Drei Kandidaten standen zur Wahl: Pascal Müller, Thomas Rüfenacht und Andrew Ebbett. Die logische Wahl wäre – aus völlig neutraler, hockeytechnischer Sicht – Pascal Müller gewesen. Er hat als Einziger der drei Kandidaten Erfahrung als Sportchef und Scout und in Verhandlungsführung, und beherrscht Deutsch, Französisch und Englisch in Wort und Schrift. Drei Sprachen, die in unserem Hockey recht wichtig sind. Aber ein wenig hat er halt von seiner Herkunft her den Stallgeruch eines «Chäsigen» aus Langnau. Das ist beim SCB von heute nicht sexy.
Thomas Rüfenacht war, wiederum der neutralen Logik folgend, der zweitbeste Kandidat: Er kennt den SCB inzwischen aus sieben Jahren als Spieler und zudem steht er bereits auf der Lohnliste. Aber wie Verträge ausgehandelt werden, weiss er noch nicht. Die dritte Wahl war, wiederum der Logik folgend, Andrew Ebbett. Er war in fünf Jahren des Ruhmes ein charismatischer Führungsspieler (Meister 2016, 2017 und 2019). Aber Deutsch und Französisch sind für ihn Fremdsprachen, Verhandlungen mit Spielern hat er noch nie geführt und er kostet den SCB nun eine zusätzliche schöne sechsstellige Summe.
Wir sollten nicht den Fehler machen, den SCB aus völlig neutraler, rein hockeytechnischer Sicht zu beurteilen. Der SCB unterscheidet sich von allen anderen Hockeyfirmen der Schweiz. Erstens durch die kulturelle und soziale Bedeutung in der Hauptstadt und im Bernbiet, zweitens durch die Grösse und drittens durch die ganz besondere monarchische Führungsstruktur. Der SCB ist nicht einfach eine Hockeyfirma mit gut 60 Millionen Umsatz. Der SCB ist eine Institution.
Bereits vor bald drei Jahren hatte Marc Lüthi erkannt, dass es in der Sportabteilung nach dem Wechsel von Sven Leuenberger zu den ZSC Lions ein Führungsproblem gibt. Und schon vor bald drei Jahren trug er sich mit dem Gedanken, Sportchef Alex Chatelain abzulösen. Aber im kleinen Kreis seiner Operetten-Verwaltungsräte liess er verlauten: Wir können nicht wegen Polemik in gewissen Medien unseren Sportchef absetzen. Wie stehen wir dann in der Öffentlichkeit da! Beim SCB spielt eben vieles eine Rolle. Auch Eitelkeiten.
Inzwischen wissen wir: Marc Lüthi wählte bei der Nachfolge von Alex Chatelain die Lösung, die ihn in der Öffentlichkeit im allerbesten Lichte weit über das Bernbiet erstrahlen liess: Er machte Florence Schelling sozusagen zur ersten Sportchefin der Welt.
Inzwischen wissen wir auch: Der SCB ist mit Florence Schelling nicht wunschlos glücklich geworden. Also hat Marc Lüthi mit Raeto Raffainer einen neuen Obersportchef verpflichtet. Und sicherte ihm zu, einen Untersportchef anstellen zu dürfen. Sonst wäre Raffainer nicht nach Bern gekommen.
Und so erkennen wir, warum Andrew Ebbett eine vernünftige, kluge, ja perfekte Wahl ist. Der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Die Hockey-Kompetenz des Kanadiers steht ja nicht zur Debatte. Entscheidend ist etwas anderes: Welche Rolle spielt er am Hofe von Marc Lüthi? Will Raeto Raffainer in Bern etwas bewegen, dann wird er eher früher als später König Marc Lüthi heftig widersprechen müssen. Er kann sich fachlich notwendige, fruchtbare und harte Auseinandersetzungen mit dem König nur erlauben, wenn er hinter sich einen absolut loyalen Untersportchef hat. Auch deshalb, weil er ja bei seiner Arbeit oft auswärts sein wird und nicht immer am SCB-Hofe weilen und wachen kann. Erst recht, wenn er ins IIHF-Council gewählt werden sollte. Also in die Regierung des internationalen Eishockey-Verbandes IIHF. Wären der hoch qualifizierte Pascal Müller und der eigenwillige, smarte Thomas Rüfenacht auch so pflegeleicht und loyal wie Andrew Ebbett? Wir wissen es nicht.
