Schweiz
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Mitarbeiter des EDÖB schiesst auf X gegen Frauen – und verliert den Job

«Hässlich und fett wie die Hölle»: Wie sich ein Bundesangestellter um einen Job twitterte

Mit Polemiken gegen die Bundespolitik und Unflätigkeiten gegen Frauen hat sich ein Mitarbeiter des Eidgenössischen Datenschutzes die Kündigung eingehandelt. Er ist nicht der einzige Bundesangestellte, der sich in die Schlagzeilen getwittert hat.
26.04.2024, 10:18
Kari Kälin / ch media
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Er weiss, wie man sich auf internationalem Parkett bewegt. Der Jurist mit Anwaltspatent vertrat den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) an internationalen Foren – etwa bei der OECD in Paris oder als Beobachter beim Europäischen Datenschutzausschuss. Gar nicht salonfähig gebärdete er sich in den sozialen Medien.

Twittern, Social Media, Hassnachrichten, iPhone
Unflätige Nachrichten sind schnell getippt – im Falle eines Bundesangestellten führten sie zur Kündigung.Bild: Karl-Josef Hildenbrand/DPA

Im Sommer 2022 entdeckte der Mann mit Teilzeitpensum (sechzig Prozent) auf Twitter (heute X) ein Bild einer korpulenten Frau, die sich in Amerika für das Recht auf Abtreibung stark machte. Sein Kommentar: «Weshalb sind diese ‹Dinger› (Frauen?) hässlich, fett wie die Hölle?» Über eine andere Frau lästerte er:

«Man kann nur hoffen, dass sich diese ‹Dinger› nicht fortpflanzen».

Es war nicht die erste Entgleisung. Auf der Plattform Linkedin bezichtigte er den Bundesrat der Lüge im Zusammenhang mit der Covid-App. Sein oberster Chef, EDÖB-Leiter Adrian Lobsiger, ermahnte ihn darauf im Juni 2020. In einem anderen Post warf der EDÖB-Jurist dem Bundesamt für Gesundheit vor, Leute heimlich zu tracken. Am 7. September 2022 polemisierte er auf Twitter erneut gegen seinen Arbeitgeber, den Bund – dieses Mal wegen des 4-Milliarden-Rettungsschirms für den Stromkonzern Axpo:

«Abzocker retten ist das Ganze.»

«Brandgefährliches» Gendern

Der bereits Gerüffelte musste wissen, dass er sich auf Glatteis begab. Der Verhaltenskodex der Bundesverwaltung war ihm bekannt. Darin heisst es: «Die Angestellten achten auch im Privatleben darauf, den guten Ruf, das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Bundes nicht zu beeinträchtigen.» Intern für Unmut sorgte er tags zuvor, viele Mitarbeitende fühlten sich angegriffen. Der Grund: Der Leiter des Mediendienstes richtete eine Nachricht ans ganze EDÖB-Team mit der Anrede «Werte Kolleg:innen». Der Mann antwortete ihm mit Kopie an alle Mitarbeitenden, er sei keine «Kolleg:innen». Das Gendern habe fragwürdige Wurzeln, in der Demokratie nichts verloren, sei nicht bloss eine dumme Modeerscheinung, sondern brandgefährlich.

«Gendermanie»: mit diesem E-Mail löste der EDÖB-Jurist unter den Mitarbeitenden Verstimmung aus.
«Gendermanie»: mit diesem E-Mail löste der EDÖB-Jurist unter den Mitarbeitenden Verstimmung aus.Bild: Auszug Urteil Bundesverwaltungsgericht

Das Vertrauensverhältnis war definitiv gestört. Per 14. Oktober 2022 erhielt der EDÖB-Mitarbeiter die fristlose Kündigung. Dagegen legte er Rekurs ein. Er wollte wieder angestellt werden oder zumindest einen Jahreslohn als Entschädigung erhalten. Das Bundesgericht hat die Beschwerde am Anfang März dieses Jahres abgelehnt und damit das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Die Richter hielten es für unglaubwürdig, dass die kritisierten frauenverachtenden Tweets von einem Fake-Account unter dem Namen des EDÖB-Mitarbeitenden gepostet worden waren. So hatte sich dieser zu verteidigen versucht.

Erhöhte Treuepflicht

Eine Kündigung ist dann missbräuchlich, wenn jemand ein Grundrecht ausübt. Der EDÖB-Jurist mit Teilzeitpensum machte die Meinungsfreiheit geltend. In seinem Fall findet sie gemäss dem Bundesverwaltungsgericht dort ihre Grenzen, wo das Verhalten die Amtsführung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung beeinträchtigt. Ein Staatsangestellter habe jene Schranken zu respektieren, die seine besondere dienstrechtliche Stellung erfordere. Beim EDÖB-Juristen war das die Führungs- und Repräsentationsfunktion auf internationaler Ebene. Er hatte, wie das Bundesgericht schreibt, eine «besondere Vertrauensposition». Dies begründet eine erhöhte Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Das heisst: Er kann sich in Bezug auf die Meinungsfreiheit weniger erlauben als ein einfacher Bundesangestellter ohne spezielle Funktion.

