Die Gewährsleute aus dem Inneren des grössten Hockeyunternehmens im Land melden: Marc Lüthi und Chris McSorley haben sich in den wesentlichen Punkten (Salär, Aufgabenbereich) geeinigt. Wenn die beiden erfolgreichsten und charismatischsten Hockey-Macher der letzten 20 Jahre tatsächlich zusammenspannen, dann wird die Liga gerockt.
Der SCB-Chef hat inzwischen den Handlungsbedarf in der Sportabteilung erkannt. Aus den innersten SCB-Machtzirkeln wird berichtet: Chris McSorley wird neuer Sportchef und darüber hinaus mit mehreren Aufgaben betraut: mit dem Ausbau der Nachwuchsorganisation, mit der Ausweitung des Einzugsgebietes für die Rekrutierung von Junioren auf Kosten von Langnau und Biel, mit dem Projekt eines Farmteams und mit der Beratung beim angedachten Neubau der PostFinance-Arena.
Der Hockeykonzern SC Bern (60 Millionen Umsatz) soll langfristig umfassend neu und breiter aufgestellt werden. Sportlich, aber auch infrastrukturell und wirtschaftlich und soll künftig nicht mehr so stark von der Gastronomie abhängig sein. Chris McSorley hat in Genf von Grund auf das bestfunktionierende Sportunternehmen der Westschweiz aufgebaut und beste Beziehungen zur Anschutz-Gruppe, einer der grössten auf Sport-Business und Immobilien spezialisierten Firmen Nordamerikas.
Durchaus denkbar, dass Chris McSorley eine Zusammenarbeit mit dem milliardenschweren US-Unternehmen aufgleisen wird. Anschutz hält unter anderem 50 Prozent der Los Angeles Kings (NHL) und besitzt in Europa unter anderem die Eisbären Berlin. Ein Einstieg in den «Sportstandort Bern» kann für ausländische Investoren interessant und sinnvoll für beide Seiten sein.
Der sportliche Zerfall beim SC Bern kann nur aufgehalten werden, wenn die Balance zwischen Business und Sport wiederhergestellt wird. Chris McSorley ist mit ziemlicher Sicherheit der einzige sofort verfügbare Kandidat, der die Kompetenz, die Chuzpe und die diplomatische Schlauheit hat, um Marc Lüthi auf Augenhöhe zu begegnen und zu widersprechen.
Einem Engagement in Bern steht nichts im Wege. Chris McSorley hat längst erklärt, er könne nach der Ausbootung bei Servette von heute auf morgen beim SC Bern einsteigen. Aus den inneren SCB-Zirkeln wird auch berichtet, Marc Lüthi wolle niemanden entlassen und vor der offiziellen Verpflichtung des ehemaligen Servette-Zampanos intern alles regeln.
Sportchefin Florence Schelling soll bleiben und eine mehr repräsentative Rolle übernehmen. Ungefähr so wie die Queen in England. Und der im letzten Frühjahr abgesetzte Sportchef und aktuelle Trainer-Assistent Alex Chatelain dürfe sich unter Anleitung und Aufsicht von Chris McSorley um die Scouting-Abteilung kümmern.
Wenn die wichtigste SCB-Personalie seit dem Einstieg von Marc Lüthi (1998) gelingt, dann wird der SCB bis in vier Jahren wieder ein Meisterkandidat. Die polemische Behauptung ist zwar richtig, selbst der riesige SCB-Hockeytempel sei nicht gross genug, um die Egos von Marc Lüthi UND Chris McSorley zu fassen. Aber dabei geht eines vergessen: Chris McSorley hat bei allem Selbstbewusstsein auch den für die Nordamerikaner so typischen Sinn für Hierarchien und Organigramme in der DNA. Marc Lüthi ist mit grosser Wahrscheinlichkeit die einzige Persönlichkeit in unserem Hockey, die er so respektiert, dass eine konfliktfreie Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich ist.
Vor allen grossen Aktionen der Weltgeschichte (wie beispielsweise Pearl Harbor, der Operationen Overlord oder der Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz) ist von höchster Stelle absolute Funkstille verordnet worden. Seit Tagen nimmt Chris McSorley zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Genf (2001) das Hosentelefon nicht mehr ab. Ganz offensichtlich soll absolute Funkstille alle davor bewahren, sich zu verplappern. Einer der Eingeweihten beim SC Bern sagt es so: «Wenn wir als Distanz zwischen Bern und Genf 150 Kilometer annehmen, dann ist Chris McSorley inzwischen weniger als 50 Kilometer von Bern entfernt.»
Mit Wilhelm Busch können wir vielleicht bald sagen: Lange war der SCB an der sportlichen Seele krank, jetzt rockt er wieder, Gott sei Dank.
Und dir wird der Schreibstift glühen.