Von Überschwemmungen über die Häufung von Dürreperioden bis hin zu extremen Hitzewellen – mittlerweile können zahlreiche Ereignisse mit dem menschengemachten Klimawandel in Verbindung gebracht werden. Die Wissenschaft betont jetzt, dass man etwas ganz genau im Auge behalten sollte: die Energiebilanz der Erde. Denn sie liefert nun Erklärungen für alle diese Phänomene.
Bereits vor einem Jahr zeigte eine neue Studie nämlich: Die Erde speichert jährlich mehr als doppelt so viel Energie wie noch vor 15 Jahren. Das bedeutet, «überschüssige» Energie bleibt einfach bei uns in der Atmosphäre. Was aber passiert damit? Forscher liefern jetzt neue Einsichten – und zeigen, dass der Temperaturanstieg an Land nur ein winziger Teil der direkten Folgen ist. Vier Fragen und Antworten zu den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Das Energiegleichgewicht der Erde beschreibt den Input sowie den Output der Energie, die durch die Sonne in unsere Atmosphäre gelangt – und im Normalfall wieder abgestrahlt wird.
Das Klima unserer Erde hängt zu grossen Teilen davon ab, wie viel Wärmestrahlung der Sonne (kurzwellige Strahlung) in die Atmosphäre eindringt und wie viel thermische (langwellige) Strahlung wieder abgegeben wird. Wird weniger Energie abgegeben als aufgenommen, entsteht ein positives Energieungleichgewicht.
Wie eine Studie 2021 schätzte, hat sich dieses positive Ungleichgewicht zwischen 2005 und 2019 verdoppelt. Das heisst: Die Energiemenge, welche die Erde jährlich dazugewinnt, war 2019 doppelt so hoch wie 2005. Wissenschaftler sprechen von einem «beispiellosen Anstieg», der ungebremst weitere, deutliche Klimaveränderungen zur Folge haben dürfte.
«Das Netto-Energieungleichgewicht wird berechnet, indem man betrachtet, wie viel Wärme der Sonne von der Erde absorbiert wird und wie viel in den Weltraum zurückgestrahlt werden kann», erklärt nun der Atmosphärenforscher Kevin Trenberth vom National Centre for Atmospheric Research.
Allerdings ist es noch nicht möglich, dieses Ungleichgewicht direkt zu messen. Dafür gibt es bislang viele Schätzungen, deren Genauigkeit aber umstritten ist. «Der einzige praktikable Weg, die Energie zu schätzen, ist eine Bestandsaufnahme der Energieveränderungen», so Trenberth.
Diese Bestandsaufnahme wurde nun publiziert. Sie zeigt, wo eigentlich die überschüssige Energie hingeht – und was dadurch ausgelöst wird. Die wichtigste Aussage dabei: Die Verhinderung der globalen Erwärmung hängt massgeblich vom Verständnis dieses Energieungleichgewichts der Erde ab.
Kevin Trenberth hat zusammen mit dem Klimawissenschaftler Lijing Cheng die Daten aller Komponenten des Klimasystems – Land, Eis, Ozean und Atmosphäre – zwischen 2000 und 2019 untersucht, um eine Bestandsaufnahme der erwähnten Energieveränderungen vorzunehmen. Danach verglichen sie diese mit der Strahlung auf der Oberseite der Erdatmosphäre, um das Ungleichgewicht zu finden.
Die Erdatmosphäre reflektiert fast einen Viertel der auf sie auftreffenden Energie – ganz im Gegensatz zum Mond, der die gesamte Sonnenenergie aufnimmt, was zu Oberflächentemperaturen von etwa 100 Grad führt. Der grösste Teil dieser Energie wird dann vom Mond absorbiert und als thermische Infrarotstrahlung, besser bekannt als Wärme, in den Weltraum zurückgestrahlt.