Für das Bundesgericht wiegt die Summe aller Vorfälle genug schwer für eine fristlose Kündigung. Der EDÖB-Jurist vermittle das Bild eines Angestellten, der sich bei seinen persönlichen Äusserungen aus Rücksicht auf seinen Arbeitgeber nicht zurücknehme. Das Bundesgericht sieht in der Entlassung eine Massnahme, das Ansehen des Bundes zu wahren, «welches bei einer Weiterbeschäftigung zusätzlich gelitten hätte». Denn sonst hätte sich der EDÖB unter anderem dem Vorwurf ausgesetzt, ein verwerfliches Frauenbild zu tolerieren. Die entsprechenden Tweets taxierte das Bundesgericht als am schwerwiegendsten.

Wie viele Bundesangestellte ihren Job verlieren wegen ungebührlicher Aktivitäten in den sozialen Medien, weiss das Eidgenössische Personalamt nicht. Klar ist: Bundesangestellte müssen nicht nur den Verhaltenskodex respektieren. Es gibt auch einen Leitfaden im Umgang mit sozialen Medien mit sieben Regeln. Unter anderem sollen keine Aussagen veröffentlicht werden, welche die Bundesverwaltung schädigen könnten. Und am Arbeitsplatz sollten die Aktivitäten auf den verschiedenen Plattformen auf ein Minimum beschränkt werden.

Linkstwitterer im Finanzdepartement

Daran scheinen sich nicht alle zu halten. Ende Dezember berichtete der «Nebelspalter» über einen Juristen, der im Rechtsdienst des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) arbeitet. Nachdem das Portal dem EFD Fragen zu dessen Verhalten gestellt hatte, löschte er sein Twitterkonto. Der Mann verhielt sich in den sozialen Medien, als wäre er Sprecher der Reitschule, der «Nebelspalter» nannte ihn «Linksextremist». Der EFD-Jurist befürwortet Marxismus und Sozialismus, ebenso die Verstaatlichung von Produktionsmitteln. Die FDP, die Partei seiner obersten Chefin Karin Keller-Sutter, und andere bürgerliche Parteien hingegen findet er ganz schlecht. Den Wassereinbruch im Gotthardtunnel schob er SVP-Bundesrat Albert Rösti in die Schuhe. Im Nahost-Konflikt zeigte er klar Kante gegen Israel.

Ist ein solcher Mitarbeiter in der Bundesverwaltung tragbar? Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nimmt das EFD nicht Stellung zum Einzelfall. Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass der Jurist nach wie vor für die Bundesverwaltung im Einsatz steht. Das EFD teilt mit:

«Er ist weder aufgrund seiner Aufgabe noch seiner hierarchischen Position eine Person von öffentlichem Interesse und untersteht auch keinen höheren Loyalitätsverpflichtungen als andere Bundesangestellte.»

Das bedeutet: Anders als der EDÖB-Jurist unterliegt der Linkstwitterer im EFD keiner erhöhten Treuepflicht – und kann sich deshalb bezüglich der Meinungsäusserungsfreiheit mehr erlauben. Das EFD betont aber: Wenn jemand die Grenzen der zulässigen Meinungsäusserung überschreitet oder die Arbeitszeit für private Aktivitäten missbraucht, reagiert der oder die Vorgesetzte – und trifft unter Umständen Massnahmen. (bzbasel.ch)

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132 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Irrlycht
26.04.2024 11:37registriert September 2018
Wenn das Mitteilungsbedürfnis stärker ist als der Verstand und die Intelligenz kleiner als der Frust. Brandgefährliche Kombi, zum Glück outen sich solche Menschen häufig selber.
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Pummelfee
26.04.2024 11:38registriert Mai 2020
Wie kann man da sicher sein, dass solche Angrstellten ihren Job „nach bestem Wissen und Gewissen“ ausführen? Solche Querulanten möchte ich nicht mit meinen Steuergeldern finanzieren.
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no-Name
26.04.2024 11:15registriert Juli 2018
Genau wegen solche Menschen fällt es mir häufig schwer meine Ansichten zu vertreten.

Ich mag z.B. das Doppelpunktgendern gar nicht. Aber akzeptiere es und suche für meinen persönlichen Schreibfluss und dem Empfansort entsprechend passendere Lösungen, sei es Beidnennung oder Umgehung des generische Maskulins.

Die Kohle für die Axpo verstand ich auch nicht ganz…

Aber mich mit Menschen diesen Schlages (ist offensichtlich auch noch ein Covidiot) auf einer ähnlichen Meinungsebene zu befinden könnte mich aus Trotz von meinen eigentlichen Ansichten abbringen.
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