Kürzlich klagte der Agent eines berühmten Trainers, sein Klient werde möglicherweise für nächste Saison gar keinen Job annehmen. Die Offerten seien so miserabel wie noch nie. Offensichtlich führt die Coronakrise dazu, dass die Klubs wenigstens bei den Trainerlöhnen vorübergehend zur Vernunft gekommen sind. Gefragt sind «Billig-Trainer».
Das beste Beispiel für den Trend zu «billigem» Führungspersonal sind die SCL Tigers. Wobei «billig» eigentlich nicht das richtige Wort ist. Weil «billig» den Eindruck von «minderwertig» erwecken kann. «Billig» heisst in diesem Fall: ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis.
Die erste «Billig-Lösung» ist Sportchef Marc Eichmann. Er war in Langenthal Torhütertrainer und der «Laufbursche» von Sportchef Kevin Schläpfer. Die Langnauer haben ihn als Torhütertrainer geholt und anschliessend zum Sportchef befördert. Ganz klar: eine «Billiglösung», die weitaus weniger kostet, als wenn Kevin Schläpfer, ein bestandener, charismatischer Sportchef mit Erfahrung aus der höchsten Liga verpflichtet worden wäre.
Die zweite «Billig-Lösung» ist Trainer Rikard Franzén. Er hat bereits in den letzten beiden Jahren als Assistent von Cheftrainer Heinz Ehlers in Langnau gearbeitet. Die Beförderung vom Assistenten zum Chef bringt ihm eine Lohnerhöhung von lediglich 25'000 Franken ein. Er kostet nur halb so viel wie zuvor Heinz Ehlers. Bei seiner Beförderung war das «Preisschild» entscheidend. Nur der guten Ordnung halber hat Marc Eichmann mit der offiziellen Bekanntgabe noch etwas zugewartet und ein oder zwei Kandidaten – unter anderem Jason O’Leary, den er aus seiner Zeit in Langenthal kennt – ins Spiel gebracht.
Nun können wir die Langnauer für ihre Philosophie «Geiz ist geil» kritisieren. Aber das wäre gar kurzsichtig, unfair, ja töricht. Unruhige Zeiten bieten Chancen. Dank dem Kostenbewusstsein bekommen Neulinge eine Chance. Und Marc Eichmann und Rikard Franzén sind zwei Neulinge, die alles mitbringen, um diese Chance zu packen. Verwaltungsräte neigen oft dazu, ihre Sportfirmen mit grossen Namen zu schmücken und scheuen das Risiko, einem «Nobody» eine wichtige Position zu überlassen. Das ist ein Grund für die viel zu hohen Sportchef-, Trainer- und Spielerlöhne.
Die SCL Tigers haben den Mut zum «Billig-Sportchef» und zum «Billig-Trainer» – und die Chancen, dass sie für diesen Mut reich belohnt werden, stehen gut. Marc Eichmann ist ein smarter junger Mann mit Sinn für Humor und Ironie und einem guten Gespür für die Chemie eines Teams und die Persönlichkeit und das Talent von Spielern. Zudem kann er in der Organisation auf den Rat von erfahrenen Kennern (wie Alfred Bohren, Martin Gerber) zurückgreifen. Allerdings gibt es zu dieser Beförderung eine Kritik. Marc Eichmann kann nicht Sportchef UND Goalietrainer sein. Die Langnauer unterschätzen die Wichtigkeit der Position des Torhütertrainers. Das kann fatale Folgen haben.
Rikard Franzén ist zwar ein typischer Assistent, sozusagen die schwedische Antwort auf Waltteri Immonen oder Louis und René Matte. In seiner ganzen Karriere war er nur einmal Cheftrainer (2013/14 in Stockholm) – und da ist er schon Mitte Saison gefeuert worden. Aber der 52-jährige Schwede mit Vergangenheit als Verteidiger in Bern (2001 bis 2003) hat in den letzten beiden Jahren in Langnau sein Persönlichkeitsprofil geschärft. Zwischendurch hat er im Trainerbüro die fachliche Konfrontation mit seinem Chef Heinz Ehlers nicht gescheut und ab und zu war durch die Wände hindurch zu hören, wie sie die beiden gegenseitig die Meinung gegeigt haben.
