Um ein so Aufsehen erregendes, wie untypisches Tötungsdelikt geht es heute am Bezirksgericht Horgen am linken Zürichseeufer. Zwei junge Frauen werden beschuldigt, eine 88-jährige Bewohnerin eines Alterszentrums in Kilchberg (ZH) getötet und beraubt zu haben.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 2013 drangen die heute 30-jährige Pflegefachfrau und eine 26-jährige Verkäuferin als Komplizin in das Zimmer der betagten Heimbewohnerin ein, um dort Schmuck, Bargeld und Wertgegenstände zu entwenden.
Genau zwei Jahre danach stehen nun die Beschuldigten vor Gericht.
Die Pflegefachfrau ist neben dem Tötungsdelikt auch mehrerer Diebstähle beschuldigt: Fünf mal soll sie im Alterszentrum in Kilchberg, zwei mal in einem Alterszentrum im Kanton Luzern Bewohnerinnen bestohlen haben. In den beiden Alterszentren war sie als Pflegefachfrau angestellt.
Ihre jüngere Kollegin arbeitete nicht in den Alterseinrichtungen. Sie beteiligte sich gemäss Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nur an der Tat in jener Novembernacht.
Wie aus der Anklageschrift hervorgeht, handelte das Duo gezielt und geplant und bereitete sich umsichtig auf die Raubtat vor. Die Pflegefachfrau beschaffte sich einen Passepartout-Schlüssel, sie fuhr in ein anderes Dorf und kaufte dort in einer Apotheke Salmiakgeist in einer Konzentration von 12 Prozent. Über Eigenschaften und Wirkung dieses Gifts der Klasse 3 hatten sich die beiden Freundinnen zuvor via Internet informiert.
Gemäss Schilderung der Anklage zogen sich die zwei Frauen vor der Tat dunkle Kleider an und steckten Einweg-Handschuhe ein, um Fingerabdrücke zu verhindern. Etwa um 1 Uhr nachts öffneten sie mit dem Passepartout die Wohnungstür der alten Frau und schlichen ins Schlafzimmer.
Dort tränkten sie ein Tuch mit Salmiakgeist. Die Verkäuferin drückte es der schlafenden Rentnerin minutenlang aufs Gesicht, während die Pflegefachfrau das Opfer festhielt.
In der Wohnung fanden sie rund 3000 Franken Bargeld, eine teure Armbanduhr, mehrere teils mit Brillanten besetzte Weissgold-Schmuckstücke und eine Bankkarte. Mit der Beute verliessen die Wohnung.
Staatsanwalt Matthias Stammbach wirft den beiden Beschuldigten nicht nur vor, aus Habgier gehandelt und den Tod der betagten Frau zumindest in Kauf genommen zu haben. Er macht zudem besondere Skrupellosigkeit geltend – eine Voraussetzung für die Qualifizierung des Tötungsdelikts als Mord.
Das Opfer habe ahnungslos geschlafen, sei alt und gebrechlich gewesen. Dass die Frau zudem an einer schweren Lungenkrankheit litt, sei zumindest für die Pflegefachfrau am Sauerstoffgerät im Schlafzimmer ohne weiteres erkennbar gewesen.
Welches Strafmass der Staatsanwalt für die beiden Frauen, beides Schweizerinnen, fordert, ist noch offen. Er wird seine Anträge in der Hauptverhandlung vor Bezirksgericht stellen. Das Strafgesetzbuch sieht für Mord eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bis lebenslänglich vor. Für vorsätzliche Tötung liegt die Minimalstrafe bei fünf Jahren. (sda)