Ein älterer Herr, der wahrscheinlich noch Erich Kühnhackl stürmen sah (von 1985 bis 1987 Ausländer in Olten), bleibt nach der Schlusssirene auf der Tribüne eine Weile stehen. Als könne er immer noch nicht fassen, was er in den letzten zwei Stunden geschaut hat. Er sagt: «Ich glaube, so eine Mannschaft haben wir in Olten noch nie gehabt.»
Mit ziemlicher Sicherheit ist es so. Nun garantiert ein Sieg in der Adventszeit noch lange nicht den Triumph im April. Aber die Art und Weise, wie die Oltner unter schwierigsten Umständen Kloten im besten Wortsinn vom Eis gearbeitet haben, ist ein starkes Signal. Und für die Klotener ein Grund zur Sorge.
Die Oltner treten ohne ihre beiden ausländischen Stürmer Dion Knelsen und Garry Nunn an. Dafür kommt von den Rapperswil-Jona Lakers für den ersten Sturm der Routinier Benjamin Neukom und aus der MySports League von Hockey Huttwil der flinke Energiestürmer Yannick Lerch für die vierte Linie. Theoretisch ist Olten unter diesen Voraussetzungen gegen Kloten eigentlich chancenlos.
Aber wenn je der Grundsatz «Namen sind nur auf den Dress genähte Buchstaben» gelebt worden ist, dann in diesem dramatischen Spitzenkampf. Im ersten Drittel sind die Klotener noch dazu in der Lage, ihre spielerische Überlegenheit zu entfalten. Sie fächern das Spiel aus, brausen in die freien Räume und kommen im Minutentakt in beste Abschlusspositionen. Die Oltner wehren sich heroisch. Biegen sich unter dem immensen gegnerischen Druck. Sie wanken. Sie taumeln. Aber sie brechen und sie fallen nicht. Es ächzt und knarrt im defensive Réduit. Aber es hält.
Der Held, der die Oltner im Spiel hält und den wir letztlich als Vater des Sieges bezeichnen dürfen, heisst Simon Rytz. Im September ist der «Dominik Hasek des armen Mannes» 38 Jahre alt geworden. Er hält wie mit tausend Händen.
Mit 175 Zentimeter Grösse ist er keiner dieser modernen Titanen, die allein mit ihrer Postur das halbe Tor abdecken und mit schlauem Winkelspiel die Schüsse blocken ohne einen Wank zu tun. Rytz kombiniert Reflexe, Beweglichkeit, Kaltblütigkeit und Spielintelligenz mit Leidenschaft: Er ist einer der kampfstärksten Goalies unseres Hockeys. Einer, der einfach nie aufgibt und irgendwie den Puck doch noch stoppt.
Einmal spielt Kloten Powerplay gegen drei Oltner. Simon Rytz liegt schon besiegt wie ein hilfloser Käfer auf dem Eis. Marc Marchon hat das leere Tor vor sich. Aber wie ein Phantom kommt auf einmal die Fanghand des Oltner Goalies wie aus dem Nichts und schnappt den Puck. Es bleibt beim 0:0.
Kloten hat im Startdrittel genug Chancen, um die Partie zu entscheiden. Die Scheibe läuft. Die Klotener laufen. Das ist die DNA der Klotener Hockeykultur: Laufen, Passen. Champagner-Hockey. Aber eben: Es ist Kunst der Kunst willen. Es fehlt eine Prise Geradlinigkeit, Wucht und Härte. Es ist nicht Arroganz. Es ist das Urvertrauen in die spielerischen Qualitäten eines Teams, das im Kopf halt immer noch ein wenig die höchste Liga hat. Auch im vierten Jahr in der zweithöchsten Liga. Oder um es etwas boshaft zu formulieren: ein Schnupf zu viel Juraj Simek und Alexei Dostoinow. Ein bisschen zu viel Kunst.
