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Ralph Krueger, Sie hatten einst Patrick Fischer im Nationalteam. Konnten Sie sich vorstellen, dass er einmal Nationaltrainer wird?
Ralph Krueger: Er war ein Führungsspieler wie übrigens auch Reto von Arx. Patrick war sehr wichtig für den Zusammenhalt des Teams. Er und Reto waren aber nicht die einzigen. Ich war sicher, dass viele Spieler aus dieser Generation später auch auf einer anderen Ebene Verantwortung übernehmen werden – Felix Hollenstein, Martin Steinegger, Edgar Salis, Sven Leuenberger haben in Klubs Führungspositionen, Thierry Paterlini führt das U-18-Nationalteam. Es ist eine natürliche Entwicklung.
Eine natürliche Entwicklung?
Wir haben damals sehr stark auf den Stolz und auf unser Hockey gesetzt, und dieser Spielergeneration ist bewusst geworden, dass Eishockey eine ganz besondere Bedeutung hat und mehr ist als ein Spiel. So hat eine Entwicklung begonnen, die nun die Spieler in Führungspositionen gebracht hat.
Sie setzten sehr stark auf Taktik, Ihre Nationalmannschaft war taktisch eine der besten der Welt. Das ist heute nicht mehr so. Ist Taktik nicht mehr nötig?
Die Spieler haben sich unheimlich weiterentwickelt. Wir hatten beispielsweise einzelne Spieler, die ihren Platz im Team in erster Linie ihrer Härte verdankten. Heute hat ein Nino Niederreiter beides: physische Präsenz und spielerische Klasse. Er spielt in der NHL. Die Schweizer Spieler können auf internationalem Niveau viel frecher auftreten.
Und die Taktik?
Obwohl sich das Eishockey weiterentwickelt hat und die Schweizer auf einem höheren Level spielen, messe ich heute der Taktik immer noch die gleiche Bedeutung bei. Die Spieler sind zwar vielseitiger geworden. Trotzdem braucht es doch für jeden eine Rolle. Nach wie vor ist die Philosophie des Trainers, sein Einfluss auf die Gruppe, von entscheidender Bedeutung.
Patrick Fischer, Felix Hollenstein und Reto von Arx haben als Trainer nie irgendetwas gewonnen. Kann das gut gehen?
Ob die drei als Trainer etwas gewonnen haben, ist nicht so wichtig. Alle wissen aus ihrer Zeit als Spieler, was es braucht, um zu gewinnen. Nationaltrainer zu sein ist etwas anderes als die Arbeit als Klubtrainer. Als Nationaltrainer kommt es mehr darauf an, dass man die Gruppe zusammenhalten und seine Ideen rüberbringen kann. Die Voraussetzung dafür ist Leidenschaft, und die drei bringen wahnsinnig viel Leidenschaft mit. Ich habe das gespürt, als ich mit Patrick Fischer und Reto von Arx gesprochen habe.
Ihr Sohn Justin spielt beim SC Bern. Sie haben seinen Titelgewinn hautnah miterlebt. Wie sehen Sie das SCB-Meistermärchen?
Ich habe noch selten eine Mannschaft gesehen, die sich so zu steigern vermochte. Dass es durch die Erleichterung nach der geglückten Playoff-Qualifikation einen Schub gegeben hat, ist normal. Aber dieser Schub hält normalerweise nur für eine Runde, dann kehrt die Realität ein und die Saison ist zu Ende. Aber es ist unglaublich, wie Bern diesen Schwung über die erste Runde hinaus bis zum Schluss getragen hat. Das Tempo, die Härte und die Opferbereitschaft der Spieler waren einfach unglaublich. Sie haben nicht links und nicht rechts geschaut und ihr Ding einfach durchgezogen. Es ist der sensationellste Meistertitel, den ich je gesehen habe, und für Justin war es noch ganz besonders, weil er sich mit einem gebrochenen Finger durch die Playoffs gequält hatte.
Hätten Sie den Trainer behalten?
Das ist die Frage, die ja kommen musste.
Ihre Antwort interessiert mich aber sehr. Schliesslich sind Sie ja die höchste Führungsperson in einem Sportunternehmen.
Der SCB hat die Meisterschaft gewonnen. Aber das ist nur noch für die Geschichte. Was die Zukunft bringt, weiss niemand. Nur wer in einer Führungsposition ist, hat alle Informationen und muss die Entscheidung treffen. Als Nationaltrainer habe ich oft Entscheidungen getroffen, die nicht verstanden worden sind. Aber ich hatte alle Informationen und wusste warum. Ich möchte es so sagen: Ich freue mich sehr für Lars Leuenberger, er hat einen super Job gemacht.
Sie sind halt auch ein Diplomat. Welche Entwicklung hat unser Eishockey seit Ihrem Weggang im Frühjahr 2010 gemacht?
