Ich war dieses Wochenende in Bordeaux an einer Hochzeit – was war das für ein Fest! Tanzende Grossmütter, betrunkene Stiefmütter und viele glückliche Stunden.
Mon Dieu!
Mein Kumpel aus der Deutschschweiz heiratete eine waschechte Bordelaise. So kam es in einem malerischen Château zum grossen Aufeinandertreffen zwischen seiner Familie aus der Schweiz und der französischen Familie der Braut.
Und nicht zum ersten Mal musste ich feststellen: Franzosen und Schweizer teilen zwar eine 585 Kilometer lange Grenze, aber sonst unterscheidet sie ziemlich viel.
Fangen wir gleich mit dem Wichtigsten an. Mit dem ...
Ob Hipster-Café, Dorfbeiz oder After-Work-Bar: In der Schweiz wird Bier getrunken. Und es ist nicht nur okay, sondern schon fast ein bisschen cool, wenn man es aus der Flasche trinkt.
Probier das mal in Frankreich!
Alle so:
Auch wenn der durch und durch frankophile Oliver Baroni behauptet, der Bierkonsum in Frankreich sei in den letzten Jahren stark gestiegen, hab ich das Gegenteil erlebt. Oh là là, was bin ich schräg angeschaut worden, als ich mir zum Apéro ein Bierchen gegönnt habe.
In Frankreich – und wahrscheinlich besonders in Bordeaux – wird Wein getrunken. Und Champagner natürlich. Und Schnaps und Longdrinks. Aber Bier: Das kommt einer Majestätsbeleidigung gleich.
Wo Salat draufsteht, muss in Frankreich nicht zwingend Salat drinstecken. Ein Salat kann durchaus aus einem Drittel Speck, einem Drittel Hühnerbrust und einem Drittel Pasta bestehen. Mit etwas Glück findet man dann vielleicht noch irgendwo ein paar zerquetschte Blättchen Eisbergsalat oder dergleichen.
Manch ein Franzose und manch eine Französin scheinen wochenlang überleben zu können, ohne auch nur einmal ein wenig Grünzeug zu essen. Vitamine hat's schliesslich auch im Foie Gras. A, B, und C.
In der Schweiz kann es sich kaum ein Restaurant leisten, keine vegetarische oder gar vegane Gerichte anzubieten. In Frankreich sehen die Menüs nicht selten so aus:
Fleisch
Fleisch
Fleisch
Und vielleicht noch ein bisschen:
Käse
Für Karnivoren ist die französische Küche:
Als Veganer dürfte man sich in einem durchschnittlichen französischen Gasthof aber etwa auf gleich verlorenem Posten fühlen wie Napoleon bei seiner historischen Niederlage bei Waterloo.
Des Weiteren scheint in der Schweiz dem Brunch mehr Wert beigemessen zu werden. In Frankreich genügt oftmals auch einfach eine Zigarette und ein schwarzer Kaffee. Bon Appetit!
In der Schweiz kann das Begrüssungs-Ritual ziemlich verwirrend sein. Gebe ich nur die Hand, oder verteile ich Küsschen? Und wenn ja, eins, zwei oder drei?
Auch unsere Lieblings-Kanadierin Emily hadert damit:
In Frankreich hast du diese Probleme nicht. Mit zwei Küsschen liegst du immer richtig. Dabei macht es nicht einmal einen Unterschied, ob dein Gegenüber das gleiche Geschlecht hat wie du.
Zwei Männer, die sich zur Begrüssung küssen, siehst du in der Schweiz selten bis nie. Bei unseren Nachbarn ist es das Normalste der Welt.
Ein Grossteil der Schweizer und Schweizerinnen kennen nicht einmal die grundlegendsten Regeln des Rugbys.
Eben ... wir haben keine Ahnung.
Anders die Franzosen. Die französische Rugby-Nationalmannschaft gehört zu den besten der Welt.
Versuche mal einen Schweizer Hit zu finden, der alle Generationen anspricht und bei dem alle mitsingen! Es wird verdammt schwierig ...
Am ehesten greift da unsereins noch auf Patent Ochsner oder Gölä zurück. Obschon Letzterer durch seine Interviews im Blick beim einen oder anderen aufs musikalische Abstellgleis gerückt sein dürfte.
Bei unseren Nachbarn scheint es hingegen ein unerschöpfliches Lager an traditionellen Liedern zu geben, die alle kennen. Und die vor allem voller Inbrunst mitgesungen werden. Dabei gilt: Je mehr Champagner, desto höher der Lärmpegel.
Trifft man einen Franzosen oder eine Französin, hört, fühlt und sieht man deren Herkunft meistens von der ersten Sekunde an. Irgendwie ist der französische Patriotismus schwer zu greifen. Einerseits wird oft über die Zustände im eigenen Land lamentiert, andererseits dringt auch ständig der Stolz durch, Teil der Grande Nation zu sein.
Der «Maire», der die Trauung durchführte, trug selbstverständlich eine Schärpe in den Farben der Tricolore. Hinter seinem Bürotisch hing ein grosses Porträt von Präsident Emmanuel Macron. Der Zentralstaat ist in Frankreich allgegenwärtig.
Man stelle sich dasselbe auf dem Standesamt in Zürich vor. Irgendwie undenkbar. Nach meinen Erfahrungen steht das Schweizer-Sein bei uns eher etwas im Hintergrund.
Viele Deutschschweizer werden mit der französischen Sprache nie wirklich warm. Viele Romands werden sich nie ins Deutsch verlieben. Aber hey, immerhin versuchen wir's. Und wenn's damit nicht klappt, sprechen wir hierzulande wenigstens sonst eine Zweit- oder Dritt-Sprache.
Aber finde mal einen Franzosen, der noch eine zweite Sprache spricht! Das ist gar nicht so einfach. Frankreich und Grossbritannien werden zwar nur durch einige Kilometer Ärmelkanal voneinander getrennt, doch die englische Sprache ist auch im Jahr 2018 nicht wirklich über den Atlantik geschwappt.