Das Zürcher Obergericht hat sich am Donnerstag erstmals mit dem Phänomen «Stealthing» befassen müssen, also dem heimlichen Abziehen eines Kondoms. Es sprach dabei einen 21-jährigen Studenten frei, denn beim «Stealthing» gibt es eine Gesetzeslücke.
Die Tat sei «moralisch verwerflich», sagte der Richter bei der Urteilseröffnung. Es gebe keine Zweifel an den Aussagen der Sexualpartnerin. Der Angeklagte habe das Kondom heimlich abgestreift, um mehr Spass zu haben.
Trotzdem konnte der Student den Saal als freier Mann verlassen. Das Obergericht musste den Freispruch der Vorinstanz, des Bezirksgerichtes Bülach, wohl oder übel bestätigen.
Grund dafür ist eine Gesetzeslücke. Das so genannte «Stealthing» ist bis jetzt vom Gesetzgeber gar nicht vorgesehen. Als Vergewaltigung kann es nicht eingestuft werden, weil die Sexualpartnerin ihr Einverständnis zum Sex ja grundsätzlich gab.
Eine Verurteilung wegen Schändung kommt gemäss Obergericht aber ebenfalls nicht in Betracht. Schändung bezeichnet sexuellen Missbrauch von wehrlosen Personen, dazu gehören etwa Schlafende, Bewusstlose oder Menschen mit Behinderungen.
Die 20-jährige Studentin, die den 21-Jährigen angezeigt hatte, war jedoch grundsätzlich zur Abwehr fähig. Und das Nicht-Einhalten von Abmachungen beim Sex ist nicht strafrechtlich erfasst. Das Obergericht sprach den Student deshalb widerwillig nach dem Grundsatz «keine Strafe ohne Gesetz» frei und folgte damit dem Antrag des Rechtsanwaltes.
Ein Nein müsse natürlich ein Nein sein, sagte der Anwalt. Aber nicht jede Handlung sei strafwürdiges Unrecht. «Wenn die Gesellschaft das Gesetz nicht mehr für zeitgemäss hält, muss das Parlament das ändern». Für den Anwalt war die Tat kein sexueller Übergriff, sondern ein «Unfall infolge fehlender Verständigung.»
Der Student betonte während des Prozesses, dass er der Meinung gewesen sei, dass seine Partnerin gewusst habe, dass er das Kondom abgestreift habe. Das Ding sei ihm zu eng gewesen, und sie habe «Fuck me» gesagt, was er als Aufforderung verstanden habe, ohne Kondom in sie einzudringen.
«Fehlende Verständigung» sah der Staatsanwalt hingegen nicht. Die Studentin habe klar und deutlich gesagt, dass sie nur mit Kondom Sex haben wolle. «Sie hatte keine Möglichkeit, das Fehlen des Kondoms zu bemerken. Hier wurde eindeutig eine Absprache verletzt.»
Der Staatsanwalt forderte 14 Monate Freiheitsstrafe bedingt. Das heimliche Abstreifen des Kondoms sei keine Bagatelle. Die Studentin habe wochenlang in der Angst gelebt, sich mit HIV angesteckt zu haben. Sie habe deshalb auch eine HIV-Prophylaxe gemacht.
Der Student hingegen habe keinerlei Empathie gezeigt und sie auch nicht zum Arzt begleitet. Stattdessen habe er versucht, mit unangebrachten Witzen seine Tat kleinzureden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist anzunehmen, dass der Staatsanwalt diese Gesetzeslücke vom Bundesgericht beurteilt haben will.
Vereinbart wurde das verhängnisvolle Stelldichein über die Dating-App Tinder. Nach etwas Alkohol und einer Rückenmassage hatten die beiden Studierenden Sex «quer durch die ganze Wohnung», wie es der Student vor Gericht ausdrückte. Seit diesem Vorfall treffe er aber keine Frauen mehr «nur für Sex», beteuerte der Beschuldigte.
Wenn er wieder mehr Zeit habe, wolle er sich endlich wieder auf sein Jus-Studium konzentrieren. Für den Staatsanwalt eindeutig die falsche Wahl. «Juristerei ist das falsche für Sie», gab er ihm mit auf den Weg. Der Student ist bereits wegen Verkehrs- und Drogendelikten vorbestraft.
Dies ist erst der zweite Fall von «Stealthing», der in der Schweiz vor Gericht landet. Der erste war im Waadtland. Dort entschied das Kantonsgericht als zweite Instanz jedoch anders. Es kam im November 2017 zum Schluss, dass es eine Schändung sei. (sda)
hier sollte noch erwähnt werden, dass ihr im vorhergehenden artikel erwähnt habt, dass "In der Version des Mannes heisst es, dass sie ihm dann das Kondom ausgezogen habe, um ihn oral zu befriedigen. Danach habe sie ihm «fuck me» gesagt, was er als Aufforderung wahrgenommen habe, wieder in sie einzudringen."
Wenn es Aussage gegen Aussage steht, dann kann ich mir vorstellen, dass ein Freispruch gerechtfertigt ist.
Aber so wie es im Artikel steht, wäre der Mann auch freigesprochen worden, wenn er gestanden hätte, dass er absichtlich den Willen der Frau durchbrochen hat. Und das finde ich nicht recht, da müsste die Politik über die Bücher, wenn dazu wirklich kein Gesetz anwendbar ist.