Am 14. Februar 2021 erwischt der damalige HCD-Stürmer Fabrice Herzog seinen Gegenspieler Eric Blum (SC Bern) mit einem heftigen Check gegen den Kopf. Eric Blum erleidet eine Gehirnerschütterung, eine Fraktur der Nase und Verletzungen an der Schulter. Er hat seither nie mehr Eishockey gespielt und für ihn und seine Familie beginnt ein langer Leidensweg zurück zur Normalität im Alltag, der bis heute noch nicht ganz abgeschlossen ist.
Vier Tage nach dem Foul folgt das Urteil des Einzelrichters der National League: Fabrice Herzog wird als Wiederholungstäter zu 8 Spielsperren und einer Busse von 11'150 Franken verurteilt. Auf eine Berufung verzichtet der Stürmer, der heute beim EV Zug unter Vertrag steht.
Und nun nach mehr als einem Jahr Abstand also die Strafanzeige und Zivilklage von Eric Blum. Seit der «Blick»-Exklusiv-Story über den juristischen Feldzug des SCB-Verteidigers ist die Hockeyszene im Unruhezustand. Um es stark vereinfacht zu erklären: Die Wahrscheinlichkeit, dass Fabrice Herzog bei einer fristgerecht eingereichten Strafanzeige wegen Körperverletzung verurteilt werden könnte, ist recht hoch. Und dann wäre es möglich, auf der Basis des Strafurteils eine Zivilklage einzureichen. Der «Blick» schreibt besorgt schon von einer möglichen «Millionenklage».
Was, wenn ein Urteil in der Sache ergeht? Was, wenn das Vorgehen von Eric Blum nun Schule macht? Wenn Spieler künftig bei Verletzungen nach Zweikämpfen gegen Spieler klagen? Ist dann Eishockey, wie wir es lieben, nicht mehr möglich? Muss die Geschichte unseres Profi-Hockeys neu geschrieben werden? Berechtigte Fragen.
Wir sehen: Um mit Oswald Spengler zu reden: Dem« Hockey-Abendland» droht der Untergang. Oder zumindest ist es in erheblicher Gefahr. Der «Blick» hat die Story nach allen Regeln der Kunst aufgemacht, Nachzüge orchestriert und inzwischen auch zahlreiche Expertinnen und Experten ausgiebig zur Sache schnattern lassen. Ganz nach dem Grundsatz: «Hit The Big Story Hard». Der «Blick» weiss es ja exklusiv und schreibt am 8. April: «Im Dezember 2021 flattert bei Fabrice Herzog Post ins Haus, Blum hat im Kanton Bern Strafanzeige erstattet.» In einer anderen Version ist dann auch noch von einer Zivilklage die Rede, die Blum angeblich in Bern offenbar auch noch eingereicht haben soll.
Gleich Straf- und Zivilklage – da werden wahrlich alle juristischen Kanonen aufgefahren. Wobei aus der Berichterstattung nicht einwandfrei ersichtlich ist, ob es sich um eine Strafanzeige oder eine Zivilklage oder um beides handelt. Vielleicht ist da etwas durcheinandergeraten oder zu wenig berücksichtigt worden, dass es auch in unserem Rechtssystem einen erheblichen Unterschied zwischen einer Strafanzeige und einer Zivilklage gibt. Item: Gemeldet wird, Eric Blum habe eine Strafanzeige und eine Zivilklage eingereicht. Ohne Wenn und Aber.
Doch bisher ist Fabrice Herzog weder eine Strafanzeige noch eine Zivilklage von Eric Blum ins Haus geflattert. Es hat nur eines geflattert. Eine Zeitungsente. Als Ente wird in der Medienbranche eine Geschichte bezeichnet, die sich als unwahr erweist. Der bisher berühmteste Fall sind die «Hitler-Tagebücher» des deutschen Magazins «Der Stern».
Die Aufregung um den Fall «Blum vs. Herzog» ist umsonst. Es gibt nämlich weder Strafanzeige noch Zivilklage von Eric Blum gegen Fabrice Herzog. Eric Blum ist sogar froh, dass er in dieser Sache endlich auch einmal persönlich befragt wird und sich zum Sachverhalt äussern darf. Er bestätigt: «Ich habe keine Strafanzeige und auch keine Zivilklage gegen Fabrice Herzog eingereicht.» Punkt.
Er ist zwar der Meinung, dass solche Fouls einfach nicht toleriert werden dürfen. Aber er habe keine juristischen Schritte gegen Herzog unternommen. Auch Georges Müller wundert sich. Der angesehene Zürcher Anwalt, Spezialist für Strafrecht und Agent von Eric Blum sagt: «Eric hat nie Strafanzeige eingereicht. Ich wüsste ja wohl davon …»
Alles, was es in dieser Sache bisher gibt, ist der in solchen Fällen übliche Schriftenaustausch unter Anwältinnen und Anwälten. Stark vereinfach gesagt: Es geht darum, welche Versicherung was bezahlt. Solcher Schriftenaustausch endet, wenn alle Anwältinnen und Anwälte genug verdient haben, sehr oft mit einem «Deal». Also einer aussergerichtlichen Einigung.
Dieser Schriftenaustausch erfolgt unabhängig davon, ob jemand eine Strafanzeige oder eine Zivilklage eingereicht hat. Ob es dann irgendwann auf irgendeiner Ebene im «Fall Herzog» tatsächlich zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen wird, ist völlig offen. Von dem, was eine Strafanzeige in Kombination mit einer Zivilklage von Eric Blum ausgelöst hätte, ist ein solcher Schriftenverkehr etwa so weit weg wie ein Knallfrosch von einer Atomexplosion.
Um es wiederum stark vereinfacht zu erklären: Was Fabrice Herzog in dieser Sache allenfalls theoretisch zu befürchten hat: Es kann unter Umständen sein, dass die Versicherung in Erwägung zieht, ihm gegenüber Regressforderungen zu erheben. Er kann sich beruhigt wieder ganz auf sein Hockeyhandwerk mit dem EV Zug konzentrieren. Die Zuger führen im Playoff-Halbfinal gegen den HC Davos 3:0 und brauchen noch einen Sieg für den Einzug in den Final.
Wir können uns beruhigt wieder den Playoffs zuwenden. Das «Hockey-Abendland» geht nicht unter. Die Geschichte unseres Profi-Hockeys braucht nicht neu geschrieben zu werden. Bloss die Geschichte einer aufsehenerregenden Zeitungsente.