Die Frage, wie lange die Oltner diesem Druck standhalten können, ist früh beantwortet. Mit Wucht, Härte, Mut, Leidenschaft und schier unerschöpflicher Energie packen die Oltner ab dem zweiten Drittel das Spiel des Gegners tief in dessen Zone an der Wurzel. Und dabei wahren sie die Staffelung, die Ordnung, die Disziplin. Besser kann eine Mannschaft nicht vorbreitet und gecoacht werden. Und besser können Spieler nicht umsetzen, was ihnen der Trainer aufgetragen hat. Lars Leuenberger rockt. Olten rockt.
Dazu passt eine kluge Führung: Engagiert, aber unaufgeregt, mit kühlem Verstand und auch der nötigen Portion Schlauheit führen Präsident Marc Thommen, Geschäftsführer Patrick Reber und Sportchef Marc Grieder das Unternehmen. Mit einer klaren Strategie. Olten ist wieder «Hockey Town». 4369 Männer, Frauen und Kinder wohnen dem Spektakel bei. Intensität und Tempo entsprechen einem guten Spiel in der höchsten Liga.
Kloten bleibt trotz allem Aufstiegskandidat Nummer 1. Vielleicht reden sie in Kloten sogar zu viel und zu oft von der Rückkehr in die National League. Olten bleibt Aussenseiter. Eine Ausgangslage, die den Oltnern behagt. Und sollte ihnen der Aufstieg gelingen: Die Mannschaft für die höchste Liga steht. Ergänzt mit vier weiteren Ausländern kann dieses Olten in der höchsten Liga mithalten. Das vorgesehene Budget von 9 Millionen Franken würde für die erste Saison reichen.
Aber ein Problem hat Sportchef Marc Grieder noch zu lösen. Er muss damit rechnen, dass sein Kultgoalie Simon Rytz den Vertrag nicht verlängert, nach fünf Jahren Olten verlässt und zu seinem Stammklub Biel zurückkehrt, wo er vor mehr als 20 Jahren seine Karriere begonnen hat.
Mit 38 Jahren zurück in die höchste Liga? Verrückt? Nein, keineswegs. Biels Sportchef Martin Steinegger hat kürzlich klargemacht, dass Joren van Pottelberghe (24) die Nummer 1 bleibt. Dass es aus diesem Grund unfair wäre, einem jungen Goalie zu versprechen, er könne in Biel die Nummer 1 herausfordern.
Biel braucht eine Nummer 2, die diese Rolle gern akzeptiert und dazu in der Lage ist, der Mannschaft in 10 bis 15 Partien den Sieg zu ermöglichen. Dafür kommt nur ein Routinier in Frage. Einer wie Simon Rytz. Am 21. September hat er diese Saison seine NL-Tauglichkeit einmal mehr bewiesen, Langnau ausgeholfen und die Emmentaler zu einem völlig überraschenden Verlängerungssieg in Davos gehext (5:4).
Das Spiel ist vorbei. Simon Rytz hat sich den Fragen zu diesem grossen Hockey-Abend gestellt. Nun ist Zeit, noch ein wenig über die Zukunft zu plaudern. Frage: Kehren Sie nach dieser Saison zu Biel zurück?
Diese Frage hat er nicht erwartet. Weil der Chronist nicht lockerlässt, gibt er schliesslich zu. «Ja, es stimmt, ich bin mit Martin Steinegger im Gespräch. Er möchte mich als Nummer 2 nach Biel holen.» Es gehe noch um Details. Er wolle die ganze Angelegenheit mit seiner Familie besprechen und sich bald entscheiden. Rytz wohnt in Aarberg. Von dort sind es 20 Minuten zum Bieler Hockey-Tempel. Es wird für Marc Grieder schwierig, seinen Goalie zu halten.
Wer könnte im Falle eines Falles der Nachfolger von Simon Rytz in Olten werden? Der Chronist wird sich bemühen, den Namen zu erfahren, wenn er das nächste Mal ins Kleinholz reist.