Schweiz
Zürich

Zürcher Gericht verurteilt ehemaligen Entsorgungschef Urs Pauli

Urs Pauli, ehemaliger Direktor der ERZ geht laut eigenen Aussagen mit "zwei weinenden Augen", anlaesslich der Freistellung des Direktors von ERZ Entsorgung und Recycling Zuerich Urs Pauli, a ...
Urs Pauli auf einer Aufnahme vom Mai 2017, Zürich.Bild: KEYSTONE

Er schuf mit städtischen Geldern eine Wohlfühl-Oase samt Emus – jetzt muss Pauli blechen

Der ehemalige Direktor der Stadtzürcher Entsorgungsbetriebe kümmerte sich jahrelang nur wenig um Vorschriften und Gesetze. Das Bezirksgericht hat ihn nun wegen ungetreuer Amtsführung verurteilt.
15.11.2023, 10:2315.11.2023, 14:40
Mehr «Schweiz»

Was ist passiert?

Das Bezirksgericht Zürich hat am Mittwoch den ehemaligen Direktor der Stadtzürcher Entsorgungsbetriebe ERZ verurteilt. Urs Pauli erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 60 Franken.

Das Gericht verurteilte den 65-Jährigen wegen ungetreuer Amtsführung, mehrfacher Urkundenfälschung im Amt und wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung. Der Prozess fand im abgekürzten Verfahren statt, weil Pauli geständig war.

Ab dem Jahr 2015 kamen bei ERZ zahlreiche Unregelmässigkeiten ans Licht. Eine externe Untersuchung zeigte, dass die städtische Entsorgung eine «Parallelwelt mit eigenen Regeln» war.

Pauli galt als Sanierer und holte ERZ zurück in die schwarzen Zahlen. Vom Zürcher Stadtrat wurde er damit mit vollständigem Vertrauen belohnt. Die NZZ beschrieb die Vorgänge damals als «System ERZ», «in welchem lieber gehandelt als gefragt wurde, ein System, in welchem die politischen Verantwortlichen froh waren, dass alles lief».

Wie kam die Sache ans Licht?

Ab dem Jahr 2015 kamen bei Entsorgung & Recycling Zürich (ERZ) zahlreiche Unregelmässigkeiten ans Licht. Eine Untersuchung zeigte, dass die Entsorgungsbetriebe unter Pauli eine «Parallelwelt mit eigenen Regeln» waren, mit teuren Dienstwagen, schwarzen Kassen voller Bargeld und falschen Verbuchungen, mit denen er Kostenüberschreitungen bei Projekten kaschierte.

Was war da mit den Emus?

Das Gebiet eines ehemaligen Klärbeckens wurde vom ERZ unter Paulis Anleitung umfunktioniert. Unter anderem wurde etwa ein Oldtimer-Museum für historische Kehrichtwagen gebaut. Das sah so aus:

Die Oldtimer-Sammlung von ERZ, Entsorgung und Recycling Zuerich, aufgenommen am Montag, 19. Oktober 2020 in Zuerich. Ohne das Wissen der damaligen Vorgesetzten fuehrte der fruehere ERZ-Direktor Urs Pa ...
Ohne das Wissen der damaligen Vorgesetzten führte der frühere ERZ-Direktor Urs Pauli den Betrieb eines Oldtimer-Museums.Bild: KEYSTONE
Die Oldtimer-Sammlung von ERZ, Entsorgung und Recycling Zuerich, aufgenommen am Montag, 19. Oktober 2020 in Zuerich. Ohne das Wissen der damaligen Vorgesetzten fuehrte der fruehere ERZ-Direktor Urs Pa ...
Die rund 15 restaurierten Nutzfahrzeuge werden am 24. Oktober 2020 versteigert.Bild: KEYSTONE

Doch damit nicht genug: Das Klärbecken wurde saniert und eine Wohlfühloase für die ERZ-Mitarbeiter geschaffen. Liegestühle und Freiluft-Sitzungszimmer inklusive.