Rikard Franzén bekommt in Langnau eine Chance, die er in normalen Zeiten nie bekommen hätte. Und er wird alles dafür tun, um diese Chance zu nützen und er kann für Langnau ein wahrer Glücksfall werden. So wie letzte Saison in Langenthal Jeff Campbell. Sportchef Kevin Schläpfer musste ein Sparprogramm umsetzen («100'000 Franken Salär sind genug») und beförderte aus finanziellen Gründen den bisherigen Assistenten zum Cheftrainer. Und siehe da – ein Volltreffer.
Der Kanadier hat den nominell schwächer gewordenen Titelverteidiger mit viel Gespür und taktischer Schlauheit durch die Qualifikation manövriert und exakt zum richtigen Zeitpunkt in Form gebracht. Die Langenthaler spielten in den Playoffs ihr bestes Hockey, bodigten im Viertelfinale die klar favorisierten Oltner und wenn die Saison nicht abgebrochen worden wäre, hätten sie wahrscheinlich erneut die Swiss League gewonnen.
Rikard Franzén wie Jeff Campbell? Ja, sehr viel spricht dafür. Sofern es Marc Eichmann gelingt die vier Ausländerpositionen gut zu besetzen. Gute Ausländer sind zwar nicht alles, aber bei einem nominell so limitierten Team ist ohne gute Ausländer alles nichts. Zwei Positionen sind mit Einschränkungen besetzt: Leitwolf Harri Pesonen hat bis Ende Juni eine Ausstiegsklausel für die KHL und es ist ungewiss, ob sich Robbie Earl bis Saisonbeginn vollständig von seiner Gehirnerschütterung erholen kann.
Die Langnauer sind mit ihrem Mut zu «Billig-Lösungen» Trendsetter. Sie haben sich auch beim zweiten Goalie neben Ivars Punnenovs von finanziellen Überlegungen leiten lassen. Die Unzufriedenheit von Damiano Ciaccio kam ihnen gerade recht: sie haben den Helden der letzten Saison aus einem gültigen Vertrag nach Ambri laufen lassen und sparen so eine schöne sechsstellige Summe. Die neue Nummer 2 Gianluca Zaetta (20) kostet nicht einmal halb so viel wie Damiano Ciaccio. Das Risiko ist allerdings erheblich: Langnaus neue Nummer 2 hat bisher nie in der höchsten Liga gespielt und war bei Zugs Farmteam auch kein heraussragender Schlussmann in der Swiss League. Fällt Ivars Punnenovs aus, braucht es wohl einen ausländischen Goalie.
Schade nur, dass die Emmentaler nicht auch noch den Mut zu «Billig-Ausländern» hatten: den Mut, Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen, die beiden kanadischen Stürmer von Cupsieger Ajoie zu verpflichten. Da hat die Vergangenheit dem neuen Sportchef einen Streich gespielt: «seine» Langenthaler haben in er Qualifikation seit 2015 gegen ein Ajoie mit Devos und Hazen 15 von 21 Begegnungen plus den Playoff-Halbfinal von 2017 (4:1) gewonnen. Seine Schlussfolgerung: wenn es uns in Langenthal gelungen ist, die beiden Kanadier weitgehend zu neutralisieren, dann wird dies den Gegner erst recht in der höchsten Liga möglich sein.
Nun, es war letzte Saison im Cup weder Lausanne, noch den ZSC Lions, Biel oder Davos möglich, Philip-Michaël Devos und Jonathan Hazen zu neutralisieren. Und wenn es denn so einfach wäre – warum konnten die beiden letzte Saison zusammen 181 Punkte produzieren? Immerhin können die Trainer in der Swiss League die Spielweise dieser formidablen Stürmer bereits seit fünf Jahren analysieren.
Deshalb: Schade, dass die Langnauer nach dem Mut zum «Billig-Sportchef», «Billig-Trainer» und «Billig-Goalie» nicht auch den Mut zu den beiden «Billig-Ausländer» hatten.
was in dieser trainerfrage ggü franzen nicht fair wäre, zumal er sich als head noch gar nicht beweisen konnte.
nenn es doch einfach „günstig“ im vergleich mit der durchschnittlichen trainerbesoldung.