Der Drang nach Westen liegt in der russischen DNA. Deshalb gründete Zar Peter der Grosse einst St.Petersburg als Tor zum Westen. Die grossrussische Kontinental Hockey League (KHL) hat aus naheliegenden Gründen ein Interesse an einer Expansion nach Westeuropa: Im europäischen Markt könnte «richtiges» Geld verdient werden. Nicht nur Rubel.
Nach wilden Jahren hat sich das russische Eishockey 2008 in der KHL organisiert. Sie ist nach der nordamerikanischen National Hockey League (NHL) die zweitwichtigste Liga der Welt, in vielen Bereichen ähnlich strukturiert und mit 27 Teams fast so gross wie die NHL (31 Teams).
Auch das grosse Vorbild NHL zieht es ja nach Europa und in die Schweiz. Die NHL hatte in den 1990er-Jahren mit Guido Tognoni sogar vorübergehend einen Europa-Direktor. Mit Büro in Zürich. Die NHL trägt inzwischen zu Beginn der Saison offizielle Punktspiele in Europa aus und New Jersey hat soeben in Bern eine Saisonvorbereitungspartie gegen den SCB bestritten. Diesem Muster folgt die KHL mit zwei Meisterschafts-Partien in Zürich.
Das russische Hockey pflegt gute Beziehungen zur Schweiz. Die Trainerlegende Wladimir Jursinow hat ihren Wohnsitz ebenso in der Schweiz wie die einstigen Weltstars Slawa Bykow und Andrej Chomutow. Und wenn Zar Wladimir Putin Rat in Hockeydingen braucht, wendet er sich gerne vertrauensvoll an unseren René Fasel, den Präsidenten des Internationalen Eishockey-Verbandes (IIHF). KHL-Teams sind ein Teil der Spengler-Cup-Kultur geworden und zwei KHL-Teams haben bereits einmal vor dem Turnier in Davos ein offizielles KHL-Punktespiel ausgetragen.
Und doch ist Russland weit weg. Kein KHL-Team hat sich der Alliance of European Hockey Clubs (E.H.C.) angeschlossen. Rund 80 Klubs aus mehr als zehn Ländern haben sich zu dieser Interessengemeinschaft zusammengefunden. Sie hat nichts mit der Champions Hockey League zu tun und zum Ziel, die Interessen der Profiligen beim internationalen Verband (IIHF) einzubringen. Präsidiert wird sie von SCB-Manager Marc Lüthi. Er sagt: «Die KHL-Teams wären durchaus willkommen und wir pflegen Kontakte zur KHL.» Aber mehr halt nicht.
Die KHL-Teams beteiligen sich auch nicht mehr an der Champions League. Und doch zieht es die KHL in den Westen. Das westlichste KHL-Team ist Jokerit Helsinki, der SCB Finnlands. Aber Finnland war bis 1918 ein Teil des russischen Reiches. Seit ewigen Zeiten gibt es intensive Beziehungen zwischen den Russen und Finnen. Helsinki tickt anders als die übrigen europäischen Metropolen.
Immer wieder gibt es Gerüchte um ein KHL-Team ganz ausserhalb des russisch-slawischen Kulturkreises. In Stockholm, London, Paris, Berlin, München, Mailand oder Genf. Wirklichkeit sind diese Pläne nie geworden. Marc Lüthi weiss warum: «Für Teams mit Namen, die ein gewöhnlicher Sportkonsument nicht einmal aussprechen kann, gibt es einfach keinen Markt.» Servette-General Chris McSorley sagt, die Mutmassungen über ein KHL-Team in Genf hätten nie eine reale Grundlage gehabt. «Öl ist zwar der Treibstoff der KHL und Genf eine bevorzugte Stadt der russischen Ölmilliardäre. Aber bei allem, was mir heilig ist, schwöre ich: Wir haben in Genf nie Gespräche über ein KHL-Team geführt – und werden es auch künftig nicht tun.»
Schweizer Klubs gehen ab und an strategische Allianzen mit ausländischen Teams ein. Die ZSC Lions beispielsweise mit Toronto. Aber es gibt keine Zusammenarbeit mit einem KHL-Unternehmen. ZSC-Manager Peter Zahner sagt: «Die Russen ticken einfach anders.» Mit den beiden KHL-Gastspielen haben die ZSC Lions also nichts zu tun. Offizieller Veranstalter der beiden Partien ist der lettische Klub Dinamo Riga im Rahmen einer Sieben-Jahre-West-Werbeoffensive der KHL.
In der Schweiz hat es bis heute nur ein konkretes KHL-Projekt gegeben: Der Unternehmer Markus Bösiger aus Roggwil bei Langenthal unterzeichnete am 17. Dezember 2011 in Zagreb eine Vereinbarung mit der KHL und am 21. Januar 2012 wurde die Idee am Rande des KHL-All-Star-Games in Riga offiziell bestätigt. Über die Stationierung eines KHL-Teams in Huttwil und sogar über Namen und Logo war man sich einig.
Doch die «Helvetics» sind eine Episode der internationalen Hockeygeschichte geblieben. Markus Bösiger sagt, die eigens dafür gegründete Aktiengesellschaft bestehe immer noch, ruhe aber. Und somit gibt es zumindest auf dem Papier nach wie vor ein eidgenössisches KHL-Team.
In erster Linie sei die Sache an der Stadionfrage und dem veränderten internationalen politischen Klima gescheitert. 62 Millionen wollten in- und ausländische Investoren in das nationale Sportzentrum in Huttwil (heute: Campus Perspektiven) in den Ausbau des Stadions investieren und dort die «Helvetics» auftreten lassen. «Die KHL hätte in den ersten fünf Jahren 75 Prozent des Budgets finanziert. Aber dieser Ausbau des Stadions war nicht zu machen.»
In Huttwil spielt heute statt der «Helvetics» ein Klub mit dem Namen Hockey Huttwil. Nicht in der KHL. Aber immerhin in der MySports League.