Wer mit dem Velo im Industriequartier der Stadt Zürich von West nach Ost fahren wollte, wird sich in den kommenden Tagen je nach Gewohnheit einen neuen Weg suchen müssen: Die beliebte Veloroute auf der Neugasse entlang der Josefwiese im Kreis 5 soll künftig ein reiner Fussweg werden. Der Radverkehr, bislang offiziell nur geduldet, soll verboten werden.
Verantwortlich dafür ist nicht etwa die Stadt oder der Kanton, sondern offiziell die SBB: Ihr gehört laut Grundbuch nicht nur das Grundstück mit den Wohnhäusern, sondern auch der Abschnitt der Neugasse entlang der Josefwiese. Entschieden wurde die Einschränkung der Privatstrasse nicht in der Firmenzentrale, sondern durch die Eisenbahnergenossenschaft Dreispitz (EBG), welche die Bundesbahnen vertreten.
Der Entscheid überrascht, da der Weg über mehrere Jahre hinweg rege von Velofahrenden genutzt und für manche zur täglichen Gewohnheit wurde. Der Strassenabschnitt wurde zudem im Frühjahr 2021 als sogenannte «Velovorzugsroute» in den städtischen Richtplan aufgenommen und im November darauf mit 57,4 Prozent Ja-Stimmen vom Volk angenommen.
Die Umsetzung des Volksentscheides wird nun zumindest an der Josefwiese verunmöglicht. Zu tun hat das mit einem jahrelangen Konflikt zwischen der Stadtverwaltung und den Anwohnern, der diese Woche vollends eskaliert ist. Im Raum stehen Vorwürfe, Ängste und Frustration – vor allem aber auch die Sorge um die eigene Sicherheit.
Das Problem ist schon lange bekannt: Der Weg entlang der Josefwiese ist nur gerade mal 3,4 Meter breit und wird von Fussgängerinnen und Velofahrern genutzt. In der Fachsprache ist es ein klassischer «Mischverkehr», bei dem Konflikte so sicher sind wie das Amen in der Kirche: Spaziergänger werden von jenen auf den Velos weg geklingelt, Radfahrerinnen müssen sich zudem auf Kleinkinder gefasst machen, die von der Spielwiese auf den Weg rennen.
Geschichten von Unfällen gibt es viele, wie eine kurze Umfrage vor Ort zeigt. Die Polizei zählte zwar in den vergangenen Jahren nur drei Unfälle. Die offiziellen Zahlen bilden aber die Realität nicht ab, da nicht jeder Unfall – selbst, wenn jemand verletzt wird – erfasst werden muss. Martin Bräm, zuständig für die Hauswartung der Wohnhäuser entlang des Wegs, sagt aber: «Ich kann eine Reihe von Unfällen aufzählen. Mal traf es einen Gärtner, dann ein Kind. Bei den älteren Bewohnerinnen und Bewohnern herrscht wirklich eine Sorge, dass es auch sie treffen könnte.»
Bräm erzählt, dass das Thema ein Dauerbrenner sei. Er habe sich deshalb die Sache genauer angeschaut, als er die Hauswartung übernahm. «Das Grundbuch zeigt unmissverständlich auf, dass die Strasse Privatgrundstück ist und nur ein Fusswegrecht besteht», erzählt er. Im Bodenrecht sind solche Konstellationen nicht ungewöhnlich: Es kommt regelmässig vor, dass der Öffentlichkeit der Durchgang auf einem Privatgrundstück gewährt wird. Im Gesetz spricht man dann von einer «Dienstbarkeit», wobei diese klar definiert sein kann: Wird nur ein Fusswegrecht gewährt, so darf der Weg nicht befahren werden – auch nicht mit dem Velo.
Er nahm die Besorgnis der Anwohnerinnen und Anwohner ernst und intervenierte im März 2021 bei der Stadt. «Ein komplettes Fahrverbot stand zunächst nicht im Raum. Wir wollten es zuerst mit Umleitungen und einem ‹Schritttempo›-Schild versuchen, welches auch umgesetzt werden sollte», erinnert sich der Hausabwart. Die Stadt reagierte aber langsam und lieferte im September 2021 – anstelle einer Geschwindigkeitsbegrenzung – lediglich ein Schild, welches «Fussweg, Velo gestattet» signalisierte, ohne «Schritttempo».
Die Stadt schreibt dazu, dass man in dieser Zeit eine «tragbare Lösung für alle mit Mischverkehr Fuss/Velo» suchen wollte und sich um eine Lösung zusammen mit der Eisenbahnergenossenschaft «bemüht» habe. Bräm schmunzelt jedoch über diese Darstellung: «Ich habe einige Leute gefragt, was sie unter dem Schild ‹Fussweg, Velo gestattet› verstehen. Niemand verstand dies als Pflicht, im Schritttempo zu fahren.»
Der Situation vor Ort half das nicht. «Die Schranken bremste Velo-Rowdys nicht spürbar ab, und das Schild nahm ohnehin niemand ernst. Ende September kam noch das Schild mit der Grossmutter dazu. Auch sie hinderte einen Velofahrer nicht daran, einen Handwerker diese Woche gefährlich nah zu streifen», sagt Bräm. Die Stadt Zürich erkannte in einer Stellungnahme gegenüber watson, dass das Grosi-Plakat keine Wirkung erzielte: «Ältere Bewohner fühlen sich trotzdem auf dem Weg nicht mehr wohl.»
Womit die endgültige Eskalationsstufe erreicht war: Diese Woche entschied die Genossenschaftsverwaltung, dass man Velofahrende auf der Privatstrasse nicht mehr dulden wolle. Vor Ort ist man sich bewusst, dass nicht alle über den Entscheid jubeln werden. Bräm verteidigt aber den Standpunkt der Anwohner: «Wir haben uns pragmatisch gezeigt und waren gegenüber einer Mischverkehrslösung offen. Der Veloverkehr hat gefühlsmässig weiter zugenommen, aber das signalisierte, nicht wahrgenommene «Schritttempo», wird in den wenigsten Fällen eingehalten, was immer wieder zu Gefährdungen führt.»
Er ist überzeugt: «Um mehr Sicherheit zu erlangen, müsste die Geschwindigkeit der Velofahrer gesenkt werden, was nur durch bauliche Massnahmen möglich ist. Die Stadt hat das Verkehrsproblem erkannt, aber für kurzfristige Verbesserungen fehlt die Zeit, da die Besorgnis der Anwohner gross ist.»
Die Konsequenz: In den kommenden Tagen wird die Stadt die «Velo gestattet»-Schilder abmontieren müssen. Wer trotzdem durch den Weg radeln will, dem droht eine Busse oder Anzeige. Wann diese Änderung vollzogen wird, ist noch unklar. Bräm erklärt, dass die Schilder bestellt wurden. Die Stadt Zürich bestätigt, dass die Neugasse künftig als «reiner Fussweg» signalisiert wird.
Und das man ganz offensichtlich kein gesamtkonzept hat wie beispielsweise in den Niederlanden.
Und das man diejenigen die sich an die Regeln halten in denselben Topf wirft wie jene die sich ohne Rücksicht und Hirn im strassenvekehr bewegen... Und die gibt es in allen Farben (Auto, Lkw, Velo, Fussgänger, Töff...)