedoch seit über 100 Jahren bloss in eine Richtung: Es wird wärmer und wärmer – verursacht durch die Treibhausgasemissionen.
Diesen Treibhauseffekt erkannten namhafte Klimaforschende schon vor über einem Jahrhundert – im Fall des Physikers Jean Baptiste Fourier sogar vor bald 200 Jahren (passend dazu: Klimawandel erklärt: Wie hängen Treibhauseffekt, Golfstrom und Erderwärmung zusammen?). Solche wissenschaftliche Erkenntnisse wurden aber in der modernen Geschichte der Menschheit regelmässig geleugnet oder nicht berücksichtigt, um das verändernde Wettergeschehen zu deuten.
"Das gabs schon immer!"
"Alles nur linke Hysterie"
"Ich lebe gerne in wärmeren Zeiten!"
"Lasst uns die Steuern senken!-
Und ja. Wer SVP wählt, wählt Klimakatastrophe.