Ambri kann Spengler Cup. Immerhin haben die Tessiner 2022 das Turnier gewonnen. Spengler-Cup-Hockey tut Ambri gut: Mit Leidenschaft und offensivem Mut holt Ambri ein Maximum aus seinem Talent heraus. Michael Spacek ist an einem gesegneten Abend wie soeben in Biel (5:4 n.P) der beste Spielmacher der Liga.
Um ein konstantes Spitzenteam zu sein, fehlt Ambri das Geld und damit die Substanz über vier Linien und die daraus resultierende defensive Stabilität. Das Talent reicht nicht aus, um mit Gelassenheit und Berechnung ein Spiel zu kontrollieren. In Lugano brachte Ambri ein 2:0 und 3:2 nicht über die Zeit, in Langnau und Biel fällt der Ausgleich in der Schlussminute (in Biel gar erst 16 Sekunden vor Schluss). Immerhin reicht es in Langnau (in der Verlängerung) und in Biel (nach Penaltys) trotzdem zum Sieg. Genau so, wie es Hockey-Romantiker mögen.
Ambri wird nie Meister. Also ist Spektakel zwischen September und März wichtiger als ruhmreiche Playoffs. Ambri hat nicht das Geld, um ein Meisterteam zu bauen. Aber die Mittel, um während der Qualifikation gut zu unterhalten. Wenn Ambri siegen will, braucht es immer eine Extraleistung, und je mehr Spieler dazu in der Lage sind, desto weiter entfernt ist der Tabellenkeller. Je besser die ausländischen Spieler, desto schöner die Zeiten. Ambris Ausländer sind zurzeit ziemlich exakt doppelt so gut wie jene von Biel. Sie haben bisher 42 Skorerpunkte beigesteuert. Bei Biel sind es bloss 24.
Wir sehen im September und Oktober das wahre, das dramatische Ambri. Aber noch nicht das wahre, finalfähige Biel. Die Zeiten des meisterlichen Ruhmes (letzter Titel 1983) sind in Biel längst vorbei. Aber nicht vergessen. Sie gehören noch immer zur DNA des Klubs und inzwischen sind die Bieler so hablich geworden, dass ein Meisterteam finanziert werden kann. Im letzten Frühjahr fehlte nur ein einziger Sieg zum meisterlichen Triumph. Wer so nah dran war, schaut nach oben, will es noch einmal versuchen. Es müsste doch zu machen sein. Aber mit Spengler-Cup-Hockey ist keine Meisterschaft zu gewinnen.
Spengler-Cup-Hockey ist in Biel offensive Leidenschaft ohne defensive Bedenken und Abend für Abend beste Unterhaltung und viel Dramatik. Das über die Jahre eingeübte, hochentwickelte Tempospiel blitzt immer und immer wieder auf. Aber still und leise löst sich unter dem neuen Trainer Petri Matikainen die defensive Ordnung auf wie der Morgennebel über dem Seeland. Um es anschaulich zu erklären: Verteidiger Ville Pokka hat mit -7 die schlechteste Plus-Minus-Bilanz aller ausländischen Verteidiger der Liga. Mit drei Punkten vermag er diese Schwäche in der Offensive nicht zu kompensieren. Toni Rajala weist im Ehrengewand des Topskorers zum ersten Mal in Biel eine Minus-Bilanz auf (-3).
Wenn die ausländischen Stars als Gralshüter der spielerischen Ordnung Schwierigkeiten haben, ist das Resultat seit Anbeginn der Zeiten immer gleich: Entweder gibt es bald ein Ausländer- oder ein Trainerproblem. Es obliegt dem Trainer, den Leitwölfen im Team Beine und Biss zu machen. Ist er dazu nicht in der Lage, muss er gehen oder es gibt neues ausländisches Personal.
Biel ist im Umbruch. Mehrere Verträge von wichtigen Spielern mit Schweizer Lizenz laufen aus (Mike Künzle, Tino Kessler, Joren van Pottelberghe, Yannick Rathgeb, Fabio Hofer). Diese Ausgangslage ist einerseits eine Chance zur Erneuerung und andererseits ein Grund für eine gewisse Unruhe und kann Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Mannschaft haben. Martin Steinegger ist ein Sportchef, der schwierige Situationen mit der ihm eigenen Gelassenheit zu meistern versteht. Weil er sich zwar während eines Spiels fürchterlich aufregen kann. Aber sich schnell beruhigt und seine Entscheidungen mit kühlem Verstand trifft.
Viele Faktoren können das Leistungsvermögen einer Mannschaft beeinflussen. Einige können der Sportchef und der Trainer (und manchmal der Finanzchef) beeinflussen. Andere nicht. Zum Trost für Sportchef Martin Steinegger sei auf ein Phänomen hingewiesen, das die Imker im Berner Seeland umtreibt. Letztes Jahr gab es Honig wie selten zuvor (so wie Biel erfolgreich war wie seit 1983 nicht mehr). Dieses Jahr produzieren die Bienen kaum Honig und niemand weiss warum. In anderen Gegenden des Bernbietes gibt es hingegen reichlich Honig.
Zu viel Spengler Cup beim EHC Biel, zu wenig Honig im Seeland. Meisterliche Erwartungen zu erfüllen, ist in Biel im Herbst 2023 kein Honiglecken.
Es macht sich halt schon bemerkbar, ob ein Yakovenko oder ein Christen spielt...