Die Trainerentlassung ist der letzte Hoffnungsanker. Steckt eine Fussballmannschaft in der Krise und der Abstieg rückt näher, ist der Trainer das schwächste Glied in der Kette. Er wird vor die Tür gesetzt und durch den nächsten ersetzt. Und wehe, wenn der Erfolg immer noch ausbleibt.
Doch wie effektiv ist es eigentlich, mit dem Abstieg vor Augen den Trainer zu entlassen? Gemäss englischen Forschern der Sheffield Hallam University sehr effektiv. Die Wissenschaftler haben für diese Erkenntnisse 60 Trainerwechsel bei 36 Premier-League-Vereinen zwischen 2003 und 2013 untersucht.
Die durchschnittliche Punkteausbeute der besagten Teams stieg laut der Studie von 1,03 Punkten pro Spiel vor der Trainerentlassung auf 1,17 Punkte pro Spiel nach dem Rauswurf des Coachs.
Doch Sie kennen doch sicher das alte Sprichwort «Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast». Hält die Studie auch in der Praxis, was sie verspricht? Wir haben die Absteiger der fünf grossen Ligen Europas plus der Super League unter die Lupe genommen und festgestellt: Ausser Eintracht Braunschweig haben sämtliche Absteiger in dieser Saison mindestens einmal den Trainer gewechselt.
Während Eintracht Braunschweig über die ganze Saison hinweg seinem Trainer Torsten Lieberknecht treu geblieben ist, hat der 1. FC Nürnberg den Coach gleich zweimal gewechselt. Anfang Oktober musste Michael Wiesinger mit einem Punkteschnitt von 1,16 gehen, sein Nachfolger Gertjan Verbeek kam allerdings nur auf 0,91 Punkte pro Spiel. Interimstrainer Roger Prinzen holte in drei Spielen gar keinen Zähler mehr.
Beim HSV, der (noch) nicht abgestiegen ist, stagnierte der Punkteschnitt trotz zwei Trainerwechseln ebenfalls. Thorsten Fink kam genau wie sein Nachfolger Bert van Marwijk auf 0,8 Punkte pro Spiel, Mirko Slomka steigerte die Ausbeute immerhin auf 0,85 Punkte pro Spiel.
Auch Stuttgart hat übrigens zweimal den Trainer gewechselt. Der Punkteschnitt verbesserte sich nur unwesentlich. Die Schwäche der Konkurrenz war Garant für den Klassenerhalt.
Alle drei Absteiger wechselten während der Saison den Trainer aus, Fulham sogar zweimal. Die Nummer 3 Felix Magath konnte den Punkteschnitt seiner Vorgänger nur unwesentlich steigern: von 0,77 auf 1,00. Bei Cardiff City und Norwich fiel die Punkteausbeute nach dem Trainerwechsel gar in den Keller.
Fix abgestiegen ist in Spanien erst Betis Sevilla. Real Valladolid, Osasuna und Granada machen die beiden weiteren Abstiegsplätze noch unter sich aus. Valladolid und Granada haben den Trainer nicht gewechselt. Bei Betis konnte der neue Mann Gabriel Caldéron die Punktestatstik nur unwesentlich verbessern. Bei Osasuna war das für Javi Garcia nicht schwierig, sein Vorgänger wurde nach drei Spielen und null Punkten entlassen.
Catania, Bologna und Livorno stehen in der Serie A schon vor dem letzten Spieltag als Absteiger fest. Allesamt haben während der Saison auch den Trainer gewechselt. Genützt hat es nur bei Livorno etwas: Maurizio Pellegrino konnte den Punkteschnitt in den letzten fünf Spielen auf 1,8 steigern. Eine beachtliche Quote, die aber auch zeigt, wie schwach das Schlusslicht Livorno zuvor gespielt hat.
In Frankreich sind Valenciennes und Ajaccio bereits abgestiegen. Sochaux kämpft mit vier weiteren Teams noch um den Verbleib in der Ligue 1. Wie könnte es anders sein: Alle drei Teams unter dem Strich haben auf der Trainerbank schon einen Wechsel vorgenommen. Aber siehe da, es hat überall etwas genützt.
Christian Bracconi bei Ajaccio und Ariel Jacobs bei Valenciennes holten nur unwesentlich mehr Punkte pro Spiel als ihre Vorgänger. Hervé Renard bei Sochaux liefert mit 1,25 Punkten pro Spiel hingegen eine markant bessere Arbeit ab als Eric Hély. Um oben zu bleiben, benötigt er im letzten Spiel allerdings einen Sieg gegen Stade Rennes.
Zu guter Letzt der Absteiger aus der Super League: Der FC Lausanne-Sport. Unter Laurent Roussey holten die Waadtländer bis zum 21. Oktober 2013 nur gerade 0,33 Punkte pro Spiel, dann floh er zurück zu Christian Constantin nach Sion. Unter Interimstrainer Alexandre Comissetti wurden beide Spiele verloren, dann kam das Duo Henri Atamaniuk/Marco Simone.
Der Franzose und der Italiener konnten das Ruder nur bedingt rumreissen. Sie steigerten den Punkteschnitt auf 1,00 Punkte pro Spiel, doch den vorzeitigen Abstieg konnten sie trotzdem nicht verhindern.
Sion ist zwar nicht abgestiegen, trotzdem präsentieren wir Ihnen auch die Punkteschnittentwicklung der Walliser: Michel Decastel 0,92; Laurent Roussey 0,86 und Raimondo Ponte 1,53. Der Zürcher hat also ganze Arbeit geleistet. Seines Jobs darf er sich aber nicht allzu sicher sein. Sobald seine Quote wieder sinkt, drückt Präsident Constantin mit Sicherheit wieder auf Knopf des Schleudersitzes.