Lucien Favre und Borussia Dortmund haben am Samstag eine herbe Niederlage einstecken müssen, die womöglich das Aus des Schweizer Trainers besiegeln könnte. Mittlerweile mehren sich sogar Stimmen in der Mannschaft, welche die taktische Vorgehensweise in Frage stellen.
Direkt nach dem 1:5 gegen den VfB Stuttgart sagte etwa Abwehrchef Mats Hummels: «Wir versuchen immer klein-klein durch enge Räume durchzuspielen und haben dabei eine riesig hohe Ballverlustquote.» In der Tat verlor der BVB 22 Mal den Ball während der 90 Minuten. Hummels fügte an, dass dem Spiel seines Teams die Tiefe fehle. Der Spielaufbau und die Spielgestaltung ist seit langem der entscheidende Schwachpunkt der Dortmunder.
Hummels ist dabei gewiss nicht unschuldig, denn der Spielaufbau beginnt ganz hinten in der Abwehr, also direkt vor den Füssen des 31-Jährigen. In den vergangenen Wochen konnte er zusammen mit seinen Nebenmännern allerdings selten wirkliches Tempo in die Angriffe bringen. Die Abwehrreihe steht oftmals zu eng, die Pässe werden nicht weiträumig gespielt. Viele Bälle gehen direkt in den Fuss, nur vereinzelt werden Mitspieler mal lang geschickt.
Ein grosser Unterschied besteht darin, wie eintönig, berechenbar und langsam der Spielaufbau des BVB ist. #BVBVFB pic.twitter.com/YBuyubD0zz— Constantin Eckner (@cc_eckner) December 12, 2020
Die von Hummels angesprochene mangelnde Tiefe wurde in Abwesenheit von Stammstürmer Erling Haaland ein noch dringlicheres Thema. Der Norweger provozierte mit seinen Läufen an der Abseitsgrenze noch so manches steile Zuspiel. Ohne ihn verstrickt sich der BVB vollends in kleinräumiges Ballgeschiebe – wofür der Mannschaft allerdings die Selbstverständlichkeit und Ballsicherheit fehlt.
«Wir spielen leider Risiko in Räumen, in denen der Ertrag klein ist, die defensive Konsequenz daraus aber sehr gross», kommentierte Hummels weiter in seiner Analyse. Was er damit meint, ist, dass aufgrund der vielen Pässe das Risiko auf einen Ballverlust steigt. Da Dortmund zudem den Ball meistens im ersten oder zweiten Spielfelddrittel hält, ist der Weg zum eigenen Tor gar nicht so weit. Der Gegner muss beim Konterangriff nur wenige BVB-Verteidiger überwinden und steht schon vor Schlussmann Roman Bürki.
Sorgen bereiten muss den BVB-Verantwortlichen, dass diese Probleme keine Ausnahme sind oder erst seit kurzem auftreten. In Wahrheit begleiten sie die Mannschaft bereits seit langer Zeit. Favre hat immer wieder versucht, mit kleinen personellen wie auch taktischen Veränderungen für Verbesserungen zu sorgen. Aber insbesondere die Schwachpunkte in der Spielereröffnung und anschliessenden Angriffsgestaltung blieben.
Die teils träge Art des Dortmunder Offensivspiels lädt so manchen Gegner regelrecht dazu ein, intensiver zu verteidigen und die Balleroberungen zu forcieren. Das wurde zuletzt gegen den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt deutlich. Kommt dann ein Gegner wie Stuttgart, der selbst an Spielgestaltung interessiert ist, kann es aktuell auch blamabel für den BVB werden. Favre wirkte während der gestrigen Partie zunehmend ratlos. Seine Wechsel und Umstellungen waren rudimentär – etwa beim Wechsel von Dreier- auf Viererkette. Er handelte nicht wie ein Top-Trainer, der genau weiss, wie er einen eigentlich unterlegenen Gegner knacken könnte.
Unter Favre wackelt Dortmund mittlerweile gewaltig. Die zunehmende Unsicherheit am Ball, die fehlende Tiefe und das damit verbundene defensive Harakiri sind die perfekte Mischung, um selbst die eigentlich obligatorische Champions-League-Qualifikation in Gefahr zu bringen.
Statt auf den Trainer loszugehen, sollte man auch mal den Kader genauer anschauen und sich fragen, wieviele der Spieler die Chance hätten bei einem der Topvereine zu spielen. Dann ist auch klar, warum man nicht an Bayern rankommt.
Favre holt meiner Meinung nach das Maximum aus der Mannschaft raus, aber das werden sie in Dortmund erst später feststellen.