Schweiz
Zürich

Zürcher Gemeinderat lehnt Initiative «Tschüss Genderstern» ab

Der Genderstern wird bei der Stadt Zürich nicht verboten

Die SVP wollte in der Stadt Zürich mit einer Initiative die Verwendung des Gendersterns in amtlichen Dokumenten verbieten. Der Gemeinderat hat das Begehren nun abgelehnt.
22.08.2024, 01:1922.08.2024, 05:12
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Die Volksinitiative «Tschüss Genderstern» hat am Mittwochabend im Zürcher Gemeinderat zu wenige Unterstützer*innen gefunden: Das 125 Mitglieder umfassende Gremium empfiehlt den Stimmberechtigen mit 68 zu 44 Stimmen deren Ablehnung an der Urne.

Genderstern
Reizthema: Die Verwendung des Gendersterns sorgt immer wieder für Diskussionen.Bild: imago

Die Initiative aus den Reihen der SVP verlangt konkret eine Änderung der Gemeindeordnung: Die städtischen Behörden sollen eine klare, verständliche und lesbare Sprache verwenden und auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichten.

Die Stadt Zürich hatte ihr seit 1994 bestehendes Reglement über die sprachliche Gleichstellung im Jahr 2022 aktualisiert. Dabei wurde das zuvor erlaubte Binnen-I in den «MitarbeiterInnen» wieder gestrichen. Dafür darf seither bei Bedarf entweder «Mitarbeitende» oder «Mitarbeiter*innen» verwendet werden.

«Was ist ein Bäuer?»

Texte mit Genderstern seien für Personen mit Migrationshintergrund, die Deutsch als Fremdsprache lernen, schwer verständlich, kritisiert nun das Initiativkomitee. Zudem schaffe dieser Stern auch falsche Formen, sagte Stefan Urech (SVP) in der Ratsdebatte. Er verwies auf Begriffe wie «Bäuer*innen» und «Ärzt*innen». Und er fragte: «Was ist ein Bäuer? Was ein Ärzt?»

Auch die FDP brachte Vorbehalte an: Dieses Sprachdiktat führe zu einer unverständlichen, unklaren Sprache und damit zu Missverständnissen, sagte Yasmine Bourgeois. Zudem mache ein Sternli die Welt nicht besser – es komme auf Haltung und Werte an.

Die Freisinnigen stellten sich aber nicht restlos überzeugt hinter die «Tschüss Genderstern»-Initiative: «Wir wollen weder ein Verbot noch einen Zwang.» Ein entsprechender Antrag erschien aber im Rat chancenlos, weshalb die FDP doch die SVP-Initiative unterstützte.

Kaum negative Rückmeldungen

Der Zürcher Stadtrat sprach sich klar gegen die Initiative aus. Er wies auf «relative Anwendungsschwierigkeiten bei der Umsetzung» hin. Denn als Sonderzeichen, die innerhalb eines Wortes verboten sein sollen, gelte nicht nur ein (Gender-)Stern, sondern auch Binde- oder Trennstriche oder Diakritika wie «ï», «ç» oder «ž».

Es seien seitens Bevölkerung und Mitarbeitenden auch nur wenige negative Rückmeldungen zum revidierten Reglement eingegangen, schrieb er in seinem Antrag weiter. Und es sei kein Fall bekannt, bei dem ein Text wegen eines «*» nicht korrekt verstanden worden sei.

Mit dem bewussten Erlauben des Gendersterns zeige die Verwaltung, «dass sie non-binäre und trans Menschen wahrnimmt und respektiert», sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP). Das Reglement gelte nur für die behördliche Kommunikation. Die Zürcher Bevölkerung, die Unternehmen oder die gesprochene Sprache seien davon nicht betroffen.

Erinnerungen ans «Fräulein»

Die Mehrheit des Gemeinderates sah es ähnlich wie der Stadtrat. Die Sprache soll alle inkludieren, sagte Urs Riklin (Grüne). Eine Sprache, die alle einschliesse, schade niemandem, ergänzte Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne).

Dass ein Kulturkampf um den kleinen Stern geführt werde, verstand auch die GLP mit ihrer «progressiven Vorstellung der Gesellschaft» nicht, wie Ann-Catherine Nabholz sagte. Die Sprache wandle sich, das «Fräulein» habe doch auch problemlos überwunden werden können.

Dass «typografische Zeichen für eine trans-inklusive Sprache längst im Alltag angekommen sind», hielt auch Corine Mauch fest. Sie zählte etwa Stelleninserate und Werbung auf. «Sprache ist etwas Lebendiges, sie entwickelt sich mit unserer Gesellschaft weiter.»

Für die Initiative sprachen sich nach einer rund anderthalbstündigen Debatte in der Schlussabstimmung die Fraktionen von FDP, SVP und Mitte/EVP aus. Jene von SP, Grüne, GLP und AL lehnten sie ab. Der Abstimmungstermin ist noch nicht bekannt. (sda)

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148 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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In vino veritas
22.08.2024 06:12registriert August 2018
Abwarten...

Ich habe das vage Gefühl, dass sich das Volk anders dazu äussern könnte als es unseren Weltverbessern lieb ist.
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FrankUnderwood
22.08.2024 06:10registriert Mai 2022
Die Sprachregelung bleibt vorerst, da sich die Stadtzürcher Stimmberechtigten ja an der Urne noch äussern können. Ein finaler Entscheid ist somit, nicht wie der Titel fälschlicherweise vermittelt, noch nicht gefallen.
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Roomba Hafen
22.08.2024 06:53registriert August 2024
Ich hoffe die SVP macht das zur nationalen Initiative. Das Gendern gehört auf nationaler Ebene verboten.
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