Der Anfang vom Ende kommt, als sich die Deutschen als Sieger fühlen. Deutschland führt 3:2 und das Spiel dauert noch gut sieben Minuten. Zum ersten Mal folgt die Aufforderung: «Steht auf, wenn ihr Deutsche seid….»
Die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Sitzplätzen erheben sich. Jubel braust durch die fast volle Arena. Deutschland auf dem Weg zum Sieg.
Und dann ist es, als habe jemand den Stecker gezogen. Luca Fazzini trifft zum 3:3 (53.). Die Leute setzen sich wieder. Der Lärm ebbt ab. Es war ein Puck ins Herz der Deutschen, der Spieler und der Zuschauerinnen und Zuschauer. Natürlich werden die Deutschen weiterkämpfen. Wie immer. Aber die Wucht, das Momentum, die Dominanz sind weg.
In der allerletzten Szene des Dramas bekommt Pius Suter noch einmal eine Chance und trifft eine halbe Sekunde vor Schluss zum 4:3. «Ich wusste gar nicht, wie knapp die Zeit war» wird er hinterher sagen. Es ist sein zweiter Treffer und dritter Skorerpunkt in diesem Spiel. Er hatte bei allen Toren den Stock im Spiel. Aber der Assist zum 1:1 wird ihm später nicht gut geschrieben.
Ein grosser Sieg gegen Deutschland eine halbe Sekunde vor Schluss ist ein Trostpreis für das «Aus» bei der WM. Als Kanada 0,4 Sekunden vor Spielende der Ausgleich gelingt und das Viertelfinale in der Verlängerung verloren geht. «Aber ein Sieg gegen die Kanadier wäre mir lieber gewesen» sagt Nationaltrainer Patrick Fischer.
Auch wenn ein Sieg beim Deutschland Cup gegen Deutschland (mit drei Spieler aus dem Olympia-Finalteam) im Vergleich zum Scheitern bei der WM eben doch «nur» ein Trostpreis ist – es war hockeytechnisch fast ein gefühlter Lottotreffer. Eishockey ist inzwischen, wenn die Schweiz gegen Deutschland doch gewinnt. Vor einem Jahr beim gleichen Anlass am gleichen Ort gewannen die Schweizer 4:3 nach Penaltys.
Welch ein Unterschied zu den Auftritten der November-Spielen in den turbulenten Jahren nach Ralph Krueger bis zur «Ära Fischer» (2009 bis 2015). Da hatten die Auftritte der Schweizer oft etwas Operettenhaftes, Improvisiertes, Ratloses, Zufälliges. Mit der bestmöglichen Mannschaft traten wir auch früher nie an. Aber eine klare spielerische und taktische Linie war eher selten erkennbar.
Das hat sich geändert. Die Schweizer brachten bei diesem 4:3 nach Verlängerung eine nahezu perfekte Mischung aus Leidenschaft und spielerischer Schlauheit, Improvisation und Organisation. Patrick Fischer sagt, das Ziel sei es, auch unter Druck etwas zu kreieren. Und tatsächlich: in keiner Phase haben die Schweizer die Linie verloren, auch unter Druck standen sie auf den Zehenspitzen und konterten blitzschnell. Dieses 4:3 war nicht nur spektakulär. Der Sieg war auch das Produkt einer reifen taktischen Leistung und einer erstaunlichen Kaltblütigkeit: vier Tore aus verhältnismässig wenig Chancen. Haben wir je aus so wenig Chancen gegen Deutschland so viel herausgeholt? Wahrscheinlich nicht. Eigentlich ist die Schwäche der Schweizer ja, aus verhältnismässig vielen Chancen wenig zu machen.
Noah Rod ist der einzige Spieler aus dem letzten WM-Team. Seit Patrick Fischer die Nationalmannschaft übernommen hat, sind immer mindestens vier Spieler am Ende der Saison zur WM gefahren, die zum Deutschland Cup aufgeboten worden sind.
Noch vor 10 Jahren wären mindestens die Hälfte dieser «Deutschland-Cup-Helden» WM-Fixstarter gewesen. Beispielsweise das Verteidigerpaar Andrea Glauser/Yannick Rathgeb. Pius Suter (2 Tore, 1 Assist) wäre jetzt schon als WM-Schlüsselspieler gefeiert worden. Und warum nicht gleich mit den Linien Alessio Bertaggia/ Marco Müller/Dario Simion und Noah Rod/Jason Fuchs/Luca Fazzini zur WM?
Inzwischen sind wir doppelt so gut wie vor zehn Jahren. Nicht ein einziger dieser Sieger über Deutschland hat seinen Platz im WM-Team auf sicher. Wenn alle in der NHL engagierten Schweizer zur WM kommen können, wenn wir die WM-Kandidaten aus unserer Liga dazu zählen, die jetzt nicht aufgeboten worden sind und wenn wir schliesslich noch KHL-Stürmer Sven Andrighetto berücksichtigen – dann gibt es höchstens noch zwei oder drei Plätze für die «Helden von Krefeld.»
Offen sind primär Plätze im vierten Sturm. Also eher defensivhandwerklich starke Spieler und nicht Skorer und Läufer. Patrick Fischer sagt, in der Vergangenheit habe man tatsächlich beim WM-Aufgebot bei zwei Blöcken auf eine eher defensive Ausrichtung geachtet. Doch das Ziel seien vier Formationen, die offensiv kreativ sein können.
Wenn es also nicht mehr so ist, dass die letzten Plätze im WM Team primär an «defensive Handwerker» vergeben werden, dann ist es denkbar, dass einer wie Pius Suter im WM-Team im vierten Sturm eingesetzt wird. Einer, der mit zwei Toren und einem Assist der offensive Leitwolf bei einem grossen Sieg über Deutschland war, im nächsten Frühjahr im WM-Team im vierten Block – wahrlich, das sind gute Perspektiven für die Heim-WM.
Bin am FLA@NYI schauen. Malgin ist wiedermal einer der kreativsten und besten Offensivspieler auf dem Feld.
Wäre schön Fischi spräche vor der WM nochmals mit Malgin.