Ich bin wirklich ein sehr grosser Sportfan. Kapiere rasch die Regeln. Interessiere mich für die Taktik. Finde selbst bei Flachetappen an der Tour de France spannende Ansätze. War schon beim Eisstockschiessen, Florettfechten, Leichtgewichtsboxen oder zuletzt an der Faustball-WM in Winterthur. Und ich lebe nun schon seit einigen Jahren davon, dass ich über Sport berichte.
Doch es gibt eine Sportart, die für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist: Cricket.
Ich kann die Faszination, die dieser Sport in Grossbritannien und den Ländern des einstigen britischen Weltreichs weckt, einfach nicht nachvollziehen. Dabei habe ich es mal versucht, als ich in den Ferien war. Das Spannendste in den eineinhalb Stunden, die ich zuschaute, war, dass der Mond zunächst links vom Flutlichtmasten stand und am Ende rechts davon.
Das war der Beweis, dass die Welt nicht stillstand. Aber auf dem Feld hatte sich in dieser Zeit nicht viel bewegt. Vielleicht hätte ich mehr Bier trinken sollen. Cricket ist ähnlich wie Baseball, das verstand ich. Aber es gibt am Ende kein simples Resultat, sondern so etwas:
Was wir hier sehen, ist tatsächlich ein Unentschieden. Logisch, oder?
Es ist das Resultat der zweiten Begegnung der Ashes, und deren dritte ist nun am Sonntag zu Ende gegangen. England siegte nach einer unvorstellbaren Aufholjagd mit einem Wicket Vorsprung. Die Wahnsinnsleistung von Ben Stokes, dem 135 Runs gelungen waren, schaffte es auf jede Titelseite.
Und bei uns? Sucht man in der Schweizerischen Mediendatenbank nach den Begriffen «Ashes» oder nach «Ben Stokes», spuckt die Datenbank eiskalt aus:
Gefundene Dokumente: 0.
Zum Vergleich: Die Suchanfrage «Christian Stucki» liefert von gestern und heute exakt 326 Treffer in Deutschschweizer Medien.
Sehr vereinfacht zusammengefasst, funktioniert Cricket so: Der Werfer eines Teams versucht, dass der Schlagmann des Gegners einen Fehler macht und ausscheidet. Der Schlagmann hingegen will den Ball wegschlagen, um so zu Runs zu kommen.
Ben Stokes, geboren in Neuseeland und im Alter von 12 Jahren mit der Familie nach England gekommen, bewältigte diese Aufgabe am Sonntag in Leeds unglaublich gut. England drohte in den Ashes gegen Australien, jener so bedeutsamen Serie zweier Cricket-Rivalen, nach drei von fünf Begegnungen mit 0:2 in Rückstand zu geraten. Die Lage schien hoffnungslos. Da schritt Stokes, seit Jahren einer der besten Cricketspieler der Welt, zur Tat.
Stokes gelangen ungeschlagene 135 Runs, womit England am Ende mit einem Wicket Vorsprung gewann. Noch nie zuvor in der langen Geschichte des Crickets hatten die Engländer jemals ein solches Comeback geschafft. Sofort erinnerten sich Fans und Experten an Ian Bothams Wunder 1981 oder an Mark Butchers Aufholjagd 2001.
Sportliches Kulturgut in England, so wie bei uns die goldenen Tage der Ski-WM 1987 in Crans-Montana, die erfolgreiche WM-Barrage der Fussball-Nati 2005 oder die 20 Grand-Slam-Titel von Roger Federer. Aber die Bedeutung von Stokes, Botham oder Butcher für uns?
Die einen werfen ihre Gegner ins Sägemehl, die anderen werfen einen Ball hin und her. Wenn wir schon einen komplizierten Sport sehen wollen, können wir gut zuhause bleiben und unseren Kämpfern in Zwilchhosen bei der Arbeit zuschauen.
Die Ashes gehen am 4. September mit dem vierten Test in Manchester weiter.
Explained to a foreign visitor
You have two sides one out in the field and one in.
Each man that's in the side that's in goes out and when he's out he comes in and the next man goes in until he's out.
When they are all out the side that's out comes in and the side that's been in goes out and tries to get those coming in out.
Sometimes you get men still in and not out.
When both sides have been in and out including the not outs.
That's the end of the game.