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Lieber Hans Kossmann, willkommen auf dem Planeten Ambri. In einer Welt, die keine leichten Siege kennt. Die von der Mühsal des täglichen Lebens geprägt wird. Und wo jeder Trainer irgendeinmal an den Rand der Verzweiflung gerät.
Ambri gegen Biel: Das dritte Spiel unter Hans Kossmann nach der Cup-Partie in La Chaux-de-Fonds (3:2 n.P.) und dem grandiosen Triumph in Fribourg (5:2), wo Ambri Gottéron die erste Heimniederlage beigebracht hat. Was nach einer schnellen Führung (2:0 nach 11:07 Minuten) ein schöner Abend, ein leichtes Spiel und die ersten Tage eines Eishockey-Frühlings hätte werden können, sollen und müssen, ist zum Drama und zur bitteren Niederlage geworden. Typisch Ambri!
Hätte Ambri gewonnen, dann würde der Chronist hier die Handschrift des neuen Trainers in blumigsten Worten rühmen. Tatsächlich hat Hans Kossmann bereits ein wenig mit der Nagelfeile an der Taktik gearbeitet. Er hat ja nicht eine taktisch und spielerisch verlotterte Mannschaft übernommen wie Doug Shedden in Lugano. Vielmehr hat ihm sein Vorgänger Serge Pelletier eine intakte Mannschaft hinterlassen.
Aber Ambri muss immer im Ausnahmezustand sein, auf den Zehenspitzen stehen. Das war zuletzt unter Serge Pelletier nicht mehr der Fall. Mit einem neuen Trainer werden jeweils die Batterien wieder aufgeladen, kehren Feuer und Leidenschaft zurück, wird die Disziplin besser, das System einfacher, die Fehlerquote tiefer – und all das ist ja jetzt auch der Fall. Deshalb der Triumph in Fribourg. Deshalb der gute Start gegen Biel.
Es hätte alles aufgehen können: Nach dem 2:0 hatte der grosse Alexander Giroux zweimal die Chance zum 3:0 – das wäre das Ende für Biel gewesen. Und selbst dann, als die Götter sich gegen Ambri wendeten, hätte es doch noch gut werden können. Cory Emmerton fährt in der Verlängerung alleine auf Simon Rytz los – und der Puck landete neben dem Tor. Und in diesem Augenblick wird allen klar: es wird im Drama enden.
Und wie! Verteidigungsminister Mikko Mäenpää, der sensible Künstler, der Mann, der mit einem Kunstschuss zum 1:0 getroffen hatte, verliert das Spiel. Er schlägt aus der Ecke der eigenen Zone heraus einen Querpass exakt auf die Stockschaufel von Tim Stapleton. Biels Topskorer läuft alleine Richtung Sandro Zurkirchen und trifft eiskalt. 2:3. Aus. Fertig. Verloren nach 63:27 Minuten. Zwei Punkte verschenkt.
Was sagt der Chronist jetzt? Ist der Trainer schuld? Hat der Trainerwechsel nichts genützt? Hat Ambri schlecht gespielt? Nein, es gibt eigentlich nichts zu kritisieren. Es war ein grossartiges Spiel. Aber Ambri kann halt einen Vorsprung nicht verwalten. Dafür hat diese Mannschaft zu wenig Talent. Ambri ist zur ewigen Flucht nach vorne, zum ständigen, energiefressenden und «Puckeroberungs-Hockey» verdammt. Wenn auf der Flucht vor der Niederlage die Entscheidung nicht gelingt wie gestern, wenn sich aus Müdigkeit Konzentrationsfehler einnisten, dann wird ein Drama mit jeder Sekunde wahrscheinlicher, die auf der Uhr runtertickt.
Mikko Mäenpää ist im Grunde nur ein Opfer der Hockey-Götter geworden, die es nun mal lieben, Ambri immer wieder zu züchtigen. Der Finne hat eine überraschende, plausible Erklärung für seinen grandiosen Fehlpass. «Als ich den Puck spielte, war kein Bieler zu sehen. Aber auf einmal tauchte da einer auf.» Sozusagen wie ein Phantom. Und das am Halloween-Weekend.
Es ist keine Ausrede: Tim Stapleton sprang genau in dem Moment im fliegenden Wechsel über die Bande, als Ambris finnischer Verteidigungsminister den Angriff auslöste. Und so bitter die Niederlage auch sein mag, irgendwie passt Ambris wunderschöne Siegeshymne («La Montanara») sowieso nicht zum Halloween-Weekend.
Sportchef Ivan Zanatta sagt trotz der Niederlage: «Wir spielen jetzt unter Hans Kossmann besser. Kompakter.» Aber er ahnt, was nach dem Spiel folgen wird. Hans Kossmann wird zum ersten Mal toben. Im Vieraugengespräch mit Mikko Maenpää. «F…», sagt Ivan Zanata. «Er wird sehr, sehr laut werden.»
Mit dieser Niederlage ist Hans Kossmann definitiv auf dem Planeten Ambri angekommen: Er hat nach dem dritten Spiel endlich zum ersten Mal einen Grund, so richtig, aber wirklich richtig zu toben. Oder? Nein.
Hans Kossmann ist nach der bitteren Niederlage erstaunlich milde. «Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich in den ersten drei Spielen gesehen habe. Wir haben drei Partien in vier Tagen gespielt und bei solcher Belastung ist das Gehirn der erste Muskel, der ermüdet. Dann passieren eben Fehler. Es wäre sehr ungeschickt in die Enttäuschung hinein noch böse zu sein. Die Spieler brauchen jetzt Aufmunterung.»
Wissen, wann es Zeit ist, böse und laut und wann leise und weise zu sein – das ist die grosse Kunst der grossen Hockey-Bandengeneräle. Oder ein bisschen poetischer: Hockeyspieler richtig zu führen, ist wie einen Schmetterling in der Hand zu halten: Wer zu stark drückt, zerbricht die Flügel. Aber das Flattertier fliegt davon, wenn die Hand nicht richtig zugehalten wird.