Bei uns unterscheidet sich dieser Prozess durch die Atmosphäre. Einige Moleküle fangen hier die Wärme auf, bevor sie in den Weltraum gelangt, und halten sie fest. Es sind die Treibhausgase, die unseren Planeten nun mit einer Art Decke umhüllen – und zusätzliche Energie in unserem System einschliessen.
«Es ist von entscheidender Bedeutung, den Nettoenergiegewinn zu verstehen und zu wissen, wie viel und wohin die Wärme innerhalb des Erdsystems umverteilt wird», schreiben die Forscher. «Wie viel Wärme könnte dorthin verlagert werden, wo sie durch Strahlung von der Erde abgeführt werden kann, um die Erwärmung zu begrenzen?»
Während sich vieles auf den Temperaturanstieg konzentriert, ist dies nur ein Produkt dieser zusätzlichen Energie, wie die Forscher herausfanden. Denn:
Die Hauptgründe für diese Verteilung der überschüssigen Wärme liegen in der Wärmekapazität dieser Komponenten des Klimasystems. Die Wassermassen auf unserem Planeten können sehr viel mehr Energie speichern als zum Beispiel die Atmosphäre.
Die grosse Absorbierung der Energie durch die Ozeane hat zur Folge, dass sich diese stark erwärmen. Durch die Wärme dehnen sich die Ozeane aus. Dieses Ausdehnen – alleine durch die höhere Temperatur – ist zu über 40 Prozent für den Anstieg der Weltmeere verantwortlich. Die restlichen 60 Prozent sind auf die Eisschmelze zurückzuführen.
Im Jahr 2021 waren die Ozeane denn auch so warm wie noch nie zuvor. Diese Erwärmung hat massive Auswirkungen auf das Ökosystem in den Weltmeeren. So nehmen beispielsweise sogenannte Meeres-Hitzewellen zu.
Diese Hitzewellen haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Meeresleben, vom winzigen Plankton bis hin zu Fischen, Meeressäugern und Seevögeln. Ausserdem führen sie zu mehr Aktivität in der Atmosphäre – heisst: mehr Hurrikans.
Neben Hurrikans nehmen durch die überschüssige Energie auch andere extreme Wetterereignisse zu: Starke Regenfälle und Überschwemmungen, Wirbelstürme, Dürren, Hitzewellen und Waldbrände werden sowohl häufiger als auch extremer in ihrer Intensität.
Allerdings: Die erhöhten atmosphärischen Turbulenzen können auch hilfreich sein. «Diese Wetterereignisse bewegen Energie und helfen dem Klimasystem, Energie loszuwerden, indem sie Richtung Weltraum abgestrahlt wird», erklären die Forscher.
Auch Wolken und Eis würden dazu beitragen, die Sonnenstrahlung zu reflektieren, bevor sie zu langwelliger Wärme wird, die von den Gasen aufgefangen wird. Aber sowohl die reflektierenden Wolken als auch das Eis werden durch Störungen in diesem Energiekreislauf – und dem dadurch erfolgenden Klimawandel – verringert.
Laut Trenberth und Cheng fehlen noch zu viele Informationen für ein umfassendes Erdsystemmodell, das bestimmte Ergebnisse über die kurze Frist hinaus genau vorhersagt. Durch die Einbeziehung ihres Modells für das Energieungleichgewicht auf der Erde, das jede Komponente des Erdsystems berücksichtigt, sei man aber einen entscheidenden Schritt vorwärtsgekommen.
Die Modellierung des Energieungleichgewichts der Erde bleibt trotzdem eine riesige Herausforderung. Die Beobachtungen und die Konsequenzen, die man daraus zieht, bedürfen noch starker Verbesserung, so die Forscher. Eine gute Modellierung ist jedoch entscheidend dafür, wie gut wir den Klimawandel verstehen – und was wir für seine Bekämpfung tun können.
Solch hohe Temperaturen sind nicht mehr normal.
Höchstens wir Menschen..
aber das ist good news für die Erde..