Ich habe sechs Playoff-Partien live gesehen. Wer in der Schweiz Meister werden will, muss mit einem Wahnsinnstempo spielen und physisch sehr stark sein. Sonst ist es nicht möglich, diese ausgeglichene Liga zu gewinnen. Tempo und Intensität sind viel höher als vor fünf oder sechs Jahren. Und dabei dürfen wir nicht vergessen, dass heute mindestens zehn der besten Spieler nicht mehr in der Liga, sondern in Nordamerika sind. Das macht einen sehr guten Spieler pro Team! Und trotzdem ist das Niveau so hoch. Dazu kommt, dass die Ausländer in den meisten Teams Rollenspieler geworden sind. Auch beim SCB. Schweizer Spieler haben längst eine so wichtige Rolle wie die Ausländer.
Fast eine andere Welt als zu Ihrer Zeit.
Ja, es ist unglaublich, wie gering die Leistungsdifferenz zwischen den Teams geworden ist. Die NLA ist eine Liga geworden, in der du das Visier nie hochklappen darfst, und die Liga hat einen unglaublich hohen Unterhaltungswert. Ich habe meinen Leuten hier in Southampton Bilder von der Stehrampe in Bern gezeigt. Die waren begeistert. Die NLA ist ein wahnsinnig gutes Unterhaltungsprodukt.
Warum ist in der Schweiz das Klubhockey so viel besser als der Klubfussball?
Die NLA ist, wenn wir alles berücksichtigen, die attraktivste Eishockeyliga in Europa. Im Fussball ist die Konkurrenz viel grösser, und es gibt für die Spieler so viele Optionen, dass es nicht möglich ist, die besten Spieler zu halten. Aber ich muss gestehen, dass ich den Schweizer Klubfussball eigentlich nicht kenne.
Sie kennen unseren Klubfussball nicht?
Nein. Nur Basel, und ich bin von der Klubkultur und vom Management sehr beeindruckt.
Dann bin ich sehr beunruhigt.
Warum?
Der Präsident eines Klubs aus der wichtigsten Liga der Welt kennt unseren Klubfussball nicht. Dann ist es halt nicht wichtig, unseren Klubfussball zu kennen.
Nein, es ist etwas anderes: Ich muss meine Konkurrenz in der Liga kennen und wissen, wie die tickt. Ich muss den Schweizer Fussball nicht kennen. Das müssen meine Leute aus der Fussballabteilung, und dort haben wir unter anderem auch 18 hauptberufliche Scouts. Die haben schon ein paar Schweizer Spieler auf dem Radar.
So? Welche?
Wie gesagt: Darum kümmert sich unsere Fussballabteilung. Ich muss nicht jeden Spieler kennen.
Wie viel Umsatz machen Sie in Southampton?
Diese Saison 180 Millionen, und damit sind wir weltweit die Nummer 20 aller Fussballklubs. Aber in der Premier League sind wir klein. ManU ist mit 750 Millionen die Nummer eins. Durch den neuen TV-Vertrag erhöht sich unser Budget nun auf 220 Millionen, und wir sind dann weltweit die Nummer 14.
Schreiben alle Klubs in der Premier League schwarze Zahlen?
Nein, nein. Etwa die Hälfte.
Ist es für Sie einfacher, die Zahlen im Griff zu haben, weil Sie nicht aus dem Fussballgeschäft kommen?
Es hilft, wenn man die Entscheidungen im Management rational und nicht emotional trifft. Vielleicht ist das tatsächlich etwas einfacher, wenn man nicht aus dem Fussballgeschäft kommt.
Ist es denkbar, dass Sie einmal auch unser Fussballnationaltrainer werden?
Nein, das ist ausgeschlossen. Es ist ein Vorteil, dass ich weiss, was ich kann, aber vor allem auch weiss, was ich nicht kann.
Können Sie eigentlich das Wunder von Leicester erklären? Der Klub hat ähnliche Voraussetzungen wie Southampton und hat die englische Premier League gewonnen.
Es sind verschiedene Faktoren. Die Mannschaft war schon in der Schlussphase der letzten Meisterschaft sehr gut, dann kamen geschickte Transfers dazu. Die Mannschaft konnte diese Saison fast immer in der gleichen Aufstellung spielen, weil es sehr wenig Verletzungen gab. Der Teamgeist ist unglaublich, der Coach ist richtig cool und schliesslich sind diese Saison so viele andere gestolpert. Aber Leicester eben nicht.
Werden die Briten eigentlich für einen Austritt aus der EU stimmen?
Mein Bauchgefühl sagt, dass die Briten in der EU bleiben. Aber so denken die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Es ist eine unberechenbare Sache. Aber ich hoffe sehr, dass die Briten in der EU bleiben.
Warum?
(lacht) Weil meine Einreise nach England bei einem EU-Austritt komplizierter würde. Ich müsste dann wohl jedes Mal beim Grenzübertritt ein Formular ausfüllen.