Die Flyers stecken in der Krise. Mit Nichtstun wäre alles anders gekommen.Bild: KEYSTONE
Alternative Geschichtsschreibung
Alternative Geschichtsschreibung ist reizvoll und lehrreich. Sie hilft uns beispielsweise die Krise der Kloten Flyers besser zu verstehen.
19.02.2015, 07:3119.02.2015, 08:40
Nach dem Krieg ist jeder Soldat ein Feldherr und jeder Chronist ein Erfolgstrainer. Hinterher wissen alle alles besser. Kritik ist mit Blick in den Rückspiegel immer ein wenig billig und wir sollten immer daran denken, dass Eishockey ein unberechenbares Spiel ist, das auf einer rutschigen Unterlage ausgetragen wird. Aber wir können bei der Krisen-Analyse einen fairen wissenschaftlichen Weg wählen. Die alternative Geschichtsschreibung fragt, was gewesen wäre, wenn. Wie wäre beispielsweise die Geschichte verlaufen, wenn ...
- ... Hannibal mit seinen Elefanten Rom erobert hätte?
- ... Pontius Pilatus Jesus freigesprochen hätte?
- ... die Südstaaten den Amerikanischen Bürgerkrieg gewonnen hätten?
- ... der Österreicher im Deutschen Kanzleramt 1935 bei einem Autounfall ums Leben gekommen wäre?
- ... Wilhelm Tell statt den Apfel seinen Walterli getroffen hätte?
Alternative Geschichtsschreibung ist auch auf das Schweizer Eishockey anwendbar, reizvoll und lehrreich. Beispielsweise im Falle der Kloten Flyers.
Philippe Gaydoul (links, bei der Präsentation von Trainer Sean Simpson) hat zu viel verändert.Bild: KEYSTONE
Wie wäre beispielsweise diese Saison verlaufen, wenn der neue Präsident und Besitzer Philippe Gaydoul nach der Übernahme im Sommer 2012 die intakte sportliche Abteilung der Flyers nicht verändert hätte? Wenn er alles gelassen hätte, wie es war? Wenn er also sozusagen nichts getan hätte?
Dann wäre in der Tat jetzt vieles anders.
- Félicien Du Bois und Eric Blum würden immer noch für Kloten verteidigen
- Die Kloten Flyers hätten die Playoffs 2013 nicht verpasst
- Anders Eldebrink und Felix Hollenstein wären immer noch Trainer der Kloten Flyers
- Sportchef Jürg Schawalder wäre immer noch im Amt
- Das Defizit würde pro Saison weniger als zwei Millionen ausmachen
- Sean Simpson würde immer noch auf einen neuen Job warten
- André Rötheli hätte als Trainer-Assistent in Olten einen ruhigen Job
- Peter Guggisberg wäre in Davos geblieben
- Philippe Gaydoul würde im Hockey ein beinahe ebenso hohes Ansehen geniessen wie Walter Frey, und seine unternehmerische Weisheit würde nicht nur im «Blick» und im «SonntagsBlick» häufig in den höchsten Tönen gelobt
- Leonardo Genoni würde nächste Saison das Tor der Kloten Flyers hüten
- Jim Vandermeer und Ville Leino würden nicht für Kloten spielen
- HCD-Legende Beat Equilino wäre nicht Medienchef der Kloten Flyers
- Biel hätte 2013 die Playoffs nicht geschafft
- Wolfgang Schickli wäre nie Geschäftsführer der SCL Tigers geworden
- Brady Murray wäre nicht von Lugano nach Kloten transferiert worden
- Die SCL Tigers wären nicht abgestiegen – sie hätten 2013 in der ersten Playout-Runde nicht gegen Kloten, sondern gegen Biel antreten können und hätten sich gerettet
- Simon Bodenmann würde nächste Saison nicht für den SCB stürmen
- Das Zürcher Derby wäre das Gipfeltreffen des nationalen Hockeys
- GC würde noch einmal versuchen, Philippe Gaydoul zum Einstieg ins Fussball-Geschäft zu überreden
- Toyota wäre immer noch Hauptsponsor der Kloten Flyers
- Martin Plüss hätte sich eine Rückkehr zu den Kloten Flyers überlegt
- Tomas Tamfal wäre nie Trainer der SCL Tigers geworden
- Die Kloten Flyers wären jetzt schon definitiv für die Playoffs qualifiziert – und Biel nicht
Tja, das alles wäre wohl so gekommen, wenn man in Kloten im Sommer 2012 in der sportlichen Abteilung nichts verändert, wenn man buchstäblich nichts getan hätte. Die alternative Geschichtsschreibung öffnet uns also die Augen und wir erkennen: Philippe Gaydoul hatte eigentlich eine einfachere Ausgangslage als beispielsweise seinerzeit Walter Frey bei der Kreation der ZSC Lions oder Marc Lüthi 1998 nach der Nachlassstundung beim SC Bern. Oft wird vergessen, dass Jürg Bircher in Kloten ein sportlich bestens funktionierendes Eishockey-Unternehmen aufgebaut hatte. Sein Pech war es, dass ihm das Geld ausging und so konnte er das alljährlich anfallende Defizit nicht mehr ausgleichen.
Aber auch das ist eine Erkenntnis aus der alternativen Geschichtsschreibung: Wahrscheinlich hat es in der neueren Geschichte unseres Hockeys nicht oft eine Krise gegeben, die so hausgemacht und selbstverschuldet ist wie jene der Kloten Flyers in der Saison 2014/15. Ach, es wäre alles so einfach gewesen. Oder?
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Hätte Gaydoul die Flyers nicht gerettet, hätte sich Klaus wohl auch nicht mit ihm angelegt und würde noch immer für Ringier und Tamedia arbeiten...
Einen grossen Anteil am Verpassen der Playoffs 2013 hatte wohl der tubulente Sommer und damit die Vernächlässigung des Sommertrainings.