Andrew Ebbett ist fachlich kompetent und absolut loyal. Nicht nur, weil er als Nordamerikaner Hierarchien respektiert. Sondern auch, weil Loyalität seinem Charakter entspricht: Er hat die seltene Gabe, sich keine Feinde zu machen. Er ist allseits beliebt und hoch respektiert. Seine häufigsten Wortmeldungen beim SCB werden sein: «Yes Raeto, I totally agree…» und «Yes Marc, I totally agree…»
Kommt dazu: Andrew Ebbett ist beim SCB-Volk beliebt, seine Wahl führt nicht zu kritischen Anmerkungen der zahlenden Kundinnen und Kunden. Und was vielleicht am wichtigsten ist: Alle sporttechnischen Entscheidungen laufen weiterhin über Raeto Raffainer. Seine Autorität, seine Stellung werden nicht in Frage gestellt.
Im Bernbiet gibt es für loyale, fähige Mitarbeiter eine launige Bezeichnung: «Ganggo». Sie kommt aus einer berndeutschen Redewendung. Wenn ein Chef seinem Untergebenen etwas befiehlt, dann sagt er: «Gang go luege» oder «Gang go hole». Oder in diesem besonderen Fall: «Gang uf la Schodfo hingere go luege ob dr Andri Henauer Fortschritte macht.» Ein «Ganggo» also. Was keineswegs despektierlich gemeint ist. Ganz im Gegenteil: Andrew Ebbett wird das tun, was ihm aufgetragen wird. Mit Sachverstand und Umsicht zum Wohle des SCB. Als hochqualifizierter «Ganggo».
Das Duo Ebbett/Raffainer wird führungstechnisch perfekt funktionieren: Wenn Obersportchef Raeto Raffainer in Einzelgesprächen mit Spielern oder dem Trainer in der Sache kritisch und vielleicht sogar grantig wird – was ja richtig und notwendig ist! – dann kommt hinterher Untersportchef Andrew Ebbett und glättet in der ihm eigenen freundlichen Art die Wogen wieder: «Don't worry, be a happy bear. You know him, he doesn't mean it.» Dieses Prinzip wird auch «good cop, bad cop» genannt.
Offiziell ist Andrew Ebbett Sportchef mit einer auf sechs Monate kündbaren Anstellung. Raeto Raffainer führt die offizielle Bezeichnung Sportdirektor. Aber treffender ist Obersportchef für Raffainer und Untersportchef für Ebbett.
Beruhigend ist noch etwas: Es wäre wahrhaft polemisch und unfair, nun nach der Anstellung von Andrew Ebbett zu sagen, der SCB schwimme im Geld. Aber wir dürfen feststellen: Der SCB ist finanziell stabil. Die Berner hatten zwar nicht die Mittel, um eigenen Spielern wie André Heim Offerten zu machen und von einem Wechsel abzuhalten. Und nach wie vor hat der SCB in dieser Transferperiode keinen einzigen Feldspieler mit Schweizer Pass nach Bern geholt. Aber immerhin reichen die finanziellen Mittel für einen zusätzlichen, gut gelöhnten Job im Büro.
Der SCB ist eben auch stark geprägt durch die Kultur der politischen und administrativen Hauptstadt unseres Landes: Auch in der Politik, in den kantonalen und eidgenössischen Verwaltungen wird auf schwierige Zeiten und grosse Herausforderungen erst einmal mit der Schaffung von weiteren Beamtenstellen reagiert.
Dass der SCB vor schwierigen Zeiten und grossen Herausforderungen steht, bestreitet ja niemand.
Wir holen dafür nun den Ebbet, der hat zwar auch keine Ahnung, aber wir brauchen einfach einen zusätzlichen Sportchef.
Lachnummer SCB, mir solls recht sein.