Welches Bundesliga-Spiel schaut sich ein neutraler Fussball-Fan lieber an: Bremen gegen Stuttgart oder Hoffenheim gegen Leverkusen? Die grosse Mehrheit dürfte mit «Bremen gegen Stuttgart» antworten. Die beiden Klubs haben zusammengezählt je neun Meistertitel und Pokalsiege errungen. Zum Vergleich: Die Hoffenheimer Vitrine ist leer, «Vizekusens» einziger nationaler Titel war der Pokalsieg 1993.
Der Blick auf die Tabelle zeigt ein anderes Bild: Bremen (16.) und Stuttgart (18.) sind ganz am Ende, Hoffenheim (5.) und Leverkusen (6.) kämpfen um einen Platz im Europacup. Es ist, glaubt man Kaiserslauterns Vorstandsvorsitzendem Stefan Kuntz, ein ungleicher Kampf. Im «Doppelpass» sagte der deutsche EM-Held von 1996, Traditionsvereine hätten gegenüber Klubs mit Investoren einen grossen Nachteil. «Traditionsvereine müssen wirtschaftlich gut planen. Niemand kann Geld geben, wenn es eine finanzielle Schieflage gibt», sagte Kuntz.
Das Jammern gegen Klubs wie Hoffenheim, RB Leipzig, Wolfsburg oder Leverkusen hat bei den einstigen Grossklubs System. Es ist auch einfacher, mit dem Finger auf andere zu zeigen, als eigene Schwächen zuzugeben. Natürlich ist es komfortabel, einen Mäzen (Dietmar Hopp in Hoffenheim) oder mächtige Konzerne (Red Bull in Leipzig, VW in Wolfsburg, Bayer in Leverkusen) im Rücken zu haben.
Doch mit Geld kommt nicht automatisch auch sportlicher Erfolg. Der kommt mit kluger Finanzplanung, cleveren Transfers, der Stärkung des Nachwuchses. Alles Sachen, die in Hamburg, Bremen oder Stuttgart in der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Dass beispielsweise der Chaosklub HSV noch nie aus der Bundesliga abgestiegen ist, grenzt an ein Wunder.
«Der deutsche Fussballzuschauer möchte Traditionsvereine sehen», behauptet Stefan Kuntz, dessen 1. FC Kaiserslautern aktuell auf Rang 4 der zweiten Liga steht. «Die vielen Zuschauer bei Traditionsduellen machen den deutschen Fussball attraktiv.»
Diese Forderung liesse sich auf zwei Arten bewerkstelligen. Zunächst zur schwierigen Variante. Sie lässt sich in vier Worten ausdrücken: Die Traditionsklubs arbeiten besser. Wer die eigenen Junioren gut ausbildet, wer schlaue Transfers macht und finanziell richtig haushaltet, für den hat es Platz in der Bundesliga.
Die zweite Variante ist jene, die Traditionalisten gar nicht behagt – aber ihre Rettung wäre. Es ist die Abkehr vom europäischen System hin zu demjenigen des US-Sports mit geschlossenen Ligen. Es wird bestimmt, welche 18 Klubs in der Bundesliga spielen. Danach gibt es keinen Auf- und keinen Absteiger mehr. So erhalten Klubs wie Stuttgart, der HSV, Bremen oder Hertha Berlin die nötige Zeit, sich ohne Druck neu zu organisieren. Geht es nach kommerziellen Aspekten, haben Städte wie Berlin und Stuttgart ihren Platz in der Bundesliga auf sicher.
Zwar wird auf dem alten Kontinent vieles aus den USA übernommen. Dass aber die Ligen geschlossen werden, ist utopisch. Und es sind beileibe nicht nur «Plastikklubs» wie Hoffenheim oder Wolfsburg, die in der Tabelle vorne stehen. Auch die Habenichtse Augsburg, Mainz, Paderborn oder Freiburg sind alle besser klassiert als Bremen, der HSV, Stuttgart oder Hertha Berlin. So bleibt den inkompetenten Traditionsklubs nur etwas: zu arbeiten, und zwar besser als in den vergangenen Jahren.