So sah das dann aus: Wohlfühloase für die ERZ-Mitarbeitenden – (unwissentlich) bezahlt von der Stadt.
So sah das dann aus: Wohlfühloase für die ERZ-Mitarbeitenden – (unwissentlich) bezahlt von der Stadt.Bild: zvg / ch media
Bild
bild: zvg / ch media

Doch es kommt noch mehr: Pauli liess auf dem Gelände des stillgelegten Klärwerks in Opfikon ein Gehege für Vögel bauen. Darin wurden Emus angesiedelt.

Im Jahr 2017 wurde Pauli vom Stadtrat fristlos entlassen. Eine Stelle fand er danach nicht mehr.

Wie war das möglich?

Möglich wurde diese «Parallelwelt mit eigenen Regeln» vor allem deshalb, weil er das volle Vertrauen des Stadtrats genoss. Über längere Zeit drückten mehrere Politikerinnen und Politiker beide Augen zu, weil Pauli die einst defizitären Abteilungen finanziell sanierte und Projekte rasch über die Bühne brachte.

Das Nachsehen hatten die Stadtzürcher Einwohnerinnen und Einwohner, die über Jahre zu hohe Wasser- und Kehrichtgebühren zahlten. Die Stadt korrigierte die Gebühren nach Paulis Abgang wieder nach unten.

Ist die ERZ-Affäre damit abgehakt?

Nein, juristisch ist die ERZ-Affäre auch nach der Verurteilung Paulis noch nicht zu Ende. Weiterhin pendent ist ein Verfahren gegen einen ehemaligen ERZ-Projektleiter und einen privaten Unternehmer wegen passiver beziehungsweise aktiver Bestechung.

Ein ehemaliges ERZ-Geschäftsleitungsmitglied sowie zwei weitere Kadermitarbeiter wurden bereits Mitte 2020 und im April 2023 per Strafbefehl verurteilt, wegen mehrfacher Urkundenfälschung respektive ungetreuer Geschäftsbesorgung. Mehrere weitere Verfahren wurden jedoch eingestellt, so auch jenes gegen Paulis Vorgänger.

Noch hängig ist zudem der Rechtsstreit, bei dem die Stadt Zürich das Geld für die illegalen Dienstwagen zurückfordert.

(jaw/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
107 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
der/die Waldpropaganda
15.11.2023 12:18registriert September 2018
Also ich sehe nirgends, dass er sich selber bereichert hat, sondern lediglich das Umfeld für die Mitarbeiter. Finde ich toll, auch das Automuseum, es ist ja sogar spezifisch. Lediglich die EMUs sind ein bisschen zu viel 😅. Aber abgesehn von der herangehensweise, Nice Sache :D
29948
Melden
Zum Kommentar
avatar
Allkreis
15.11.2023 11:05registriert Januar 2020
Und wieso hat das niemand früher bemerkt? Wenn solche Leute erst nach dem erstellen eines Zoos für Emus verurteilt werden, sind für andere Kantonsstellen ebenfalls Verurteilungen nötig!
19613
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bob Dalyn
15.11.2023 12:11registriert März 2017
Herr Pauli ist nicht der einzige Direktor eines städtischen Verwaltungsbetriebes, der sehr innovativ gehandelt und in erster Linie für die Mitarbeitenden gesorgt hat. Persönliche Bereicherung stand nicht im Vordergrund. In der Privatwirtschaft sind diese Leute begehrt in der Verwaltung straucheln sie vielfach über Bürokratie und teils hemmende Vorschriften. Schwarze Konten heisse ich dennoch nicht gut.
19230
Melden
Zum Kommentar
107
Bund will weniger Fluglärm in der Nacht am Flughafen Zürich

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt hat Massnahmen ausgearbeitet, die zu einer nächtlichen Lärmreduktion am Flughafen Zürich führen sollen. So sollen etwa laute Langstreckenflüge, die nach 23 Uhr starten, deutlich höhere Gebühren bezahlen.

Zur Story